Seite 50-51 - Klinikticker Juli - August

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MENSCHEN IM KLINIKUM
Sie haben keine Rechte und keinen Besitz,
sind ihrem Ehemann ausgeliefert und wer-
den häufig unterdrückt und misshandelt.
Viele müssen ihre Familien allein über die
Runden bringen – ohne richtig Lesen,
Schreiben und Rechnen gelernt, geschwei-
ge denn, eine berufliche Ausbildung ab-
solviert zu haben. Frauen im afrikanischen
Sambia – besonders im Umkreis der Städ-
te – haben kaum eine Chance, Armut und
Gewalt zu entkommen oder ein selbstbe-
stimmtes Leben zu führen.
Der Heidelberger Verein „Sodalis – Part-
nerschaft für Eine Welt e.V.“ will daran we-
nigstens im Kleinen – nämlich in Mushili,
einer Siedlung nahe der Stadt Ndola – et-
was ändern. Den Frauen und Mädchen
dort eine Perspektive zu geben, ist das Ziel
des 2009 gegründeten Fördervereins und
seiner Partnerorganisation „Chikulupililo
Empowerment Community“ (CECO) in
Sambia. Seit 2010 ist Alexandra Meck, seit
20 Jahren Krankenschwester der gastroen-
terologischen Intensivstation in der Medi-
zinischen Klinik, Mitglied bei Sodalis: „Wir
leisten den Frauen Hilfe zur Selbsthilfe und
die kommt an! Unsere Partnerorganisation
ist in nur drei Jahren rasant gewachsen.“
Hilfe zur Selbsthilfe, das bedeutet in erster
Linie Ausbildung: Frauen jeden Alters erhal-
ten bei CECO kostenlosen Unterricht, kön-
nen ihren Schulabschlussmachen, sich u.a.
zur Schneiderin ausbilden lassen oder ei-
nen Kurs in Existenzgründung belegen. Da-
neben gibt es psychologische Betreuungs-
angebote, juristische und medizinische
Hilfe und in Notsituationen eine Unterkunft.
Zwei Sozialarbeiterinnen und ein Sozialar-
beiter sind Tag und Nacht in Mushili unter-
wegs, um Hilfsbedürftige anzusprechen.
Aus eigener Kraft kann die Organisation
dieses Hilfsangebot derzeit noch nicht
stemmen, die Gehälter der Leiterin, der
drei Lehrerinnen und Sozialarbeiter zahlt
der Heidelberger Partnerverein. „Unser
langfristiges Ziel ist es, CECO wirtschaftlich
auf eigene Füße zu stellen. Wir wollen
nachhaltig helfen“, erklärt Alexandra
Meck. Geplant ist zunächst der Aufbau
eines landwirtschaftlichen Betriebs. Ein
einheimischer Ökonom, ebenfalls von So-
dalis eingestellt, hilft dabei, das Unterneh-
men systematisch aufzubauen.
Im April 2012 besuchte Alexandra Meck zu-
sammen mit der Gründerin von Sodalis, der
ehemaligen Klinikumsmitarbeiterin Gun-
hild Daecke, drei Wochen lang Mushili. „So
konnten wir uns vor Ort ein Bild machen:
Was hat sich getan? Welche Probleme gibt
es? Was steht als nächstes an?“ Von
Deutschland aus ist es schwer, sich in das
Leben in Mushili einzudenken: In der Sied-
lung mit 80.000 Bewohnern gibt es keine
Straßen, je nach Viertel nur alle drei Tage
Wasser, Strom für die, die es sich leisten
können. Gemeinsam mit Lillie Zulu, der Lei-
terin von CECO, planten sie das weitere Vor-
gehen. Denn eines ist den Mitgliedern von
Sodalis besonders wichtig: „Wir wollen
nicht bevormunden, sondern beraten und
unterstützen,“ betont Alexandra Meck.
Während des Aufenthaltes betrieben die
beiden Frauen „Networking“ und traten un-
ter anderem mit der deutschen Botschaft in
Kontakt, um Anträge für Nähmaschinen und
Tische zu stellen. „Man glaubt nicht, wie
lange es dort dauert, die Kostenvoranschlä-
ge einzuholen. Wir waren tagelang beschäf-
tigt“, berichtet die 45-jährige Kranken-
schwester. Bisher teilen sich in den
Schneiderkursen je fünf Frauen die drei
Nähmaschinen. Tische gibt es ebenso viele.
Ansonsten verbrachten sie so viel Zeit wie
möglich mit den Frauen, feierten z.B. mit
den Absolventinnen ihren Abschluss. Die
frischgebackenen Schneiderinnen hatten
Lieder, Sketche und eine Rede vorbereitet.
„Es hat mich so beeindruckt, welche Le-
bensfreude die Frauen versprühten, wie sie
sich über ihren Abschluss gefreut haben“,
erinnert sich die Heidelbergerin. Auf der an-
deren Seite das Elend: Die Begegnung mit
Mädchen und jungen Frauen, die sich pro-
stituieren, um zu überleben, mit Kindern,
die allein für ihre jüngeren Geschwister sor-
gen müssen, oder kleinen Aidswaisen ha-
ben sich ihr tief eingeprägt. Aids ist ein
großes Problem in Sambia: Die Erkrankung
hat die durchschnittliche Lebenserwartung
sambischer Frauen in den letzten Jahren
von 60 auf 37 Jahre gedrückt.
Das nächste große Projekt für Sodalis und
CECO steht nach dem Besuch in Mushili
fest: Es soll gebaut werden. Inzwischen
kommen rund 150 Frauen zum Unterricht.
Die beiden angemieteten Häuschen rei-
chen dazu kaum noch aus, zumal die Miet-
preise willkürlich angehoben werden.
„Das wird eine große Herausforderung, für
die wir sehr viel Unterstützung brauchen“,
so Alexandra Meck.
Tina Bergmann
„Man sieht diese Kinder und weiß:
Die haben keine Chance“
Was hat Sie davon überzeugt, sich bei
„Sodalis e.V.“ zu engagieren?
Die Zielgruppe: Frauen und Kinder, die
schutzlos sind. Sie erhalten durch die Ar-
beit von Sodalis und CECO eine Chance,
ihre Lebenssituation zu verbessern. Dann
das herausragende Engagement meiner
ehemaligen Kollegin Gunhild Daecke, die
das Projekt ins Leben gerufen hat, und das
Konzept von Sodalis selbst.
Machen Sie Werbung in drei Sätzen: Wa-
rum „Sodalis“ unterstützen?
Die Spendengelder kommen an: Alle Mit-
glieder arbeiten ehrenamtlich und wir ga-
rantieren, dass 97 Prozent der Gelder di-
rekt in unser Partnerprojekt in Afrika
fließen. Wir arbeiten eng mit unseren
Partnern vor Ort zusammen, sind immer
in direktem Kontakt. Wir leisten nur eine
Anschubfinanzierung, d.h. unsere Part-
nerorganisation ist verpflichtet, gewinn-
bringende Wirtschaftszweige zu etablie-
ren, um finanziell selbstständig zu
werden.
Sodalis und CECO schenken Frauen und
ihren Kindern eine Perspektive. Wie kann
das aussehen?
Während unseres Aufenthaltes berichtete
uns eine Witwe, wie sie nach dem Tod
ihres Mannes große Schwierigkeiten hatte,
ihre fünf Kinder zu ernähren. Von einer So-
zialarbeiterin erfuhr sie von CECO, machte
dort eine Schneiderlehre und näht nun
Schuluniformen für eine benachbarte
Schule. Das Auskommen der Familie ist
gesichert.
Welche Erlebnisse in Mushili haben sich
Ihnen besonders eingeprägt?
Zum einen die Abschlussfeier der Schnei-
derinnen. Sie waren so stolz auf ihren Ab-
schluss, dass es mich selbst ganz stolz
macht, ein Teil davon zu sein. Zum anderen
eine Nacht, in der wir eine Sozialarbeiterin
bei ihrem Rundgang begleiteten. Das war
furchtbar, alkoholgeschwängerte Luft, ag-
gressive Männer und dazwischen kleine
Kinder im Dreck. Man sieht diese Kinder
und weiß: Die haben keine Chance.
Muss man, um Frauen vor Unterdrückung
und Gewalt zu schützen, nicht bei den
Männern ansetzen?
Das ist sicherlich ein Aspekt. Wir versu-
chen Männer über Menschenrechtskurse
und Seminare z.B. zum Thema HIV und
über Sportangebote zu erreichen. Aller-
dings bleibt ein zentraler Gesichtspunkt
die Bildung von Mädchen und Frauen,
denn nur so lassen sich gesellschaftliche
Strukturen langfristig verändern.
Alexandra Meck in einer Schule in Sam-
bia. Der Unterricht wird vom Heidelber-
ger Verein „Sodalis – Partnerschaft für
Eine Welt e.V.“ gefördert.
Frauen in Sambia eine
Perspektive
schenken
Krankenschwester Alexandra Meck engagiert sich
im Heidelberger Verein „Sodalis – Partnerschaft
für Eine Welt e.V.“
Alexandra Meck ist seit 20 Jahren Kranken-
schwester auf der gastroenterologischen
Intensivstation der Medizinischen Klinik.
Fünf Fragen an...
... Alexandra Meck, Krankenschwester der Station „Gastro Intensiv“
Weitere Informationen:
www.sodalis-hilfe.org
Spendenkonto:
sodalis – Partnerschaft für Eine Welt e.V.
Konto-Nr.: 600 962 8600
GLS Gemeinschaftsbank Bochum
BLZ: 430 609 67
Kontakt für weitere Fragen:
*
Alexandra.Meck@med.uni-
heidelberg.de