Heidelberg,
05
Oktober
2023
|
09:18
Europe/Amsterdam

Rettungskräfte trainieren mit Mixed Reality realitätsnahe Unfallszenarien

Zusammenfassung

Projekt MED1stMR testet KI-gestützte Mixed Reality als Trainingslösung für Einsatzkräfte / Ziel ist es, die Resilienz der Einsatzkräfte zu stärken und sie zielgerichtet auf komplexe Unfallsituationen vorzubereiten / Projekt im Rahmen des EU-Förderprogramms „Horizon 2020“ mit 7,8 Millionen Euro gefördert

Um ärztliche und rettungsdienstliche Einsatzkräfte auf komplexe Unfall- und Katastrophensituationen vorzubereiten und die Resilienz der Einsatzkräfte zu fördern, rief das Projektteam unter der Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) 2021 das Forschungs- und Innovationsprojekt „MED1stMR“ ins Leben. Das multidisziplinäre Team aus Wissenschaftlern, Rettungskräften, Programmierern und Technologiepartnern testet eine Kombination aus innovativer Mixed Reality (MR)-Technologie und Patientensimulationspuppen, die mit künstlicher Intelligenz (KI) und verschiedenen Messungen von Körperfunktionen der Einsatzkräfte ergänzt wird.

„Das Projekt hat erstmals Forschungseinrichtungen, medizinische Einsatzorganisationen und technische Unternehmenspartner auf europäischer Ebene für die Entwicklung eines international einsetzbaren MR-Trainingssystems zusammengebracht,“ beschreibt Projektleiter Helmut Schrom-Feiertag vom AIT, Center of Technology Experience. „Mit der Integration von Patientensimulationspuppen, der Echtzeiterfassung von Biosignalen zur Stressmessung sowie einem Szenario-Steuerungstool, wird eine bahnbrechende und realitätsnahe Trainingsmöglichkeit geschaffen“.

Im dritten Projektjahr werden die entwickelte Technologie und das dazugehörige Trainingsprogramm gemeinsam mit den Einsatzkräften im Rahmen von Feldstudien (sog. Field Trials) getestet. Auch das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) war im September 2023 Gastgeber einer der sechs Feldstudien. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Heidelberg und der Hochschule Furtwangen (HFU) testete und evaluiert das Projektteam das MED1stMR Einsatztraining.

Virtual Reality (VR) bietet bereits kontrollierte und einfach zu erstellende Umgebungen, in denen wiederholt unter gleichen Bedingungen trainiert werden kann. „Hier fehlen jedoch die sensorischen Komponenten, die für eine realistische Wahrnehmung und höhere Lerneffekte relevant sind,“ betont Dr. Stefan Mohr, Oberarzt und Lehrbeauftragter der Klinik für Anästhesiologie des UKHD. „Bei MED1stMR wird deshalb die Mixed Reality (MR)-Technologie in den Vordergrund gestellt – eine Anwendung, die physische und virtuelle Realitäten verbindet und eine natürliche und intuitive 3D-Interaktion zwischen Mensch, Computer und Umgebung ermöglicht“. Medizinische Simulationspuppen liegen real vor den Trainierenden, können angefasst und versorgt werden. Gleichzeitig sind diese mit Sensoren ausgestattet und in der virtuellen Umgebung als sogenannte Avatare mit simulierten Verletzungen und Verhaltensweisen abgebildet. Die Studienteilnehmenden sind mit Messgeräten zur Messung ihrer Belastung verbunden. Diese biosensorischen Messungen und weitere Daten führt eine Software zusammen und erlaubt, Rückschlüsse auf die Stresslevel der Trainierenden zu schließen sowie mit Hilfe von KI das Unfallszenario zu steuern. „Eine große Herausforderung des notfallmedizinisches Einsatztrainings besteht darin, in der Gestaltung der Szenarien die Individualität des Stresserlebens der Einsatzkräfte  zu berücksichtigen. Das MED1stMR-System bietet eine realitätsnahe Stressinduktion und gleichzeitig eine enge Abstimmung auf die Bedürfnisse der Trainees" ergänzt Professorin Dr. Marie Ottilie Frenkel, Leiterin Forschung der HFU. „Es ist somit ein multisensorisches Erlebnis, das die Lerneffektivität erhöhen und Informationen über die Stressbelastung während des Einsatzes liefern kann.“

Professor Dr. Markus Weigand, Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie am UKHD, fügt hinzu: „Übungen können durch diese Technologie realitätsnah und kosteneffizient durchgeführt werden, was nicht bedeutet, dass großangelegte Realübungen ersetzt werden. Da diese Unfallszenarien jedoch aus Kosten- und Ressourcengründen nicht häufig genug stattfinden können, ermöglicht die von MED1stMR entwickelte Technologie zusätzliche, realitätsnahe Übungseinheiten, um Notfallsanitäterinnen und -sanitäter sowie Notärztinnen und -ärzte auf Notfälle vorzubereiten und beispielsweise ihre Handlungssicherheit zu erhöhen sowie Bewältigungsstrategien zu verbessern“.

„Die medizinische Aus- und Weiterbildung kann durch Verwendung neuer XR-Technologien sinnvoll ergänzt werden. Die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie freut sich gemeinsam mit den Kollegen der Klinik für Anästhesiologie und allen Partnern dieses interdisziplinären europäischen MED1stMR-Konsortiums an der Erforschung dieser Zukunftstechnologie zu arbeiten. Als Kliniker ist uns dabei die Verwendbarkeit der wissenschaftlichen Ergebnisse für unsere praktische Realität besonders wichtig,“ betont Professor Dr. Christoph Michalski, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am UKHD.

Das multidisziplinäre Forschungs- und Entwicklungsprojekt verbindet Vertreterinnen und Vertreter aus Technik, IT, Entwicklung, Wissenschaft, Medizin und Hilfsorganisationen aus neun europäischen Ländern. Die Teilnahme unterstreicht den Bedarf im Bereich der Förderung von Einsatz- und Rettungskräften bei Unfällen und Großschadensereignissen.

Das Projekt wird im Rahmen des EU-Förderprogramms „Horizon 2020“ mit 7,8 Millionen Euro für 36 Monate gefördert.

Kontakt

Hanne Schäfer
Projektkoordinatorin MED1stMR
Klinik für Anästhesiologie am UKHD
Im Neuenheimer Feld 420
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 56-32913
Email: hanne.schaefer@med.uni-heidelberg.de