Kieferkammaufbau

Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Erklärung

Die Augmentation sind Methoden zur Wiederherstellung des Kieferkamms. Sie zielen darauf ab, ein unzulängliches knöchernes Angebot auszugleichen und die Möglichkeit zur Aufnahme von Implantaten zu schaffen. Dabei können die vertikale, horizontale und transversale Dimension des Knochens sowie die Beziehung der beiden Kiefer (sagittale Relation) verändert werden.
Räumlich begrenzte, kleine Defekte können mittels der gesteuerten Geweberegeneration wieder aufgebaut werden. Größere knöcherne Defizite lassen sich nur durch Transplantate, und andere spezielle Maßnahmen ausgleichen. Wichtig ist dabei der adäquate funktionelle Reiz nach erfolgtem Knochenaufbau, da sowohl unbeanspruchter als auch fehlbelasteter Knochen zur Atrophie neigt. Ein fehlender oder falscher funktioneller Reiz führt zur raschen Resorption des augmentierten Knochens.

Eine exakte prothetische Planung ist vor jeder augmentativen Maßnahme zwingend notwendig. Dazu gehört eine ausreichende präoperative Diagnostik einschließlich klinischer und röntgenologischer Untersuchungen sowie der Modellanalyse. Die vorbereitende röntgenologische Untersuchung umfasst im Wesentlichen die Panoramaschichtaufnahme. Zudem kann die Fernröntgenaufnahme als zweite Ebene dienen. Eine ergänzende Digitale Volumentomographie erlaubt zudem exakte Aussagen über wichtige anatomische Strukturen, wie die Lagebeziehung des Kieferkamms zum Kieferhöhlenboden oder zum Nervenkanal. Durch die 3-D-Visualisierung der DVT-Daten ist eine anschauliche Modellanalyse möglich. Der Nervenkanal kann in seinem Gesamtverlauf dargestellt werden. Es können Stereolithographiemodelle anhand der dreidimensionalen-Daten hergestellt werden. Im Rahmen der präoperativen Planung werden, Art und Umfang der knochenaufbauenden Maßnahme ausgewählt sowie der zeitliche Ablauf bestimmt. Je nach Ausmaß des Knochendefekts besteht die Möglichkeit der primären, d.h. simultanen Implantation oder aber der sekundären Implantation. Der Zeitpunkt der Implantation hängt im Wesentlichen von der Primärstabilität des Implantatlagers ab. Die simultane Implantation erspart den Zweiteingriff der sekundären Implantation. Auf der anderen Seite bietet die sekundäre Implantation die exaktere Positionierung der Implantate. Die sekundäre Insertion der Implantate sollte etwa 3-4 Monate nach dem Kieferaufbau erfolgen. Die Implantate werden sowohl bei der Simultan- als auch bei der Sekundärinsertion nach einer 3–monatigen Einheilungsphase freigelegt. Die Zeitspanne zwischen Knochenaufbau und einer kaufunktionellen Beanspruchung sollte in jedem Fall gering gehalten werden, um der Resorption des Transplantats entgegenzuwirken.

Augmentative Verfahren kommen diagnoseabhängig zum Einsatz

Die Auflagerungsplastik wird bei unzureichendem Knochenangebot im Ober- oder Unterkiefer angewandt. Dabei kommen Knochenblocktransplantate meist aus der Beckenschaufel oder – bei kleineren Defekten – aus der Kieferwinkelregion zum Einsatz. Es können sowohl freie, avaskuläre (nicht Gefäßgestielte) Transplantate als auch vaskulär (gestielte) Transplantate, beispielsweise das Fibulatransplantat, aufgelagert werden. Um eine breite Anlagerungsfläche zwischen Transplantat und ortsständigem Knochen zu erzielen, ist auf Passgenauigkeit des Transplantats zu achten. Zur Sicherung der Primärstabilität dienen Minischrauben. Während der ersten Phase der Einheilung benötigt das Transplantat ein Maximum an Ruhe. Die Auflagerungsosteoplastik kann sowohl zur Wiederherstellung der vertikalen als auch der horizontalen bzw. transversalen Kieferdimension angewandt werden.

Die Sandwichtechnik kommt sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer zur Anwendung. Ein periostgestielter Knochendeckel wird präpariert und so weit angehoben, bis die vertikale Kieferdimension wiederhergestellt ist. Das "horizontale Alveolarsandwich" wird durch ein zwischengelagertes Knocheninterponat gebildet, wozu zum Beispiel autologer Knochen vom Beckenkamm in Betracht kommt. Die Implantation kann sowohl simultan als auch sekundär erfolgen.

Das Bone Splitting dient zur Wiederherstellung der horizontalen Dimension des Kieferknochens. Durch einen vertikalen Sägeschnitt des Kieferkamms und Mobilisation des Außensegments wird Raum für ein Knocheninterponat geschaffen. Das "horizontale Alveolarsandwich" wird mit Minischrauben fixiert; das simultane Einbringen von Implantate ist möglich. Wichtig für den Erfolg dieser Maßnahme ist, dass das äußere Knochensegment an der Knochenhaut gestielt bleibt. Die Maßnahme ist sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer durchführbar.

Die Sinusbodenelevation stellt eine spezielle Maßnahme im Oberkieferseitenzahnbereich dar. Ein Knochendeckel der Kieferhöhlenwand wird mit der anhaftenden Kieferhöhlenschleimhaut nach oben in die Kieferhöhle geschwenkt. Gleichzeitig wird der Sinusboden angehoben. Der entstandene Raum wird mit Knochen oder Knochenersatzmaterial gefüllt. Bei der Präparation der Kieferhöhlenschleimhaut sollte eine Perforation vermieden werden. Ist genügend Knochenangebot vorhanden, um eine Primärstabilität zu gewährleisten, kann simultan die Insertion von Implantaten erfolgen.

Indikation für diesen Eingriff ist der extrem resorbierte Oberkiefer, der gleichzeitig ein Defizit der sagittalen Kieferrelation bedingt. Der verjüngende Effekt durch Wiederherstellung der ursprünglichen Höhe des Mittelgesichts und Ausgleich der Oberkieferrücklage bietet zusätzlich einen ästhetischen Aspekt. Der wesentliche Schritt bei dieser Methode besteht in der Entfernung der Kieferhöhlenschleimhaut. Das mobilisierte Oberkiefersegment kann sowohl nach unten als auch nach vorne verlagert werden. Der Sinusboden wird mit autologen Knochenmaterial, z.B. vom Beckenkamm aufgefüllt. Die Befestigung erfolgt mit Miniplatten. Die sekundäre Implantation, welche nach 4 Monaten erfolgen sollte, erleichtert die Positionierung der Implantate.

Bei der Kallusdistraktion wird die zu augmentierende Stelle kastenförmig gesägt und beide Segmente über einen so genannten Distraktor verbunden. Nach einer Ruhephase von 7  Tagen wird mit der Kallusdistraktion begonnen. Dabei werden die Segmente pro Tag um 1 mm distrahiert (von einander weg bewegt). In der vertikalen Dimension können dadurch bis zu 15 mm gewonnen werden. Die Retentionsphase beträgt 2 – 3 Monate; danach wird der Distraktor entfernt und gleichzeitig die Implantation durchgeführt.

Knochentransplantate werden gemäß ihrer Herkunft in autologe, allogene und xenogene Transplantate eingeteilt. Das autoloe Transplantat entstammt dem eigenen Körper, d.h. Spender und Empfänger sind ein und dasselbe Individuum. Das allogene Transplantat entstammt einem anderen Individuum der gleichen Spezies; und das xenogene Transplantat entstammt einer anderen Spezies. Alloplastische Materialien sind dem körpereigenem Gewebe ähnlich, sind aber synthetisch hergestellt. Vorteil der autologen Materialien sind die gute Verträglichkeit bei fehlender Abstoßungsreaktion. Sie gelten deshalb nach wie vor als "Goldstandard" in der Transplantationschirurgie. Die begrenzte Verfügbarkeit des Knochenmaterials und der zur Entnahme notwendige Zweiteingriff geben den Knochenersatzmaterialien ihren Stellenwert. Der Einbaumechanismus der Materialien in den ortsständigen Knochen sind unterschiedlich. Während der autologe Knochen osteoinduktiv wirkt (knochenbildend), kann Knochenersatzmaterialien egal welcher Art nur eine osteokonduktive Wirkung (sie dienen als Leitschiene für den einwachsenden Knochen) zugesprochen werden. Einige allopkastische Materialien können jedoch mit autologen Materialien kombiniert werden. Die Transplantation von allogenen und xenogenen Materialien unterliegt der Gefahr der Abstoßungsrektion. Die Aufbereitung dieser Materialien muss seitens des Herstellers sicherstellen, dass bakterielle oder virale Kontamination des Transplantats ausgeschlossen ist.

Tranplantate aus folgenden Entnahmestellen können zum Einsatz kommen:

  • Beckenkamm (Spongiosa, kotikospongiöser Span, mikrovaskuläres Transplantat)
  • Unterkiefer: Symphysenregion, Retromolarregion (Spongiosa, kortikospongiöser Span)
  • Schädelkalotte (Kortikospongiöser Span)
  • Tibiakopf (Spongiosa, kortikospongiöser Span)
  • Fibula (mikrovaskuläres Transplantat)
  • Rippe (kortikospongiöses Transplantat)

Der Problematik der Augmentation bei für eine Implantatversorgung unzureichendem Knochenangebot steht heute eine Vielzahl von Lösungen gegenüber. Dennoch stellen ungünstige Implantatlager, wie z.B. der extrem atrophische Unterkiefer, Zustände nach Radiatio oder nach abgelaufenen Entzündungen immer wieder neue Herausforderungen dar.

Es steht eine Vielzahl augmentativer Techniken derzeit zur Verfügung. Wichtig ist deshalb die genaue Analyse des Transplantatlagers bzw. der zu augmentierenden Region. Einer eingehenden Beratung im Einzelfall kommt eine hohe Bedeutung zu. Weiterhin ist eine genaue zeitliche Planung des operativen Vorgehens und der prothetischen Versorgung ausschlaggebend für den Erfolg der prothetischen Rehabilitation.

 

In der Implantatsprechstunde der Klinik und Poliklinik für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie.

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