Seite 42-43 - Klinikticker Juli - August

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AUS DER FROSCHUNG
Nierenersatztherapie bei Kindern verbessern
Ziel der Forscher sind Dialyselösungen, die das Bauchfell besser schützen
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung startet
Neue Professur für Klinische Infektiologie in Heidelberg eingerichtet
Häufige Schulfehlzeiten gehen einher mit Mobbing
10.000 Jugendliche von 14 bis 18 Jahren in sechs Ländern nehmen an Studie teil
Ausdauertraining wirksamer als Schmerzmittel
Neue Behandlungsleitlinie für Patienten mit Fibromylagie
Chemotherapie hilft bei „peri-ampullärem“ Krebs
Mehrere Monate zusätzliche Lebenszeit für betroffene Patienten
Wissenschaftler aus acht europäischen Ländern – darunter ein
Team des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin – möchten ge-
meinsam die Bauchfelldialyse verbessern. „Die Peritonealdialyse
ist vor allem bei Kindern ein bewährtes Blutreinigungsverfahren
bei Nierenversagen, in dem noch viel Entwicklungspotenzial
steckt“, betont Professor Dr. Claus Peter Schmitt, Oberarzt der
Sektion Pädiatrische Nephrologie am Klinikum.
Mit seinem Team will er die schädlichen Langzeitwirkungen der
Dialyse auf das Bauchfell untersuchen und Gegenmaßnahmen
entwickeln. Die EU fördert das Netzwerk EuTRiPD (European Trai-
ning and Research in Peritoneal Dialysis) drei Jahre lang mit 3,2
Millionen Euro. Bei dieser schonenden Form der Dialyse wird über
einen Katheter die Dialyselösung in die Bauchhöhle gefüllt und
regelmäßig gewechselt. In diese Lösung gibt das gut durchblutete
Bauchfell (Peritoneum) schädliche Abfallprodukte des Stoffwech-
sels ab. Doch mit der Zeit verändert sich seine Struktur und damit
die Durchlässigkeit; nach wenigen Jahren müssen viele Patienten
auf Hämodialyse umstellen.
Hier setzt das Heidelberger Forschungsprojekt an: Mit seinem
Team baut Schmitt eine bisher einmalige Gewebebank mit Bauch-
fellproben betroffener Kinder auf. „Bei Kindern können wir die Ver-
änderungen des Bauchfells während der Dialyse präziser untersu-
chen als bei Erwachsenen, da sie keine Vorerkrankungen haben,
die ebenfalls das Bauchfell beeinträchtigen“, erklärt der Kinder-
Nephrologe. Ziel ist es, Dialyselösungen zu entwickeln, die das
Bauchfell erhalten und schützen.
TB
32 führende Forschungseinrichtungen in
ganz Deutschland vereinen ihre Expertise:
Im „Deutschen Zentrum für Infektionsfor-
schung“ (DZIF) am Helmholtz-Zentrum für
Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig
wollen sie künftig gemeinsam gegen In-
fektionen vorgehen. Das Klinikum ist mit
dem Forschungsprogramm „Heidelberg
Centre for Infectious Diseases“ beteiligt.
Koordinator für Heidelberg ist Professor
Dr. Hans-Georg Kräusslich, Direktor des
Departments Infektiologie, der im DZIF
auch die Koordination des Forschungsbe-
reichs HIV übernimmt. Die Heidelberger
Experten widmen sich schwerpunktmäßig
der Entwicklung von Interventionsstrate-
gien gegen Infektionen mit Viren, z.B. He-
patitis-, Papilloma- und HI-Viren sowie
Parasiten, z.B. dem Erreger der Malaria.
Daneben steht die Untersuchung der
Wirtsabwehr, besonders beim immunge-
schwächten Wirt wie z.B. bei transplan-
tierten Patienten, im Fokus der Heidelber-
ger Arbeiten.
Zur Stärkung der klinischen Umsetzung
wird am Klinikum eine Professur für Kli-
nische Infektiologie neu eingerichtet, die
den Brückenschlag von der Grundlagen-
forschung zur Anwendung weiter unter-
stützen soll. Neben dem Department In-
fektiologie sind Wissenschaftler der
Institute für Immunologie, Pathologie und
Public Health sowie der Medizinischen
und der Chirurgischen Klinik beteiligt, au-
ßerdem der Schwerpunkt Infektionen und
Krebs am DKFZ.
JB
Schüler, die – mit oder ohne Entschuldi-
gung – dem Unterricht häufig fernbleiben,
sind mit rund 16 Prozent doppelt so oft
von Mobbing betroffen wie ihre Mitschü-
ler. Dies zeigen erste Auswertungen einer
Studie der Klinik für Kinder- und Jugend-
psychiatrie an Schulen der Stadt Heidel-
berg und des Rhein-Neckar-Kreises, die
2.700 Schüler der 8. und 9. Klassen ein-
bezieht. Sie liefert erstmals in Deutsch-
land umfangreiche Daten zu den Fragen,
wie häufig und warum Schüler nicht zur
Schule gehen: 53 Prozent der Jugend-
lichen bleiben zwei bis zehn Tage pro Mo-
nat dem Unterricht entschuldigt fern,
sechs Prozent mehr als zehn Tage. Unent-
schuldigt fehlen rund 17 Prozent der
Schüler pro Monat ein bis vier Tage, vier
Prozent mehr als fünf Tage. Die Forscher
fanden außerdem heraus: Ob entschuldi-
gt oder nicht – häufiges Fehlen geht ein-
her mit psychischen Problemen wie
sozialer Angst oder Depression.
Die Studie unter Leitung von Professor Dr.
Romuald Brunner, Leitender Oberarzt, ist
der deutsche Beitrag zu der von der Euro-
päischen Union geförderten Studie „Wor-
king in Europe to Stop Truancy Amoung
Youth (WE-STAY)“: In fünf europäischen
Ländern und Israel werden aktuell rund
10.000 Jugendliche im Alter von 14 bis 18
Jahren untersucht. Ziel ist es, das gesell-
schaftliche Problem Schulfehlzeiten zu er-
fassen und zu ermitteln, welche Präventi-
onsprogramme hilfreich sind. Heidelberg
erhält für die Studie 270.000 Euro an För-
dermitteln. Daten zu geeigneten Präventi-
onsprogrammen erwarten die Heidelber-
ger im Frühjahr 2013.
JB
Welche Therapien haben sich in der Be-
handlung des Schmerzsyndroms Fibro-
mylagie bewährt – von welchen muss ab-
geraten werden? Wissenschaftler des
Klinikums und aus ganz Deutschland ha-
ben sämtliche verfügbaren Therapiestu-
dien ausgewertet und die bestehende
Behandlungsleitlinie aktualisiert: Als be-
sonders wirksam erwies sich ein individu-
elles Ausdauer- und leichtes Krafttraining.
„Die Patienten profitieren besonders von
regelmäßigen Aktivitäten, die sie eigen-
ständig durchführen können“, erklärt Pro-
fessor Dr. Wolfgang Eich, Schmerzexperte
an der Klinik für Allgemeine Innere Medi-
zin und Psychosomatik und federführend
an der Überarbeitung der Leitlinie beteili-
gt. Schmerzmittel hatten dagegen we-
sentlich geringere Wirkung als früher an-
genommen: „Nur wenige Präparate
zeigten langfristigen Nutzen, bei den mei-
sten überwiegen die Nebenwirkungen bei
längerer Einnahme.“ Auch komplemen-
täre Therapieverfahren standen auf dem
Prüfstand. Während Homöopathie und
Reiki schlecht abschnitten, bewährten
sich meditative Bewegungstherapien wie
Tai Chi oder Yoga.
TB
Chemotherapie kann die Lebenserwartung
von Patienten verbessern, die an einem
bösartigen Tumor nahe der Bauchspeichel-
drüse, einem peri-ampullären Karzinom,
leiden. Dies hat eine Studie der „European
Study Group for Pancreatic Cancer“ erst-
mals gezeigt, die von den Zentren in Heidel-
berg und Liverpool geleitet wird. Die Pati-
enten mit Chemotherapie überlebten im
Durchschnitt 43,1 Monate, in der Beobach-
tungsgruppe ohne Chemotherapie betrug
die Überlebenszeit nur 35,2 Monate. Das
peri-ampulläre Karzinom geht vom Endab-
schnitt des Gallengangs aus, bevor er im
Zwölffingerdarm in der Ampulle endet.
Nach fünf Jahren leben im Durchschnitt
noch ca. 40 Prozent der Patienten.
TB
Unter anderem im Fokus der Heidel-
berger Forscher: HI-Viren (Elektronen-
mikroskopische Aufnahme).