Seite 36 - Geschbericht 2012

Basic HTML-Version

J
edes Jahr werden im Rhein-Neckar-Kreis rund 600
schwere Gewalttaten angezeigt, noch häufiger wer-
den Menschen geschlagen oder verprügelt. Bei diesen
Straftaten kommt es darauf an, dass Gerichtsmedizi-
ner sorgfältig und schnell Spuren sichern, Verletzun-
gen untersuchen und für spätere Gerichtsverfahren
dokumentieren. Um eine schnell und gut erreichbare
Anlaufstelle für Opfer, deren Ärzte, Polizei oder Ju-
gendamt zu schaffen, eröffnete das Universitätskli-
nikum Heidelberg 2012 die erste Gewaltambulanz in
Baden-Württemberg.
Die „klinisch-forensische Ambulanz“ im Institut für
Rechtsmedizin unter Leitung der Ärztlichen Direktorin
Professor Dr. Kathrin Yen hat wenig mit Ambulanzen
anderer Kliniken gemein: In vier von fünf Fällen füh-
ren die Rechtsmediziner ihre Untersuchungen in den
Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim durch,
begeben sich direkt in die Wohnungen der Opfer oder
zu mutmaßlichen Tätern in die Arrestzelle. Wer sich
direkt an die Rechtsmedizin wendet, wird in der Am-
bulanz am Standort Heidelberg-Bergheim untersucht
und bei Bedarf einer ärztlichen Behandlung oder psy-
chologischen Betreuung zugeführt.
Situation der Opfer in späteren
Strafverfahren verbessern
Die Gewaltambulanz steht dabei allen Menschen of-
fen, die von Gewalt betrof fen sind, aber auch Men-
schen, die einer Gewalt tat bezichtigt werden. Die
Rechtsmediziner suchen nicht nur akribisch nach
belastenden, sondern auch nach entlastenden Spu-
ren. Mit Hilfe objektiver Sachbeweise können später
Rechtsansprüche besser geltend gemacht werden.
Auch wer keine oder noch keine Anzeige bei der Poli-
zei erstatten will, kann sich untersuchen lassen.
Zehn Rechtsmediziner sind rund um die Uhr telefo-
nisch erreichbar. Schnell muss es vor allem gehen,
damit Beweise nicht verloren gehen und bestimmte
Substanzen – wie KO-Tropfen – noch nachgewiesen
werden können. Außerdem sollen Untersuchung und
Dokumentation, besonders bei Sexualdelikten, mög-
lichst schonend für die Opfer vonstatten gehen. Dazu
kümmern sich Arzt und Rechtsmediziner gemeinsam
um die missbrauchte oder misshandelte Person. Die
nötige Vernetzung mit Polizei, Justiz, Jugendämtern,
Kliniken und Hilfeeinrichtungen besteht bereits seit
2008, als die Stadt alle Par tner zum Heidelberger
Interventionsmodell an einen Runden Tisch zusam-
menbrachte, um gemeinsam häusliche Gewalt zu
bekämpfen. Das Klinikum verpflichtete sich dabei, ei-
nen Interventionsablauf im Klinikalltag zu etablieren:
Wenn die Ärzte Verdacht schöpfen, dass Verletzungen
von Gewalteinwirkungen herrühren, ziehen sie auto-
matisch die Rechtsmediziner zu Rate.
Leistungsspektrum der Gewaltambulanz
——
Rechtsmedizinische Untersuchung nach gewalt-
samen Ereignissen oder Unfällen
——
Gerichtsverwertbare Dokumentation der Verlet-
zungen
——
Spurensicherung (z.B. DNA-Spuren) an Körper
und Bekleidung
——
Nachweis von Vergiftungen z.B. durch KO-Tropfen
——
Vermittlung ärztlicher Betreuung und von Bera-
tungsstellen
——
Telefonische Beratung für Ärzte
——
Erstellung von Gutachten
Erste Gewaltambulanz in Baden-Württemberg eröffnet
Jahresbericht 2012
|
Rückblick
|
Seite 32 und 33