Heidelberg,
12
Juni
2020
|
10:02
Europe/Amsterdam

Blutdrucksenker könnte Therapieansprechen von Lebermetastasen verbessern

Zusammenfassung

Mittel gegen Bluthochdruck verändert Gewebeeigenschaften von Darmkrebsabsiedlungen / „Steifigkeit“ der Metastasen hat Einfluss auf Therapieerfolg / Wissenschaftler der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) publizieren in Cancer Cell

Heidelberger Wissenschaftler haben ein neues potentielles Angriffsziel für die Behandlung von therapieresistenten Lebermetastasen bei Dickdarmkrebs gefunden: die „Gewebesteifigkeit“ der Tumorabsiedlungen. Die Teams der Chirurgischen Universitätsklinik und des EMBL entdeckten an entfernten Metastasen von Patienten, dass diese umso schlechter auf die Therapie mit einem gängigen Krebsmedikament ansprachen, je steifer ihr Gewebe war. Überraschende Abhilfe schaffen offensichtlich bestimmte Mittel gegen Bluthochdruck: Bei Patienten, die diese ohnehin zur Blutdruckregulation einnahmen, waren die Metastasen weicher und schlechter durchblutet. Sie sprachen besser auf das Krebsmedikament an, die Patienten hatten bessere Überlebenschancen. Die Studienergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift Cancer Cell erschienen.

„Es gibt Hinweise, dass es sich bei anderen Tumorarten ähnlich verhält. Es lohnt sich daher, bei der Suche nach neuen Krebstherapien die Gewebeeigenschaften, wie beispielsweise die Gewebesteifigkeit, von Tumoren, ihren Metastasen und des umgebenden Gewebes noch stärker in den Blick zu nehmen“, erläutert Seniorautor Professor Dr. Dr. Thomas Schmidt, Leiter der „Metastatic Tumor Microenvironment Reserach Group“ an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. „Um die Gewebesteifigkeit zu messen verwendeten wir Rasterkraftspektroskopie. Diese macht Veränderungen in der Oberflächenmechanik sichtbar. Durch die Kombination mit Primärgewebe konnten wir so die Rolle verschiedener Behandlungen auf die Gewebesteifigkeit von Metastasen testen“, erklärt Dr. Alba Diz-Muñoz, Gruppenleiterin am EMBL. In einer Folgestudie wollen die Wissenschaftler nun den Nutzen einer Kombinationstherapie von Krebs- und Blutdruckmedikament genauer untersuchen.

 

„Steifigkeit“ der Metastasen fördert deren Wachstum

Dickdarmkrebs streut häufig in die Leber: Bei der Diagnose finden sich bei 20 bis 30 Prozent der Patienten bereits Lebermetastasen, insgesamt treten sie bei mehr als der Hälfte aller Patienten im Laufe der Erkrankung auf. „Da der eigentliche Tumor im Dick- und Enddarm chirurgisch gut zu behandeln ist, sind Metastasen, insbesondere Lebermetastasen die Haupttodesursache bei dieser Krebsart“, so Schmidt. „Um die Überlebenschance der Patienten zu verbessern, brauchen wir neue Therapieansätze, die an die besonderen Eigenschaften der Metastasen angepasst sind.“

Verursacher der besonderen Gewebeeigenschaften der Lebermetastasen sind veränderte Bindegewebszellen, sogenannte Fibroblasten. Diese geben u.a. Kollagen ab, ein Eiweiß, das Knorpel, Sehnen und Bändern ihre Zugfestigkeit verleiht, und ziehen sich zudem zusammen: Das Gewebe verliert an Elastizität und wird steifer. Das fördert das Einwandern von Blutgefäßen und damit das Wachstum der Metastasen. „Das festere Gewebe rund um die Metastasen drückt vermutlich auf die dort verlaufenden Blutgefäße und gibt das Signal zur Verzweigung“, erläutert der Chirurg. Diese Reaktion wirkt dem Medikament Bevacizumab entgegen, das eben genau eingesetzt wird, um die Ausbildung von Blutgefäßen in Krebsgewebe zu hemmen. Die therapeutische Wirkung verpufft.

An diesem neuralgischen Punkt setzen unerwartet Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck an, wie die Heidelberger Wissenschaftler berichten. Dass Darmkrebs-Patienten, die diese sogenannten Renin-Angiotensin-Inhibitoren (anti-RAS) einnehmen, bei einer Krebstherapie mit Bevacizumab bessere Überlebenschancen haben, ist bekannt, nicht aber warum. Das Team um Schmidt entdeckte nun: Die Blutdrucksenker blockieren die veränderten Fibroblasten der Metastasen – sowohl deren Kontraktion als auch die Kollagen-Absonderung – und damit die Versteifung des Gewebes. Das Krebsmedikament kann seine Wirkung besser entfalten.

„Das Besondere an dieser Studie ist, dass wir die Wirkung des Blutdrucksenkers auf die Metastasen nicht im Tierversuch, sondern an jeweils bei den OPs neu gewonnenem Patientengewebe nachgewiesen haben. Darauf können wir in folgenden Studien unmittelbar aufbauen“, so Schmidt.

 

Literatur

https://www.cell.com/cancer-cell/fulltext/S1535-6108(20)30255-5

 

Kontakt

Prof. Dr. Dr. Thomas Schmidt (MD, PhD)
Leiter der „Metastatic Microenvironment Research Group”
Stellvertretender Leiter der Sektion Chirurgische Onkologie
Stellvertretender Leiter der Sektion Oberer Gastrointestinaltrakt
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie
Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg
Tel.: 06221 / 56-6111
E-Mail: thomas.schmidt1@med.uni-heidelberg.de

Dr. Alba Diz-Muñoz, PhD
Gruppenleiterin in der Abteilung Zellbiologie und Biophysik
Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL)
Tel.: 06221 / 3878720
E-Mail: diz@embl.de