Seite 17 - Gesch

Basic HTML-Version

17
Ganz Deutschland beschäftigte 2011 eine Frage: Woher kommen die lebensge-
fährlichen E. Coli, die bei hunderten Patienten Nierenversagen und Schlaganfäl-
le hervorriefen? Und was kann man dagegen tun? Die Sprossen als Überträger
waren noch nicht identifiziert, da machte eine Nachricht aus Heidelberg die
Runde: Dem Kinderarzt Professor Franz Schaefer war zusammen mit Kollegen
aus Paris und Montreal ein Therapieversuch mit einem Antikörper bei drei Klein-
kindern geglückt, die an einem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) litten.
Franz Schaefer ist Oberarzt im Heidelberger Zentrum für Kinder- und Jugend-
medizin. Dort leitet er die Sektion Kindernephrologie und das Kinderdialyse-
zentrum und hat häufig mit EHEC-Erkrankungen zu tun. Denn bei Kindern sind
diese nicht selten – imGegensatz zu Erwachsenen. Die kranken Kinder müssen
meist an die Dialyse, erholen sich aber wieder von der Infektion.
Die drei Kinder, deren Therapie im „New England Journal of Medicine“ beschrie-
ben wurde, hatten eine sehr schlechte Prognose, so dass der erste Einsatz des
nur in den USA für die Behandlung einer seltenen Bluterkrankung zugelas-
senen Antikörpers Eculizumab gerechtfertigt war. Der Wirkstoff schaltet sich
in die Entzündungskaskade ein und verhindert dadurch Organschäden. Franz
Schaefer erinnert sich gut an den Fall des dreijährigen Mädchens, das drama-
tisch erkrankt war und sich dann binnen 24 Stunden nach Gabe des Medika-
ments erholte. „Uns hat die rasche Genesung sehr beeindruckt“, so Schaefer.
Geglückter Therapieversuch wurde im „New England
Journal“ veröffentlicht
Angesichts der EHEC-Epidemie in Deutschland entschloss sich das Journal
zur raschen Publikation des Fallberichts. Denn was den drei Kindern gehol-
fen hatte, könnte möglicherweise auch Erwachsenen helfen. Da es kaum
Alternativen bei HUS gibt, setzten die Nephrologen in Hannover und Ham-
burg, wo die Mehrzahl der Patienten behandelt wurden, auf den Antikörper.
„Die Hoffnung, die sich jetzt regt, ist vor allem Franz Schaefer zu verdanken“,
schrieb der SPIEGEL. Und die Hoffnung war wohl nicht unberechtigt: Die mei-
sten behandelten Patienten wurden gesund, kein Patient verstarb unter der
Therapie. Ein Wermutstropfen bleibt allerdings für den klinischen Forscher:
„Leider lässt sich die Wirksamkeit noch nicht objektivieren, da verständ-
licherweise keinem der schwerstkranken Patienten die Behandlung vorent-
halten wurde.“ Professor Schaefer hofft daher auf zukünftige randomisierte
Studien mit dem Antikörper beim EHEC-verursachten HUS.
Hintergrund
Vor dem Sommer 2011 kannte
niemand ihren Namen; heute ist die
EHEC-Epidemie Allgemeingut, denn
die Medien nahmen intensiv Anteil an
der mysteriösen Erkrankungswelle in
Norddeutschland. Die amtlichen Zah-
len dokumentieren das Ausmaß der
Epidemie: Bei 4.321 Menschen wurde
eine Infektion mit dem gefährlichen
Escherichia coli-Keim registriert, 723
erkrankten schwer und 50 starben an
der Infektion. Die Epidemie begann
im Mai 2011; Anfang Juni wurden
endlich Sprossen als Infektionsquelle
identifiziert, vor ihrem Verzehr wurde
gewarnt.
Die hohe Zahl der Patienten stellte
die norddeutschen Kliniken vor eine
große Herausforderung, die sie bra-
vourös meisterten. Auch in Heidelberg
wurden einige aus dem Norden zuge-
reiste EHEC-Patienten behandelt –
und die Heidelberger Pflege sprang
am Uniklinikum Hamburg ein (siehe
Seiten 18 und 19).
Professor Franz Schaefer,
25 Jahre im Dienste des
Klinikums
Auch aus einem anderen Grund
war 2011 für Professor Schaefer ein
besonders Jahr, feierte er doch sein
25-jähriges Dienstjubiläum am
Klinikum. „In Heidelberg fasziniert
mich vor allem die Verbindung von
hochspezialisierter Krankenver-
sorgung und innovativer klinischer
Forschung, die interdisziplinäre
Teamarbeit in Kinderklinik und Ge-
samtklinikum sowie die Tatsache,
dass ich regelmäßig medizinisches
Neuland betreten kann“, beschreibt
Professor Schaefer die Vorzüge
seines Arbeitsplatzes.
EHEC-Epidemie:
Ein Antikörper als
Rettungsanker?