Diagnostik spezifischer Krankheitsbilder
Aktinomykose
Indikation
Abszeßbildungen, mit oder ohne Fistelungen im orofazialen Bereich, Mediastinitis
Infektionsweg: Direkte Übertragung des in der normalen oropharyngealen Flora vorkommenden Erregers von Mensch zu Mensch. Durch Gewebsverletzungen, insbesondere bei schlechter Mundhygiene, kommt es zu lokalen Infektionen. Von der Mundhöhle ausgehend kann der Erreger geschluckt oder inhaliert werden.
Inkubationzeit: sehr unterschiedlich, wahrscheinlich Wochen bis Monate nach Gewebepenetration
Materialentnahme und Versand
Zum mikroskopischen Nachweis (Gramfärbung), nativen Fistel-Eiter oder Gewebebiopsien (letztere in max. 1ml 0.9 % steriler NaCl) einsenden. Möglichst Kontamination mit Standortflora vermeiden (z.B. durch extraorale Punktion, bronchoalveoläre Lavage). Aus dem gleichen Material wird die Anzucht des Erregers durchgeführt.
Dauer der Bearbeitung:
Mikroskopie: unmittelbar nach Materialeingang.
Kultur: 10-14 Tage
Hinweise zur Bewertung
Charakteristisch ist das Auftreten von Drusen, körnigen Strukturen, die massenhaft Bakterien enthalten. Ein typisches Direktpräparat gilt als sicherer Hinweis auf eine Aktinomykose. Der kulturelle Nachweis ist beweisend. Der kulturelle Nachweis aus respiratorischen Sekreten ist wenig bis nicht aussagekräftig, da Aktinomyceten zur Normalflora des Mund-Rachenraums zählen. Bei V.a. auf pulmonale oder cerebrale Aktinomykose ist immer die Gewinnung von Abszeßmaterial anzustreben. Bronchioskopisch gewonnenes Material ist wegen der wahrscheinlichen Kontamination durch Oropharyngealsekret nur bedingt verwertbar.
Botulismus
Erreger: Clostridium botulinum
Indikation
- V.a. Nahrungsmittelintoxikation
Ingestion von Botulismustoxinen, die unter anaeroben Bedingungen bei Temperaturen zwischen 3 und 50°C gebildet werden können. In erster Linie sind nicht adäquat zubereitete Konserven betroffen.
- Säuglingsbotulismus
Der "infantile" Botulismus wird verursacht durch eine Besiedelung des Magen-Darmtraktes von Säuglingen mit der Vegetativform von C. botulinum. Die Toxinbildung erfolgt hierbei in vivo.
Inkubationszeit: 1236 Stunden, teilweise jedoch auch mehrere Tage, abhängig von der resorbierten Toxinmenge. Je früher die Symptomatik beginnt, desto ausgeprägter ist die Intoxikation und die Letalität. Die Inkubationsdauer bei infantilem Botulismus ist schwer bestimmbar, da der Zeitpunkt der Aufnahme der Clostridiensporen meist unbekannt ist.
Materialentnahme und Versand
Nachweis des Toxins in Serum, Stuhl, Mageninhalt oder Nahrungsmittelproben.
Dauer der Bearbeitung
Mindestens 48 h bis zur ersten Bewertung des Tierversuchs (Maus).
Hinweise zur Bewertung
Die Anforderung auf Botulinus-Toxin ist eine der wenigen Indikationen, bei denen ein Tierversuch angesetzt wird. Es sollte daher unbedingt vor Einsendung des Materials Rücksprache mit dem diensthabenden Mikrobiologen gehalten werden.
Die Erregeranzucht ist meist schwierig, das mikroskopische Präparat (Gramfärbung) hat nur geringen diagnostischen Wert.
Meldepflicht
Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod.
Diphtherie
Indikation
Der geringste klinische Verdacht auf eine Diphtherie sollte Anlaß für eine kulturelle Verifizierung sein (pseudomembranöse Beläge, Croup, Halsödem, akutes Rechtsherzversagen, Kontaktpersonen eines Diphtherieträgers oder -erkrankten). Auch geimpfte Personen können Keimträger und damit ansteckend sein!
Materialentnahme und Versand
Rachenabstrich: Bei pseudomembranösen Belägen unbedingt unterhalb der Pseudomembran entnehmen! Im übrigen je nach Lokalisation geeignete Abstriche einsenden (Wund-, Nabelabstrich etc.). Übliche Transportmedien verwenden. Ein Direktpräparat ist zur Diagnostik ungeeignet!
Dauer der Bearbeitung des Untersuchungsauftrags
2-3 Tage bis zur Keimdifferenzierung, weitere 2 Tage bis zur endgültigen Diagnose einschl. Toxinnachweis
Hinweise zur Bewertung
- Nur lysogen durch Bacteriophagen infizierte Stämme von C. diphtheriae können das Diphtherie-Toxin produzieren.Toxinnachweis durch ELEK-Test.
- Auch aktiv immunisierte Personen können Keimträger und damit Überträger einer Diphtherie sein (einschl. des behandelnden Arztes)!
- Bei Verdacht auf eine Diphtherie darf das mikrobiologische Ergebnis nicht abgewartet werden: Es ist sofort die Gabe von Diphtherieantitoxin (=passive Immunisierung) einzuleiten!
Meldepflicht
Erkrankung und Tod
Endokarditis
Indikation
Der Nachweis des Erregers ist eine zentrale Forderung in der Endokarditisdiagnostik. Die Auswahl der notwendigen maximal bakteriziden Therapie kann nur auf der Basis eines kulturellen Erregernachweises erfolgen.
Materialentnahme und Versand
Bei V.a. Endokarditis sind aerobe und anaerobe Blutkulturen zu entnehmen: zwei Flaschenpaare binnen einer Stunde, ein drittes Paar im Verlauf der folgenden 12 Stunden. In jedem Fall ist die Entnahme vor Beginn einer Antibiotikatherapie zu fordern: in diesem Fall gelingt der Erregernachweis in bis zu 90% der Fälle. Bereits die Applikation der ersten Antibiotikadosis reduziert die Nachweiswahrscheinlichkeit auf 30-40%, nach längerer Therapie sinken die Chancen auf 0%.
Zur Entnahme s. Materialien Blutkultur
Der V.a. Endokarditis muß auf dem Einsendeschein verzeichnet sein, da die Blutkulturen abweichend vom Standardprocedere drei Wochen inkubiert werden.
Dauer der Bearbeitung des Untersuchungsauftrages
Umgehende telefonische Benachrichtigung des Einsenders bei Keimnachweisen. Zur Auswahl einer optimalen Therapie wird von nachgewiesenen Erregern eine MHK-Bestimmung angefertigt (s. Antibiotika-Testung).
Hinweise zur Bewertung
Wie bei jeder Blutkulturentnahme gibt es ein Kontaminationsrisiko mit Keimen der Hautflora. Die Entnahme vor Antibiotikatherapie unter sterilen Kautelen ist die sicherste Möglichkeit, irreführende Befunde zu vermeiden. Als sicherer Hinweis auf einen Endokarditiserreger kann der Nachweis aus mehreren Blutkulturflaschen gelten.
Im Falle mehrfach negativer Blutkulturen ist auch an nicht kultivierbare Erreger, z.B. Coxiella burnettii zu denken.
Gasbrand
Indikation
Verdachtsdiagnose aufgrund des klinischen Bildes bei entsprechender Anamnese. Erreger: Clostridium spp., insbesondere C. perfringens, C. novyi, C. septicum, C. histolyticum
Infektionsweg: Kontamination von tiefen, offenen Wunden (v.a. Schußwunden, postoperativ-abdominalen Wunden, an der unteren Extremität im Zusammenhang mit Durchblutungsstörungen) mit den ubiquitär im Erdreich (Sporen) und der normalen Darmflora vorkommenden Erregern.
Bei der nichtclostridialen Myonekrose kommen aber auch eine Reihe anderer Erreger in Betracht (u. a. anaerobe Streptokokken, Enterokokken, hämolysierende Streptokokken).
Inkubationszeit: 3 5 Tage, selten nur wenige Stunden
Materialentnahme und Versand
Versuch des Erregernachweises aus dem Wundgewebe / -punktat. Weniger gut geeignet sind Wundabstriche. Da Clostridien extrem sauerstoffempfindlich sind, sollten mikrobiologische Materialien so schnell wie möglich ins Labor transportiert werden (nativ zur Mikroskopie und im Transwab). Bei absehbarer Transportverzögerung, Transport in speziellen Medien (z.B. Port-a-Cul â) oder Einspritzen von Gewebe / Punktat in eine anaerobe Blutkulturflasche
Dauer der Bearbeitung
Mikroskopie nach Materialeingang
Vorläufige Identifikation nach 2 Tagen
Hinweise zur Bewertung
Der Verdacht kann oft schon durch die mikroskopische Untersuchung im Grampräparat bestätigt werden.
Cave: ubiquitäres Vorkommen des Erregers, d.h. ein alleiniger Nachweis ohne entsprechende Klinik hat keine Bedeutung.
Meldepflicht
Eine Meldepflicht besteht bei Erkrankung und Tod.
Gonorrhoe
Indikation
Eitrige Urethritis, Cervicitis, Adnexitis, Proktitis, Konjunktivitis, Gonarthritis
Materialentnahme und Versand
Geeignete Materialien: Abstriche von Urethra, Cervix, ggfs. Anus, Rektum, Konjunktiven, Gelenkpunktate
Eine Schnelldiagnostik mittels Mikroskopie ist möglich.
Hierzu sollten entweder bei der Materialentnahme Objektträger mit Eiter beschickt oder natives Material im sterilen Röhrchen (ohne Nährmedium) eingesandt werden. Gonokokken sind sehr empfindliche Erreger, daher ist bei längerer Transportzeit (>2h) zumindest ein Aliquot des Materials in einem speziellen, aktivkohlehaltigen Transportmedium einzusenden.
Dauer der Bearbeitung
Direktmikroskopie sofort, Kultur mind. zwei Tage
Hinweise zur Bewertung
Gonokokken sind obligat pathogene Keime, ihr Nachweis ist immer signifikant.
S. auch Gonorrhoe-Serologie
Meldepflicht
Anonyme Meldung an das Gesundheitsamt, nur bei Therapieverweigerung namentliche Meldung.
Nokardiose
Indikation:
Die ubiquitär im Erdboden vorkommenden Nocardia spp. können verursachen
- Pneumonien (bei immunsupprimierten Patienten, vor allem nach Lungentransplantation!)
- Wundinfektionen, nach systemischer Streuung: (Hirn-) Abszesse, Empyeme, Endokarditis
Materialentnahme und Versand:
Geeignete Materialien: BAL, Bronchialsekret, Abszeßpunktate, Fistelsekret, Biopsiematerial. Entnahme und Versand s. Untersuchungsmaterialien.
Bei V.a. Hirnabszeß ist Liquor kein geeignetes Untersuchungsmaterial.
Hinweise zur Bewertung:
Die Kultur der langsam wachsenden Erreger erfolgt auf Spezialnährmedien und dauert bis zu 10 Tagen.
Treponema pallidum
Indikation
Treponema pallidum wurde als Erreger der Syphilis (Lues) identifiziert. Da der Erreger nicht anzüchtbar ist, haben serologische Methoden in der Diagnose einen hohen Stellenwert. Die Bewertung positiver Befunde beruht auf der Beurteilung verschiedener Parameter.
Folgende serologische Stufendiagnostik wird durchgeführt:
- Stufe 1: ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay), allgemeiner Antikörpersuchtest
- Stufe 2: Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest (FTA-abs)
- Stufe 3: Kardiolipin-KBR (Komplement-Bidungs-Reaktion)
Neurosyphilis
Zur Bewertung der Befunde bei Verdacht auf Neurosyphilis wird ein Plasma/Liquor-Quotient durch das serologische Labor berechnet. Zur Beurteilung der Liquorschranke ist es deswegen wichtig, daß parallel eine Albuminbestimmung vorgenommen wird.
Weitere Untersuchungen, insbesondere die mikroskopische Untersuchungen von Flüssigkeit aus Primärläsionen s. spezifische Krankheitsbilder.
Materialentnahme und Versand
Serum; bei V.a. Neurosyphilis parallele Untersuchung von Serum und Liquor. Im letztgenannten Fall gleichzeitige Einsendung zur klinischen Chemie bzw. Liquorlabor zur Bestimmung des Gesamtalbumins.
Testverfahren:
ELISA, allgemeiner Antikörpersuchtest
FTA-abs: semiquantitative indirekte Immunfluoreszenz mit Treponema pallidum als Antigen nach vorheriger Absorption unspezifischer Treponemen-Antikörper
Kardiolipin-KBR: Nachweis von antilipoidalen Antikörpern mittels Komplementbindungsreaktion.
Dauer der Bearbeitung des Untersuchungsauftrags
ELISA: wird viermal pro Woche durchgeführt
FTA-abs: wird ein- bis zweimal pro Woche durchgeführt
KBR: wird ein- bis zweimal pro Woche durchgeführt
Hinweise zur Bewertung
ELISA: Als allgemeiner Antikörpersuchtest wird der Grenzwert chargenabhängig berechnet.
FTA-abs: Als Bestätigungstest bei positivem TPPA bei etwa gleicher Sensitivität (97-99%). Klassifikation je nach Stärke der Fluoreszenz in reaktiv, schwach reaktiv, zweifelhaft reaktiv und nicht reaktiv.
KBR: Als Verlaufskontrolle geeignet, wird bei suffizient behandelter Infektion negativ. Eine positive Reaktion (Titer ³ 8) ist bei positivem Ausfall von TPPA und FTA hinweisend auf eine floride Infektion.
Hohe Rate unspezifisch positiver Reaktionen bei allen Erkrankungen, bei denen aus betroffenen Zellen lipoidhaltige Mitochondrien (insbesondere aus lymphatischen Zellen) freigesetzt werden: Infektiöse Mononukleose, Tuberkulose, Lepra, Malaria, Kollagenosen, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Lebererkrankungen, Karzinome, Gravidität.
Meldepflicht
Anonyme Meldung bei Erkrankung und Tod (direkter und indirekter Nachweis) an das Gesundheitsamt, nur bei Therapieverweigerung namentliche Meldung.