Kliniken &… Kliniken Zentrum für Kinder- und… Seit 1860: Pädiatrie in… Bedeutende…

Bedeutende Persönlichkeiten

Theodor von Dusch war der Begründer der Heidelberger Kinderklinik. Er wurde 1824 in Karlsruhe geboren, absolvierte sein Medizinstudium in Heidelberg und habilitierte sich 1854 für Innere Medizin. Während einer zweijährigen Tätigkeit bei dem Chirurgen Chelius erwarb er umfassende Kenntnisse, die ihn später zu einer umfangreichen chirurgischen Tätigkeit in der Kinderheilkunde befähigten. So hat er als erster in Heidelberg die Tracheotomie bei Diphtherie-Krupp durchgeführt.  Er wurde 1856 zum a. o. Professor ernannt und mit der Leitung der Medizinischen Poliklinik betraut.

Sein Interesse für die Kinderheilkunde geht auf zwei Wurzeln zurück: Schon als Student hatte er die Vorlesung „Über einige wichtige Krankheiten der Kinder“ von Wilhelm Posselt gehört, und während seiner Zeit als Armenarzt in Mannheim zwischen 1848 und 1854 erkannte er die Notlage des „armen kranken Kindes“. Theodor von Dusch leitete daraus seine Motivation ab, „kranke Kinder aus den ärmeren Volksklassen, welche zu Hause der notwendigsten Pflege entbehren, in einer Weise unterzubringen, dass die angewendete ärztliche Hülfe nicht eine vergebliche sei.“

Er erbat Unterstützung für die Gründung einer Kinderklinik von „Wohltätern, Gönnern und Menschenfreunden“ und veranstaltete Bazare. Sein Appell an die öffentliche Wohltätigkeit führte zu Spenden aus allen Kreisen der Heidelberger Bürgerschaft und der Universität. „Nachdem so für den materiellen und formellen Bestand der Anstalt gesorgt war, konnte dieselbe am 1. Juli 1860 eröffnet werden, und wurden am 3. Juli die ersten zwei Kinder in dieselbe aufgenommen.“ Auf dem Gebiet der Kinderheilkunde veröffentlichte er Arbeiten über fibrinöse und croupöse Pneumonien, Scharlach, Rachitis und Impfprobleme.

Emil Feer wurde 1864 in Aarau/Schweiz geboren. Er erhielt seine Ausbildung in Basel, wo er sich 1894 habilitierte und als Privatdozent am dortigen Kinderspital tätig war. Gleichzeitig übte er eine ausgedehnte hausärztliche Praxis aus. 1907 erhielt er von der Heidelberger Fakultät den Ruf als außerordentlicher Professor „einen Lehrauftrag für Kinderheilkunde mit der Verpflichtung zu übernehmen, in jedem Semester kleinere Vorlesungen aus dem Gebiet der Kinderheilkunde abzuhalten und die Direktion der Luisenheilanstalt in Heidelberg zu führen.“

Knapp vier Jahre blieb Emil Feer in Heidelberg. Er folgte 1911 einem Ruf  als ordentlicher Professor an das Universitäts-Kinderspital Zürich, welches er bis zu seiner Emeritierung 1929 zu hohem internationalem Ansehen führte. Während seiner Heidelberger Jahre hat sich Emil Feer mit großem Nachdruck für die Probleme der Pädiatrie und die Förderung der Kinderheilkunde durch den Staat eingesetzt. 1909 forderte er auf der 26. Tagung der Gesellschaft für Kinderheilkunde in seinem Vortrag „Die Kinderheilkunde im Universitätsunterricht“ für jede Universität eine Kinderklinik mit Kinderambulanz und Säuglingsabteilung, hauptamtlich geleitet durch einen etatmäßigen Professor der Pädiatrie. In seiner Ära vollzog sich die endgültige Trennung des jungen Fachs Kinderheilkunde von der Medizinischen Poliklinik in Heidelberg.

Hier entstand auch sein international anerkanntes „Lehrbuch für Kinderheilkunde“, welches 1911 im Gustav-Fischer-Verlag erschien und schwerpunktmäßig die Klinik der Kinderkrankheiten darstellt. Es erlebte 27 Auflagen und erschien letztmalig 1993. In seine kurze Heidelberger Zeit fallen Veröffentlichungen über Ernährungsstörungen, über Ernährungstherapie bei Säuglingen und über die cutane Tuberkulinprobe beim Kind.

Ernst Moro wurde 1874 in Ljubljana/Slowenien geboren. Er erhielt seine Ausbildung in Graz bei Theodor Escherich. Durch Erstbeschreibung des Lactobacillus acidophilus erwarb er sich 1900 großes Ansehen. Bei Meinhard von Pfaundler habilitierte er sich 1906 und folgte ihm nach München. Hier führten seine immunologischen Forschungen 1908 zu einem perkutanen Diagnosetest der Tuberkulose im Kindesalter. Die „Moro-Probe“ wurde international bis in die 1960-er Jahre verwandt.

1911 erhielt er den Ruf, als außerordentlicher Professor, die Luisenheilanstalt zu leiten. Er führte zahlreiche organisatorische und bauliche Erweiterungen wie Isolier– und Beobachtungsstation und Dachterrasse zur Lufttherapie ein. Neben vielen experimentell geprüften Ernährungsempfehlungen wie der Karottensuppe, der Apfeldiät, dem „Moro-Brei“ etc., war er ein Meister der klinischen Beobachtung, welche 1918 in der Beschreibung des ersten Trimenons und des „Moro-Reflexes“ mündeten. Die Abgrenzung der umbilikalen Bauchkolik beim Schulkind aus psychosomatischer Ursache geht auf ihn zurück.

1919 wurde er der erste Ordinarius für Kinderheilkunde der Universitätsklinik Heidelberg. Die Luisenheilanstalt wurde 1923 staatliche Institution. Sie wurde mit fast 200 Betten die größte Universitätskinderklinik Deutschlands. Als Forscher und Lehrer machte Moro die Klinik zu einem Zentrum internationaler Begegnung. Mit seinen Schülern Franz Lust, Ernst Freudenberg, Ludwig Tobler, Alfred Adam, Helmut Seckel, Paul György und Walter Keller prägte er eine wissenschaftlich sehr fruchtbare Periode. Verheiratet mit einer Frau jüdischer Herkunft, ließ Moro sich vorzeitig 1936 –  offiziell aus Krankheitsgründen –  emeritieren. Er führte eine hausärztliche Praxis bis 1948.

Paul György steht in jener Reihe hervorragender Wissenschaftler, die unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtergreifung die Heidelberger Universität verließen.

Er wurde 1893 in Großwardein/Siebenbürgen geboren, studierte Medizin in Berlin, München, Genf und Budapest, wo er 1915 promovierte. 1920 wurde er Assistent und 1926 Oberarzt an der  Universitäts-Kinderklinik in Heidelberg unter Ernst Moro. Hier habilitierte er sich 1923 und wurde 1927 zum a. o. Professor ernannt. Im April 1933 schrieb er an den engeren Senat: „Infolge der veränderten politischen Verhältnisse ist mir jede Möglichkeit eines ferneren wissenschaftlichen Fortkommens in Deutschland genommen. Ich erkläre hiermit meinen Austritt aus dem Verband der Universität.“

Nach einem kurzen Aufenthalt in Cambridge wurde er 1935 Assistant Professor of Pediatrics an der Western Reserve University in Cleveland/Ohio. 1944 ging er nach Philadelphia, wo er zunächst als Associate Research Professor of Pediatrics tätig war und  von 1957 bis 1973 die Leitung der Pädiatrie am Philadelphia General Hospital innehatte.

Bereits in seine Heidelberger Zeit fielen exzellente wissenschaftliche Veröffentlichungen wie die Monographie „Die Behandlung und Verhütung der Rachitis und Tetanie…“. Zusammen mit dem Nobelpreisträger Richard Kuhn gelang es ihm, die Struktur und Wirkungsweise von Riboflavin aufzuklären. Diese Arbeiten setze er in den USA fort, wo er zusammen mit anderen die Vitamine B6, H  und E beschrieb. Seine Forschungen über die Vitamine mündeten folgerichtig in Untersuchungen über die kindliche Ernährung und die Zusammensetzung künstlicher Säuglingsmilch. Auf diesem Gebiet hat er wesentliche Erkenntnisse erarbeitet.

Paul György erhielt zahlreiche Auszeichnungen, so z. B. den Borden Award of Nutrition of the American Academy of Pediatrics (1954) oder die National Medal of Science durch Präsident Gerald Ford (1975). Die Heidelberger Universität verlieh ihm 1958 die Ehrendoktorwürde.

Philipp Bamberger wurde im Dezember 1945 zum Direktor der Heidelberger Kinderklinik ernannt. Ihm traute die medizinische Fakultät zu, den Ruf der Heidelberger Pädiatrie nach der NS-Zeit wieder herzustellen. Als Leiter der Kinderklinik von Königsberg hatte Bamberger bereits vor Kriegsende Ansehen erworben: 1944 organisierte er erfolgreich den Protest von Kinderärzten gegen ein Todesurteil, das über seinen Lehrer, den Hamburger Pädiater Rudolf Degkwitz (1889-1973), wegen regimekritischer Äußerungen verhängt worden war. 1945 hielt Bamberger den Betrieb seiner Kinderklinik auch über die Evakuierung Königsbergs hinaus aufrecht, womit er sich auch bei der sowjetischen Militärverwaltung Respekt erwarb. Als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde bezog er mit seinen Stellungnahmen zu den Medizinverbrechen im Nationalsozialismus klare Positionen in einer Debatte, die das Klima der Medizin in den 1960er Jahren bestimmten sollte.

Bamberger hatte Chemie und Medizin studiert. Er leitete bereits das Labor der Münchener Universitätsklinik, bevor er sein Medizinstudium abschloss und sich – inspiriert durch Meinhard von Pfaundler (1872-1947) – der Kinderheilkunde zuwandte. Bamberger gehörte damit derselben traditionsreichen Schule an, wie Ernst Moro. Bambergers wissenschaftliches Renommee gründete sich auf Arbeiten zur Säuglingsernährung. Seine Grundlagenforschung trug dazu bei, das Fach Kinderheilkunde um die Erkenntnisse der modernen Biochemie zu erweitern. Forschungsschwerpunkt in Heidelberg waren die Krampfleiden des Kindesalters.

Erschüttert wurde die Kinderklinik im April 1946, vier Monate nach Amtsantritt ihres neuen Leiters, durch einen Transfusionszwischenfall, bei dem mehrere Kinder mit Syphilis infiziert wurden. Die Aufarbeitung der Ursachen dauerte bin Anfang der 1950er Jahre. Insbesondere bei Schwesternschaft, Eltern und Patienten genoss Bamberger hohes Ansehen. Das 100-jährige Bestehen der Kinderklinik beging er 1960 im Kreis der ehemals aus Deutschland vertriebenen Mitarbeiter Ernst Moros.

Wolfgang U. Eckart, Philipp Osten,
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin

Horst Bickel, geboren 1918 in Hamburg, übernahm 1967 die Leitung der Heidelberger Kinderklinik. Er studierte in Berlin, Freiburg, Greifswald, Lausanne, Innsbruck und Wien, wo er 1942 promovierte. Seine kinderärztliche Ausbildung begann er an der Univ.-Kinderklinik in Hamburg, setzte diese von 1947 bis 1949 in Zürich bei Professor Guido Fanconi fort, war bis 1954 in Birmingham bei Professor Sir Leonard Parson als Assistent tätig, wo er den Titel eines PhD erwarb und danach als Oberarzt in die Univ.-Kinderklinik Marburg eintrat. 1955 habilitierte er sich über „Aminoazidurien im Kindesalter“. Studienaufenthalte führten ihn an die Universitäten von Yale, New Haven und Tulane, New Orleans, USA.

Der Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit lag auf dem Gebiet der erblichen Krankheiten des Aminosäuren- und Zuckerstoffwechsels, insbesondere in der Erfassung und Behandlung metabolisch-genetischer Schwachsinnsformen. Für die Phenylketonurie entwickelte er 1952 eine phenylalaninarme Diät als Behandlungsprinzip, deren krankheitsverhütende Wirkung inzwischen weltweit bei tausenden von Patienten erfolgreich eingesetzt wurde und wird und begründete damit die diätetische Therapie von Stoffwechselerkrankungen. Folgerichtig hat Horst Bickel dann das Neugeborenenscreening zuerst 1964 in Hessen, dann 1967 in Baden-Württemberg und ab 1970 bundesweit eingeführt, und war u.a. Berater für die Gremien der Europäischen Gemeinschaft in Straßburg bei der Verbreitung dieses entscheidenden Instrumentariums der päventiven Medizin in der ganzen Welt.

Erfolgreich setzte Horst Bickel das von seinem Vorgänger Philipp Bamberger gesteckte Ziel fort, die Heidelberger Kinderklinik nach dem 2. Weltkrieg wieder in den Kreis der internationalen Pädiatrie zu führen. Geprägt durch eine angelsächsisch-pragmatische Verhaltensweise und eine liberale Gesinnung schuf er die Voraussetzungen für die Spezialisierung der Kinderheilkunde und baute die Klinik zu einem Department-System moderner Prägung um mit den Abteilungen Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie, Neuropädiatrie, Pädiatrische Endokrinologie, Kardiologie und Radiologie. Seine internationalen Kontakte sind nicht nur der Klinik, sondern der deutschen Pädiatrie in hohem Maße zugute gekommen.

Lutz Wille, Zentrum für Kinderheilkunde
Angela Weirich, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin
Kai Rudolph, Medienzentrum

Herkunft des Bildmaterials: Archiv der Pflegedienstleitung des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin, Heidelberg, Familienarchiv Moro, Universitätsarchiv und Stadtarchiv