Seite 44-45 - Klinikticker Juli - August

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Verwandte von Patienten mit dem Kno-
chenmarkkrebs Multiples Myelom haben
ein etwa doppelt so hohes Risiko ebenfalls
an MultiplemMyelom zu erkranken wie der
Durchschnitt der Bevölkerung. Heidelber-
ger Wissenschaftler erforschen, warum
diese bislang meist unheilbare Krebsform
familiär gehäuft auftritt. Die Deutsche
Krebshilfe fördert das Forschungsprojekt
"Keimbahn-Veränderungen beim Multi-
plen Myelom: Korrelation mit Erkrankungs-
risiko, Zytogenetik und Gen-Expressions-
mustern" mit 63.000 Euro. Die Arbeiten
werden in der Sektion Multiples Myelom
unter Leitung von Professor Dr. Hartmut
Goldschmidt an der Medizinischen Klinik
gemeinsammit Professor Dr. Kari Hemmin-
ki, DKFZ, Professor Dr. Anna Jauch, Institut
für Humangenetik, und Kollegen in Mont-
pellier und London durchgeführt.
Das Multiple Myelom ist eine Tumorerkran-
kung, die von Antikörper-produzierenden
Zellen (einer bestimmten Art weißer Blut-
körperchen) im Knochenmark ausgeht. In
Deutschland werden jedes Jahr etwa 3.500
Neuerkrankungen
festgestellt,
etwa
25.000 europaweit. Die Tumorzellen be-
einträchtigen die Blutbildung und schwä-
chen die Knochensubstanz. Dadurch
kommt es zu Knochenschmerzen, Brü-
chen, Blutarmut und Infektanfälligkeit.
Medikamente können die Symptome bei
guter Lebensqualität der Patienten auch
langfristig zurückdrängen. Oft kommt es
jedoch nach einiger Zeit zu einem Rückfall
und zur Therapieresistenz. Die mittlere
Überlebenszeit ist sehr variabel und be-
trägt einige Monate bis über 15 Jahre. Ziel
der weiteren Forschung ist es zu verstehen,
warum ein Multiples Myelom entsteht, und
gezielte Diagnose- und Behandlungsstra-
tegien zu entwickeln.
JB
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AUS DER FORSCHUNG
Krebsimpfstoff aus neu entdeckten Tumormarkern
Immunzellen sollen Glioblastom-Wachstum verlangsamen
Automatisierte EKG-Analyse verbessert
Diagnose von Vorhofflimmern
An der Studie der Neurologischen Klinik nahmen 500 Schlaganfall-Patienten teil
Genauere Strahlsimulation für komplexere
Behandlungsstrategien
Deutsche Krebshilfe fördert Forschungsprojekt an Radiologischer Klinik
Erforschung von Knochenmarkkrebs gefördert
Familiäres Risiko bei Multiplem Myelom im Fokus
Wissenschaftler der Universitätskliniken Heidelberg und Genf, der
Tübinger Biotechnologie-Firma immatics und des Deutschen
Krebsforschungszentrums (DKFZ) sind in der Erforschung eines
äußerst aggressiven Hirntumors, des Glioblastoms, einen großen
Schritt weitergekommen.
Die Forscher erfassten erstmals systematisch sämtliche Eiweiße
auf der Oberfläche der Krebszellen und identifizierten zehn Mar-
ker, die besonders charakteristisch für diese Tumorart sind. Aus
diesen Markern entwickelte immatics den therapeutischen Krebs-
impfstoff IMA950, der aktuell in zwei klinischen Studien der Nati-
onal Institutes of Health in Bethesda (Maryland), USA, und der
Cancer Research UK in England zum Einsatz kommt. Eine weitere
Studie in Heidelberg ist in Planung.
Zwar bekämpft das körpereigene Abwehrsystem den Tumor, aller-
dings vermehren sich die Krebszellen schneller, als die Immunzel-
len sie vernichten können. „Eine Impfung kann die Immunantwort
verstärken und damit das Tumorwachstum verlangsamen“, hofft
Professor Dr. Christel Herold-Mende, Leiterin der Neurochirur-
gischen Forschung am Klinikum.
Durch die Impfung entstehen mehr Immunzellen, die auf die Be-
kämpfung des Tumors spezialisiert sind, als ohne die zusätzliche
Aktivierung. Entdecken sie im Körper Zellen mit den Eiweißen aus
dem Impfstoff, zerstören sie diese. Doch nicht jede Zelle trägt je-
den Marker an der Oberfläche. Indem die Wissenschaftler mehre-
re Eiweiße für den Impfstoff auswählen, stellen sie sicher, dass
das Immunsystem keine Zellen übersieht.
TB
Treffen bei der Ionenstrahltherapie die
sogenannten Schwerionen auf das Tumor-
gewebe, zersetzen sie sich in verschie-
dene leichtere Ionen. Um diese „Bruch-
stücke“ besser in die Therapieplanung
einbeziehen und gesunde Zellen noch ef-
fektiver schützen zu können, entwickeln
Wissenschaftler um Projektleiterin Dr.
Maria Martisikova, Klinik für RadioOnko-
logie und Strahlentherapie, nun ein de-
tailliertes Simulationsmodell.
Dazu erfassen sie präzise das Verhalten
der Schwerionen nach ihrer Kollision mit
dem Gewebe. Die neu entwickelte Mess-
methode erlaubt es erstmals, die dabei
entstandenen Ionensorten direkt im Ge-
webe zu identifizieren. Die Deutsche
Krebshilfe fördert das Projekt in den kom-
menden drei Jahren mit 297.000 Euro.
Bisher gibt es nur wenige Daten dazu, wie
sich die Ionen-Bruchstücke im Körperge-
webe verhalten, wie weit sie in das umlie-
gende Gewebe geschleudert werden und
wie sie auf gesunde Zellen wirken. „Mo-
mentan werden diese Effekte in der Thera-
pieplanung in Form einer Art Pufferzone an
den Tumorrändern berücksichtigt“, erklärt
Martisikova. „Das reicht für die aktuell an-
gebotenen Therapien aus. Zukünftige
komplexere Behandlungsstrategien benö-
tigen aber eine genauere Simulation der
Strahlenbelastung, damit empfindliche
Gewebe in der Nähe des Tumors sicher
ausgespart werden können.“ Das Projekt
ist eine Kooperation der Radiologischen
Klinik mit der Tschechischen Technischen
Universität in Prag.
TB
Mit dem neuen Detektionssystem „SRAclinic“ der Firma apoplex
medical technologies GmbH kann eine bestimmte Form des Vor-
hofflimmerns, das Schlaganfälle auslösen kann, deutlich zuver-
lässiger diagnostiziert werden als mit bisherigen Standartverfah-
ren. Das hat eine Studie an der Neurologischen Klinik mit 500
Schlaganfall-Patienten ergeben, die online im Fachjournal „Stro-
ke“ veröffentlicht wurde.
Das Team um Professor Dr. Veltkamp, Oberarzt der Neurologischen
Notfallambulanz, verglich die vollautomatisierte Analyse des
Langzeit-Elektrokardiogramms (EKG) mit der Auswertung von
24-Stunden-Langzeit-EKG und EKG-Monitoring ohne automatisier-
te Detektionssoftware: Während die Ärzte mit Hilfe der beiden
gängigen Verfahren das kritische Vorhofflimmern bei 34 Prozent
bzw. 66 Prozent der tatsächlich betroffenen Patienten entdeckten,
identifizierte SRAclinic 93 Prozent der Patienten. „Wir haben nach
Auswertung der Studienergebnisse die Routinediagnostik zur De-
tektion dieses Vorhofflimmerns auf unserer Stroke-Unit vollstän-
dig auf das SRA-System umgestellt“, sagt dazu Professor Velt-
kamp. „SRA“ steht für Schlaganfall-Risiko-Analyse.
Bei rund einem Viertel aller Schlaganfälle in Deutschland können
die behandelnden Ärzte nicht klären, was die Durchblutungsstö-
rung im Gehirn ausgelöst hat. Damit steigt für die Patienten die
Gefahr eines weiteren Schlaganfalls. Ein möglicher Auslöser ist
unbemerktes, anfallsartiges Vorhofflimmern: Es kann Blutgerinn-
sel lösen, die in den Hirngefäßen hängen bleiben.
TB
Rasterelektronische Aufnahme von Immunzellen. Quelle: DKFZ
Knochenmarkzytologie beim Multiplen Myelom. Detailaufnahme von Plasmazellen.