Seite 30-31 - Klinikticker November-Dezember 2011

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Professor Dr. Stefan
Dithmar schult ehren-
amtlich Augenärzte in
Entwicklungsländern
Laut der Weltgesundheitsorganisation
WHO erblinden in Tansania jedes Jahr ca.
7.000 Menschen; eine entsprechende
medizinische Versorgung könnte mehr als
der Hälfte von ihnen dieses Schicksal er-
sparen – doch zum einen können sich die
meisten die Behandlung nicht leisten,
zum anderen fehlen die Fachleute. „In
ganz Tansania praktizieren nur drei bis
vier Netzhautchirurgen“, erklärt Professor
Dr. Stefan Dithmar, Geschäftsführender
Oberarzt der Augenklinik und zuständig
für Netzhauterkrankungen und Netzhaut-
chirurgie. „Die Augenärzte dort haben
kaum Möglichkeiten sich weiterzubilden,
es gibt keine Lehrer.“ Gerade bei Erkran-
kungen im hinteren Teil des Auges, Netz-
hautablösungen oder Verletzungen kön-
nen die Mediziner daher häufig nicht
helfen.
„Dagegen kann man etwas tun“, ist Stefan
Dithmar überzeugt. Gerade hat er zwei
Wochen in Moshi im Nordosten Tansanias
verbracht, um dort die Kollegen im ört-
lichen Krankenhaus „Kilimanjaro Christian
Medical College“ ehrenamtlich zu unter-
stützen. Dabei ging es ihm nicht darum,
kurzfristig möglichst viele Patienten zu
operieren, sondern nachhaltig etwas zu
bewegen: Er schulte die Klinikärzte in
netzhautchirurgischen Techniken, speziell
in einem neuen Verfahren des nahtfreien
Operierens. „Häufig wird in Entwicklungs-
ländern ein Faden für mehrere Patienten
verwendet. Die nahtfreie Technik schützt
die Patienten besser vor einer Infektion
z.B. mit HIV, ist schonender und es kommt
seltener zu Komplikationen“, erklärt der
erfahrene Operateur.
Die nötigen Instrumente und Materialien
brachte er aus Deutschland mit – zum Teil
aus eigener Tasche bezahlt, zum Teil Sach-
spenden der Firmen Geuder AG, DORC und
Alcon Pharma GmbH. Diese Materialien
werden erst einmal eine Weile reichen.
„Das Krankenhaus in Moshi ist u.a. durch
Spendengelder finanziell in der Lage,
Nachschub zu beschaffen“, so Dithmar.
Doch was nützt ein gut ausgebildeter Arzt
den Menschen, die sich eine Operation am
Auge, die je nach Art des Eingriffes umge-
rechnet zwischen zehn und 50 Euro ko-
stet, nicht leisten können? „Die Kranken-
häuser, in denen ich bisher Fortbildungen
angeboten habe, arbeiten mit der Chris-
toffel Blindenmission (CBM) zusammen“,
erklärt Professor Dithmar. „Die CBM küm-
mert sich gezielt umMenschen mit Sehbe-
hinderung und übernimmt die Behand-
lungskosten bedürftiger Patienten.“ Die
Hilfsorganisation mit Sitz im hessischen
Bensheim setzt sich weltweit in Entwick-
lungsländern für Menschen mit Behinde-
rungen ein. Ihr Ziel ist es, die Selbständig-
keit Betroffener zu verbessern und ihnen
so eine Perspektive zu bieten.
Die Fortbildung im Krankenhaus in Moshi
war bereits Stefan Dithmars dritter Einsatz
dieser Art. Begonnen hatte alles 2009 mit
einer Einladung nach Kenia durch einen
befreundeten Kinderarzt. „Ich dachte mir,
wenn ich da schon hinfahre, sollte ich
auch Kontakt zu einer Augenklinik aufneh-
men“, erinnert er sich. „Erst war ich eher
neugierig, aber dann wollte ich mich ein-
bringen.“ Daher nahm er Kontakt zu Dr.
Heiko Phillipin auf, ehemals Augenarzt am
Universitätsklinikum Freiburg, der für die
CBM in einem Augenhospital im kenia-
nischen Sabatia praktizierte und ausbil-
dete. In Kenia kommt ein Augenarzt auf
eine Million Menschen, außerhalb der
Städte sind Augenärzte sogar noch sel-
tener.
Eine Woche seines Urlaubs verbrachte er
im Sabatia Augenhospital und schulte
das Team in Netzhautchirurgie, eine Wo-
che unterrichtete er in einem Kinderkran-
kenhaus Grundlagen der Augenheilkun-
de. 2010 reiste er zwei Wochen nach
Nepal, in die Städte Lahan und Biratna-
gar. Den Kontakt vermittelte eine ehema-
lige Kollegin, Dr. Ute Wiehler, die bis
2009 in der Heidelberger Augenklinik tä-
tig war, dann als Mitarbeiterin der CBM
nach Lahan übersiedelte. Der Einsatz in
Tansania 2011 kam wieder über Heiko
Philippin zustande, der inzwischen in
Moshi behandelt.
Mit vielen Kollegen, die er in diesen Län-
dern geschult hat, steht Stefan Dithmar
noch in regelmäßigem Kontakt: „Ich habe
den Eindruck, dass meine Bemühungen
nachwirken und das macht Spaß“, freut
sich der renommierte
Augenchirurg. „Es ist
möglich, mit einem
kurzen Einsatz eine
ganze Menge zu bewir-
ken. Ich habe die Er-
fahrung gemacht, dass
spezialisierte Ärzte je-
der Fachrichtung in
diesen Ländern mit ex-
tremen Bedarf an Aus-
bildung hochwillkom-
men sind.“ Für ihn steht fest: Wenn sich
die Gelegenheit bietet, wird er auch wei-
terhin solche „Bildungsurlaube“ unter-
nehmen.
Tina Bergmann
Was motiviert Sie zu Ihren Einsätzen?
Die Freude daran, das, was mir selbst geschenkt wurde, weiterge-
ben zu können wo es absolut notwendig ist – und zu sehen, dass
etwas daraus entsteht. Selbst in einem so kurzen Zeitraum wie
zwei Wochen kann man eine ganze Menge bewirken und die Situ-
ation in den ärmsten Regionen ein wenig verbessern.
Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um solche Fortbil-
dungen durchzuführen?
Jeder, der auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert ist, kann
seine Expertise einbringen. Das müssen nicht unbedingt chirur-
gische Techniken sein, ich kann mir vorstellen, dass auch Schu-
lungen durch Medizinisch Technische Assistenten oder Physio-
therapeuten von Interesse sind. Je nach Fachgebiet muss man
eventuell eine Operationserlaubnis für das jeweilige Land bean-
tragen.
Wie reagieren die Kollegen vor Ort auf den deutschen Professor?
Ganz wichtig ist Bescheidenheit, auch wenn es manchmal viel Ge-
duld kostet. Zum Beispiel stand ich einmal in Tansania früh mor-
gens als einziger Arzt im Krankenhaus. Auf die Frage nach dem
Beginn der geplanten Operation erhielt ich die Auskunft „Heute“.
Wer alles besser machen will, wird nicht akzeptiert. Ich habe viel
Dankbarkeit erlebt und wurde sehr freundlich aufgenommen.
Können deutsche Ärzte auch etwas von afrikanischen Ärzten ler-
nen?
Wir sind es gewohnt, dass mehr oder weniger alles, was wir benö-
tigen, verfügbar ist oder besorgt werden kann. Von den afrika-
nischen Ärzten lernt man zu improvisieren, mit wenig auszukom-
men und gelassen zu bleiben, auch wenn z.B. während der
Operation wiederholt der Strom ausfällt. Persönlich habe ich sehr
viel von meinen afrikanischen Kollegen und deren Mentalität und
Kultur gelernt. Die eigene Einstellung zum Leben wird durch diese
Einsätze sehr geprägt.
Können Sie Erfahrungen, die Sie bei Ihren Einsätzen sammeln,
auch im Heidelberger Klinikalltag einbringen?
Die Krankheitsbilder, die ich bei meinen Einsätzen gesehen habe
sind oft gar nicht so exotisch, sondern häufig ähnlich wie bei uns.
Aber die Erkrankungen sind viel weiter fortgeschritten, da die Pa-
tienten erst sehr spät kommen. Die Operationen können daher
sehr schwierig sein. Bei jedem Einsatz lernt man viel, einiges
kann auch für den Heidelberger Klinikalltag wertvoll werden.
Zwei Wochen im Jahr unterstützt Professor Dr. Stefan Dithm-
ar ehrenamtlich Augenärzte in medizinisch unterversorgten
Ländern, wie hier bei einem Dorfbesuch in Kenia 2009.
Krankenhausalltag in Lahan, Nepal:
Die Patienten schlafen in einem großen
Raum auf Holzliegen ohne Matrazen.
Der erfahrene Netzhaut-
chirurg schulte während
seiner Einsätze in En-
wicklungsländern Kolle-
gen in modernen Opera-
tionsverfahren.
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MENSCHEN IM KLINIKUM
„Man kann
viel bewirken“
Fünf Fragen an…
Professor Dr. Stefan Dithmar,
Geschäftsführender Oberarzt der Augenklinik, Leiter des Bereichs Retinologie