Heidelberg,
31
Mai
2022
|
15:10
Europe/Amsterdam

Individuelle Behandlung von seltenem Lungenkrebs

Neue Erkenntnisse zu molekularem Risikofaktor und Tumormikroumgebung

Zusammenfassung

Ein interdisziplinäres Team von Forschenden der Thoraxklinik-Heidelberg am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg hat untersucht, wie sich eine seltene Form von Lungenkrebs individuell besser behandeln lässt. Grundlage dafür sind die Identifikation eines molekularen Risikofaktors und die Entschlüsselung der Rolle der immunologischen Tumormikroumgebung / Pressemitteilung des NCT Heidelberg

Unter den nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen ist die EGFR Exon 20-Mutation mit ungefähr einem bis zwei Prozent aller Fälle sehr selten. EGFR steht für Epidermal Growth Factor Receptor (Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor); Exon 20 bezeichnet eine bestimmte Region des Gens, in der ein Genstück eingefügt ist. Die seltenen, von dieser Genveränderung getriebenen Tumoren sind gegenüber bisher zugelassenen Medikamenten resistent und bedeuten für Betroffene eine mittlere Überlebensprognose von ungefähr 18 Monaten. Dass Tumoren mit der Exon 20-Mutationen so selten sind, erschwert die Suche nach therapeutischen Fortschritten zusätzlich.

Häufig ist die Diagnose nur durch die Anwendung aller neuester Sequenzierungsmethoden möglich. Zwölf führende thoraxonkologische Zentren haben jetzt solche Methoden in einer deutschlandweiten Kooperation eingesetzt. Sie verfolgen das Ziel, maßgeschneiderte und effektivere Behandlungsoptionen für Patienten mit der seltenen Mutation zu identifizieren. Mit interdisziplinärer Expertise in Klinik, Molekularpathologie und Bioinformatik - vernetzt im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) - konnten 118 Patienten umfassend charakterisiert werden.

Die Ergebnisse der Untersuchung hat das Team kürzlich im European Journal of Cancer publiziert. Demnach haben die Forschenden mit genetischen und transkriptomischen Analysen, gekoppelt mit klinischem Wissen, wichtige Erkenntnisse gewonnen. Ihnen ist gelungen, gleichzeitige TP53-Mutationen als einen neuen molekularen Risikofaktor zu identifizieren und die Rolle der immunologischen Tumormikroumgebung für das Patientenüberleben aufzuschlüsseln. Petros Christopoulos, Wissenschaftlicher Koordinator in der Abteilung für Onkologie in der Thoraxklinik-Heidelberg am UKHD und am NCT Heidelberg hat die Studie geleitet und ist Erstautor der Publikation. Er kommentiert: "Die Wechselwirkung der genetischen Tumoreigenschaften mit dem Immunsystem steht im Fokus unserer Forschung, weil sie den Schlüssel zur Heilung darstellt."

Albrecht Stenzinger, Leiter des Zentrums für Molekularpathologie der Universität Heidelberg, wo die meisten Gewebeuntersuchungen durchgeführt wurden, erläutert: "Die umfassende und integrierte Analyse molekularer und klinischer Daten von Patienten mit Lungenkrebs schafft die Voraussetzung für ein verbessertes Verständnis der Tumorbiologie und für weitere therapeutische Fortschritte." Neben personalisierten Behandlungsstrategien können die tiefgreifenden Analysen ein erster Schritt sein, um Änderungen am Design künftiger klinischer Studien vorzunehmen. Zudem liefern sie eine Blaupause für verbesserte Modellsysteme in der Grundlagenforschung.

Michael Thomas, Leiter der Abteilung für Onkologie in der Thoraxklinik-Heidelberg am UKHD und am NCT Heidelberg ist Letztautor der Arbeit. Er fasst zusammen: "Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig die erfolgreiche interdisziplinäre, aber auch zentrumsübergreifende nationale Zusammenarbeit ist, um Angriffspunkte bei Tumorerkrankungen besser zu identifizieren. Das DZL spielt hierbei eine wichtige Rolle."

Literatur

Christopoulos P, Kluck K, Kirchner M, et al. The impact of TP53 co-mutations and immunologic microenvironment on outcome of lung cancer with EGFR exon 20 insertions [published online ahead of print, 2022 May 19]. Eur J Cancer. 2022;170:106-118. doi: 10.1016/j.ejca.2022.04.020.

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. Seit 2015 hat das NCT Heidelberg in Dresden einen Partnerstandort. In Heidelberg wurde 2017 das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) gegründet. Die Kinderonkologen am KiTZ arbeiten in gemeinsamen Strukturen mit dem NCT Heidelberg zusammen.
https://www.nct-heidelberg.de/

Thoraxklinik Heidelberg

Die Thoraxklinik-Heidelberg ist eine der ältesten und größten Lungenfachkliniken Europas mit einer über 100-jährigen Geschichte und 310 Planbetten. Als Haus der Maximalversorgung, hundertprozentiges Tochterunternehmen des Universitätsklinikums Heidelberg und Gründungsmitglied des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist sie seit 2009 durch die Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziertes Lungenkrebszentrum. Jährlich werden ungefähr 1.100 neu diagnostizierte Lungenkrebspatienten behandelt und 2.300 thoraxchirurgische Operationen durchgeführt. Alle modernen Diagnose- und Therapieverfahren werden vor Ort angeboten und kontinuierlich weiterentwickelt. Als NCT-Mitglied und DZL-Partner arbeitet die Thoraxklinik eng mit dem DKFZ zusammen und ist in die standortübergreifende klinische, translationale und grundlagenwissenschaftliche Forschung integriert. Die im Jahr 2015 gegründete Thoraxstiftung Heidelberg fördert gezielt Projekte in Wissenschaft, Forschung und Krankenversorgung und Prävention, insbesondere in Bezug auf Erkrankungen der Thoraxorgane.
www.thoraxklinik-heidelberg.de

Translational Lung Research Center Heidelberg, Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung

Heidelberg ist ein Standort des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL), einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Initiative zur Erforschung und Verbesserung der Situation bei wichtigen Volkskrankheiten. Ein wesentlicher Teil der vorliegenden Arbeiten ist in einer DZL-Kooperation durchgeführt worden. Der Heidelberger Verbund (TLRC-H; Translational Lung Research Center Heidelberg) umfasst neben dem Universitätsklinikum und der Thoraxklinik auch das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und das Europäische Molekularbiologische Labor (EMBL). Schwerpunkte des DZL, an denen die Thoraxklinik maßgeblich mitwirkt, sind Lungenkrebs (Koordination), COPD, Imaging und Biobanking (Koordination).

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