Prächirurgische Epilepsiediagnostik

Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ)

Erklärung

Was ist Epilepsiediagnostik?

Die Einrichtung der Epilepsie-Unit dient zum einen der Abklärung bei Kindern und Jugendlichen mit therapieschwierigen fokalen Epilepsien hinsichtlich der Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs. Darüber hinaus geht es um die Klärung der aktuellen Anfallssituation und um die Zuordnung zu einem bestimmten Epilepsiesyndrom. In einzelnen Fällen kann das Langzeit-Video-EEG auch sinnvoll sein, um epileptische Anfälle von Episoden anderer Ursache abzugrenzen.

Austattung und Organisation

Für das Langzeit-Video-EEG-Monitoring stehen 3 Ableiteplätze (64-Kanal-EEG und digitale Video-Aufzeichnung) in 2 Patientenzimmern zur Verfügung. Neben der Video-EEG-Diagnostik werden auch die anderen Untersuchungsmethoden der prächirurgischen Diagnostik auf Station koordiniert bzw. durchgeführt (neuropsychologische und entwicklungspsychologische Diagnostik, MRT, PET...). 

Die prächirurgische Epilepsiediagnostik ist eingebunden in die neuropädiatrische Station. Tagsüber ist der Bereich in zwei Schichten durch hochspezialisierte Pflegekräfte und MTAs versorgt. Nachts erfolgt die Betreuung zusammen mit der neuropädiatrischen Station.

Ziele der prächirurgischen Epilepsiediagnostik

  • Feststellung des Bedarfes einer weitergehenden Diagnostik und Therapie:
    Sind die Möglichkeiten der konservativen Therapie hinreichend ausgeschöpft oder zu wenig Erfolg versprechend?
    Voraussetzung für eine operation ist also in der Regel, dass die übliche medikamentöse Therapie nicht greift.
  • Abschätzen der postoperativen Anfallssituation (Prognose?)
    Wird ein Patient von der OP profitieren?
    Voraussetzungen für einen möglichen OP-Erfolg sind:
    a) Es gelingt der Nachweis einer umschriebenen epileptogenen Region/Läsion, die für die Epilepsie verantwortlich ist (Diagnostik: MRT, EEG, klinischer Anfallsablauf im Video-EEG, MEG, PET, SPECT, MR-Spect, Neuropsychologie...). Ggf. invasive Diagnostik mit implantierten Elektroden.
    b) Die Region muß operativ angehbar sein, d.h. eine komplette Entfernung der epileptogenen Zone ist technisch möglich.
  • Abschätzung der Operationsrisiken
    Sind funktionell wichtige Areale einbezogen oder in unmittelbarer Nähe?
    Wäre bei einer OP mit funktionellen Defiziten zu rechnen?
    Diagnostik: Neurologischer und neuropsychologischer Status (besteht eine Vorschädigung?), f-MRT, MEG, evtl. WADA-Test
    Ggf. ist invasive Diagnostik mit implantierte Elektroden notwendig.

Methoden der prächirurgischen Epilepsiediagnostik

Der Patient, der potentiell von einer OP profitieren könnte, wird für eine längere Zeit (3 bis 8 Tage) stationär aufgenommen. Über einen Zeitraum von mehreren Tagen erfolgt eine EEG-Ableitung mit einer hohen Anzahl von Elektroden, die auf die Kopfhaut geklebt werden. Neben der EEG-Ableitung wird rund um die Uhr ein synchronisiertes Video aufgezeichnet. Vorrangiges Ziel ist es, epileptische Anfälle zu erfassen und aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes und der EEG-Veränderungen eine epileptogene Zone (Ursprungszone am Gehirn) einzugrenzen.

Unter der Fragestellung der Epilepsie erfolgen besondere, hoch-auflösende und aufwendige kernspintomographische Untersuchungen. Ziel ist es, auch kleinste strukturelle Veränderungen am Gehirn zu erfassen. Manchmal wird eine 3-dimensionale MRT-Untersuchung durchgeführt. In diese individuellen Daten können dann Ergebnisse funktioneller Diagnostik projiziert werden.

Ein Bestandteil der prächirurgischen Epilepsiediagnostik ist die neuropsychologische Untersuchung. Festgestellt werden hier vor allem:

  • der generelle kognitive Entwicklungsstand des Kindes im Vergleich zur Altersnorm und
  • Verschiedene Funktionsbereiche wie z.B.
    • expressive und rezeptive Sprache
    • visuelles und auditives Gedächtnis
    • aufmerksamkeitsleistung (Konzentration)
    • visuelle Wahrnehmung und visuell-motorische Koordination
    • exekutive Funktionen (Handlungsplanung), die unter Umständen im Zusammenhang mit Läsionen stehen können.

Dazu werden verschiedene standardisierte psychologische Testverfahren verwendet, aber auch spezielle Neuentwicklungen aus der Neuropsychologie. Bei Bedarf werden zur weiteren Abklärung Verfahren wie das f-MRT (funktionelles MRT) oder der WADA-Test eingesetzt.

Ein weiteres Ziel ist die Einschätzung der Risiken des geplanten operativen Eingriffs und die Beurteilung der Entwicklung nach der Operation sowie der rehabilitativen Maßnahmen. Die Untersuchungen werden 6, 12, und 24 Monate nach der Operation wiederholt. Langfristig soll durch diese Erkenntnisse eine Aussage über die Entwicklungsprognose nach einer OP möglich sein, was zukünftig eine verbesserte Beratung von Patienten und ihren Erziehungsberechtigten ermöglicht.

Ergänzende diagnostische Methoden

In vielen Fällen werden die Ergebnisse mit anderen Untersuchungen ergänzt.

Bei der funktionellen MRT werden verschiedene Hirnregionen mit spezifischen Funktionen lokalisiert (Sprachareale, motorische und sensorische Hirnregionen...). Hierbei macht man sich Veränderungen der Hirndurchblutung bei Aktivität zu Nutze.

Bei der Positronen-Emissions-Tomographie, einer nuklearmedizinischen Methode, wird meist der Zuckerstoffwechsel des Gehirns untersucht (FDG-PET). Ein epileptogenes Areal kann dabei sowohl im Anfall, als auch zwischen den Anfällen Besonderheiten zeigen.

Bei der SPECT (Single photon emission computed tomography) handelt es sich um eine nuklearmedizinische Untersuchung. Sie bildet die Durchblutung der Hirnregionen ab. In der Regel wird eine solche Untersuchung im Anfall durchgeführt. Hierbei steigt im Bereich des epileptogenen Gewebes die Durchblutung an.

Bei der Magnetoenzephalographie werden im abgeschirmten Raum die winzigen Magnetfelder gemessen, die durch die "Hirnströme" entstehen. Für diese Veränderungen erfolgt eine 3-dimensionale Lokalisation der entsprechenden elektrischen Quelle. 

Wenn mit den genannten Methoden keine ausreichend enge Eingrenzung der epileptogenen Zone gelingt, oder diese in der Nähe sehr wichtiger funktioneller Hirnareale liegt, ist es manchmal erforderlich, EEG-Elektroden direkt im Schädel (im oder auf dem Gehirn) zu plazieren und über mehrere Tage abzuleiten.

  • Tiefenelektroden: direkt in das Gehirn eingebrachte Elektroden zur Langzeitableitung
  • Subdurale Elektroden: auf das Gehirn gelegte Elektroden (Steifen- oder Gitterelektroden) zur Langzeitableitung
  • Elektrokortikographie: Ableitung auf dem Gehirn während der Operation.

Während eines epilepsiechirurgischen Eingriffes erfolgt häufig eine EEG-Ableitung am offenen Gehirn, um direkt die epilepsietypischen Veränderungen sichtbar zu machen und auch den Erfolg einer Geweberesektion zu erfassen, bzw. die Operation im notwendigen Fall weiter auszudehnen. Auch die Erfassung wichtiger Hirnstrukturen kann teilweise intraoperativ erfolgen.

  • Elektrokortikographie: Ableitung auf dem Gehirn während der Operation.

Im Rahmen der Epilepsiechirurgie kooperieren wir mit der Abteilung für Neurochirurgie am Neurozentrum der Universität Freiburg (Leiter: Prof. Dr. Zenter)/ Sektion für Prächirurgische Epilepsiediagnostik (Leiter PD Dr. Schulze-Bonhage) sowie dem Epilepsiezentrum Kehl-Kork(Erwachsenenklinik: Prof. Dr. Steinhoff, Kinderklinik: PD Dr. Bast). 

Alle zwei Wochen werden die Befunde unserer Patienten auf einer gemeinsamen Fallkonferenz präsentiert und diskutiert. Dabei wird eine gemeinsame Empfehlung für oder gegen eine Operation erarbeitet. Auch die Art des Eingriffs und die noch notwendigen diagnostischen Schritte werden festgelegt. 

In der Regel wird für die bei uns abgeklärten Patienten dann ein OP-Termin festgesetzt. Alle notwendigen Unterlagen werden nach Freiburg geschickt. Dort erfolgt die Aufnahme kurze Zeit vor der Operation. Eine weitere Diagnostik erfolgt meist nicht. 

Sollte eine invasive Diagnostik (mit implantierten Elektroden) notwendig sein, so wird diese ebenfalls in Freiburg durchgeführt. 

Drei Monate nach der Operation erfolgt eine erste Kontrolle in Freiburg mit einem zirka zweitägigen Aufenthalt. Hier wird ein postoperatives MRT durchgeführt. Im Rahmen der Nachsorge sind weitere Termine in Heidelberg vorgesehen (6, 12, 24 Monate nach der Operation), ebenfalls mit kurzen stationären Aufenthalten. Hierbei werden immer neuropsychologische Verlaufsuntersuchungen und EEG-Kontrollen durchgeführt.

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