Heidelberg,
20
Dezember
2021
|
10:12
Europe/Amsterdam

Autismus: Die genetische Vielfalt besser verstehen

Zusammenfassung

Neuer Bewertungs-Algorithmus stuft genetische Merkmale für Autismus nach Relevanz ein / Forschende des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) schaffen zusammen mit internationalen Kollegen hilfreiches Wissen für die Autismusforschung / Datenbank soll medizinische Versorgung der Betroffenen mit Autismus-Spektrum-Störungen verbessern

Schätzungen über die Anzahl der Gene, die mit Autismus-Störungen assoziiert sind, variieren stark und reichen von einigen Dutzend bis in die Tausende. Die Datenbank mit dem Namen SFARI Gene (SFARI steht für Simons Foundation Autism Research Initiative) erfasst seit vielen Jahren solche genetischen Veränderungen. Jetzt haben internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Christian Schaaf, Ärztlicher Direktor des Instituts für Humangenetik am UKHD, diese Online-Bibliothek mit zahlreichen Genen, um den sogenannten EAGLE (Evaluation of Autism Gene Link Evidence)-Score erweitert. Auf Basis von Forschungsdaten und Publikationen werden die genetischen Merkmale von „gering“ bis „definitiv“ eingestuft und damit bewertet wie sehr sie mit Autismus-Störungen assoziiert sind.

„Unser Ziel war es, mit EAGLE ein System zu schaffen, welches die Evidenz für oder gegen ein Autismus-Gen umfassend beschreibt. Die Stärke des Bewertungs-Scores liegt vor allem darin, dass genetische, molekulare, klinische und grundlagenwissenschaftliche Daten einfließen. Die Datenbank wird regelmäßig angepasst, wenn neue Untersuchungen zum entsprechenden Gen veröffentlicht wurden", erklärt Schaaf. Für klinische Labore, Ärztinnen und Ärzte sowie für Forschende ist der EAGLE-Score ein evidenzbasiertes, leistungsfähiges Instrument, um unter anderem genetische Panel-Tests - bei denen gleichzeitig mehrere relevante Gene für die Diagnostik im Labor untersucht werden - spezifischer aufzusetzen und besser interpretieren zu können.

Erblichkeit bei Autismus-Spektrum-Störungen liegt bei bis zu 90 Prozent

Das Spektrum autistischer Erkrankungen reicht vom frühkindlichen Autismus mit fehlender Sprachentwicklung und geistiger Behinderung bis hin zum Asperger-Syndrom. Untersuchungen deuten darauf hin, dass der klinischen Vielfalt der sogenannten Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) eine mindestens ebenso breite Streuung genetischer Ursachen zugrunde liegt. Obwohl Autismus innerhalb einer Familie meist nicht den klassischen Vererbungsmustern folgt, haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass die Erblichkeit der ASS bei bis zu 90 Prozent liegt.

Literatur

Schaaf CP, Betancur C, Yuen RKC, et al. A framework for an evidence-based gene list relevant to autism spectrum disorder. Nat Rev Genet. 2020; 21(6):367-376 doi:10.1038/s41576-020-0231-2

Kontakt

Prof. Dr. Christian Schaaf
Geschäftsführender Ärztlicher Direktor
Institut für Humangenetik
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 366 | 69120 Heidelberg
E-Mail: christian.schaaf@med.uni-heidelberg.de