Seite 24 - Klinik Ticker Ausgabe 01 Februar

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TITELTHEMA
Selbständig atmen zu können, ist nicht selbstverständlich – jeden-
falls nicht für Menschen mit Chronisch obstruktiver Lungenerkran-
kung (COPD). Müssen Betroffene aufgrund einer Operation oder einer
Lungenentzündung vorübergehend (invasiv) über einen Beatmungs-
schlauch künstlich beatmet werden, ist der anschließende Übergang
zurück zur selbständigen Atmung häufig schwierig: Die Atemmusku-
latur hat an Kraft verloren, die vorgeschädigte und zusätzlich ge-
schwächte Lunge kann nicht ausreichend Kohlendioxid abatmen
bzw. kann nicht ausreichend Sauerstoff aufnehmen.
Die Entwöhnung dieser Patienten von der invasiven Beatmung,
auch „Weaning“ genannt, ist ein Fall für Spezialisten – wie das
Team der Abteilung Anästhesiologie und Intensivmedizin um Chef-
arzt Privatdozent Dr. Werner Schmidt. Gemeinsammit der Abteilung
für Pneumologie und Beatmungsmedizin betreut das Team pro Jahr
über 300 Weaning-Patienten. 50-60 dieser Patienten werden aus
externen Kliniken – meist invasiv beatmet – direkt auf die Intensiv-
station übernommen. „Man braucht ein eingespieltes Team, eine
entsprechende Ausrüstung und viel Erfahrung, um Patienten mit
vorerkrankter Lunge wieder zum selbständigen Atmen zu bringen“,
erklärt Schmidt. Beim Großteil der Patienten gelingt das Weaning
mit Hilfe der sogenannten nicht-invasiven Beatmung. Über eine
Atemmaske unterstützt dabei das Beatmungsgerät die Lungenfunk-
tion und Atemmuskulatur. Dabei ist die genau auf die Bedürfnisse
des Patienten abgestimmte Einstellung des Beatmungsgerätes
maßgeblich. „Wichtig ist zudem die Patientenführung durch erfahr-
enes Personal“, ergänzt der Anästhesist. Sechs Ärzte, 34 Schwes-
tern und Pfleger umPflegeleiterin Brigitte Radovanovic, eine Physio-
therapeutin sowie ein Atmungstherapeut (siehe auch Seite 34)
betreuen die Patienten rund um die Uhr.
„Ziel jeder Maßnahme ist es, spontanes
Atmen so früh wie möglich zu unterstützen“
Bei den wenigen Patienten, die sich mit Hilfe der nicht-invasiven
Beatmung nicht entwöhnen lassen, wird – meist vorübergehend
– ein Luftröhrenschnitt angelegt, über den zunächst die künst-
liche Beatmung und im weiteren Verlauf die selbständige Atmung
des Patienten fortgesetzt wird. Anders als beim Schlauch durch
den Mund muss der Patient durch die Kanüle über den Luftröhren-
schnitt für die Dauer der Beatmung nicht narkotisiert werden. Zu-
dem ist es einfacher, den Patienten darüber allmählich wieder
selbstständig atmen zu lassen. „Ziel jeder Maßnahme ist es, das
spontane Atmen so früh wie möglich zu unterstützen“, betont der
Chefarzt. „Lange invasive Beatmung fördert Entzündungen und
den Abbau der Atemmuskulatur.“
Um die Zeitdauer der invasiven Beatmung bei Weaning-Patienten
in Zukunft weiter verkürzen zu können, beschäftigt sich das Team
wissenschaftlich mit dem Einsatz extrakorporaler Lungenunter-
stützungsverfahren. Vergleichbar ist die Technik mit der Dialyse-
behandlung bei niereninsuffizienten Patienten. Allerdings wird
das Blut des Patienten nicht von harnpflichtigen Substanzen, son-
dern von Kohlendioxid befreit, wodurch die Atmung des Patienten
wesentlich entlastet wird. Aktuell hat das Team um Privatdozent
Dr. Schmidt zusammen mit weiteren Zentren in ganz Deutschland
eine Pilotstudie über den effektiven und sicheren Einsatz dieses
neuen Verfahrens abgeschlossen. Darüber hinaus kann das Team
der Abteilung noch mit einer weiteren „Spezialität“ aufwarten: der
Ein-Lungen-Ventilation. Bei dieser Beatmungstechnik bei Operatio-
nen im Brustraum wird nur ein Lungenflügel beatmet. Der andere
Lungenflügel, an dem operiert wird, kollabiert und ist so für den
Chirurgen besser zugänglich. „Wir wenden diese Technik bei fast
jedem Eingriff an, in anderen Anästhesieabteilungen kommt sie
hingegen nur selten zum Einsatz“, so Schmidt. Zahlreiche Anäs-
thesisten aus ganz Deutschland und dem Ausland kommen jedes
Jahr in die Thoraxklinik, um sich mit dieser besonderen Anästhesie-
technik besser vertraut zu machen.
Tina Bergmann
Für die richtige Beatmung
braucht es Erfahrung
Anästhesiologie spezialisiert auf die Entwöhnung beatmeter Patienten
Die Abteilung Anästhesiologie und Intensivmedizin um Chefarzt PD
Dr. Werner Schmidt betreut gemeinsammit der Abteilung für Pneumo-
logie und Beatmungsmedizin Patienten, die von einer invasiven Beat-
mung entwöhnt werden müssen. Das Bild zeigt Pneumologie-Ober-
arzt Dr. Florian Bornitz und ein Patient mit einer Entwöhnungsmaske.