Seite 47 - Klinikticker Mai 2014

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MENScHEN IM KLINIKUM
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Lange OP-Tage, Bereitschaftsdienste und mögli-
cherweiseUnterbringung inVierer-Kabinen–alles
andere als ein erholsamer Urlaub. Was hat Sie
dazu bewogen, sich dieser Herausforderung zu
stellen?
Als ich das erste Mal von Mercy Ships gehört habe,
verbrachte ich Stunden auf deren Internetseiten. Ich
las alle Artikel, sah sämtliche Videos, die ich über
diese Arbeit fand und ich war total begeistert. Tief in
meinemHerzen wusste ich: Da möchte ich hin. Mercy
Ships ist fürmich gelebteNächstenliebe. NachAfrika
zu gehen, umMenschen zu dienen, die sich eine medi­
zinische Versorgung nicht leisten können, und das in
einem Krankenhaus mit westlichen Standards, fas­
zinierte mich. Im Nachhinein kann ich sagen, es war
für mich eine absolute Bereicherung und Horizonter­
weiterung.
Was nehmen Sie von Ihrem Einsatz mit bzw. was
war Ihre wichtigste Erfahrung?
Ich bin so dankbar für mein Leben hier in Deutsch­
land, wie gut es mir hier geht; für die Dinge, die für
mich so normal sind. Ich habe noch nie zuvor in mei­
nemLeben so viel Armut, Leid, Elend undNot gesehen.
Drei Fragen an Cornelia Quentel
Mehr als 20
Operationen begleitete
Anästhesistin
Cornelia Quentel
während ihres
zweiwöchigen
ehrenamtlichen
Einsatz auf dem
Hospital-Schiff.
Bildquelle: Mercy
Ships
Die Einrichtung der OPs entspricht modernen Stan­
dards, die Einarbeitungszeit für Cornelia Quentel war
daher kurz. „Am zweiten Tag bekam ichmeinen eigenen
Saal, wie in deutschen Krankenhäusern mit einem
erfahrenen Anästhesisten in Rufweite.“ Ihr Einsatz­
gebiet war allerdings ein anderes: In der Thoraxklinik
begleitet sie seit drei Jahren Lungenoperationen, an
Bord der Africa Mercy hatte sie es hauptsächlich mit
Eingriffen an Mund, Kiefer und Gesicht zu tun. „Ich
habe einiges Neues gelernt.“ Auch die ihr zugeteilte
Krankenschwester war von Haus aus keine Anästhesie­
schwester. „Wir habendas gemeinsamaber gut gemeistert
und eben alles doppelt gecheckt. Die Sicherheitsvor­
kehrungen an Bord sind wegen möglicher Verständi­
gungsschwierigkeiten ohnehin höher als in normalen
Krankenhäusern.“ Mehr als 20 Operationen begleitete
die Ärztin während ihres Einsatzes, Zeit für ausge­
dehnte Landausflüge gab es nicht.
Einer allein kann hier wenig ausrichten. Aber wenn
viele anpacken, ist Erstaunliches möglich. Und die
Zusammenarbeit der Crew ist phänomenal. So viele
Menschen, die sich von Gott nach Afrika führen las­
sen, umhier denÄrmsten der Armen zu dienen, ihnen
wieder neue Hoffnung zu geben, Heilung und Wieder­
herstellung zu bringen. Es ist beeindruckend zu
sehen, was geschieht, wenn viele Menschen ein Ziel
haben und sich diesem voll hingeben.
Wie geht es mit Ihnen undMercy Ships weiter?
Auf jeden Fall werde ich mich weiter für die Hilfsor­
ganisation engagieren, wie genau, kann ich jetzt noch
nicht sagen. Momentan beantworte ich Fragen von
Kollegen und Freunden, die sich für die Arbeit von
Mercy Ships und meine Erfahrungen auf der Africa
Mercy interessieren, und werde am 2. Juni 2014 im
Rahmen unserer ärztlichen Fortbildung einen Vor­
trag „AfricaMercy: Medizin (wo­)anders“ halten. Ich
kann mir auch weitere Arbeitseinsätze vorstellen,
dann aber länger als zwei Wochen. Ab 2017 wird übri­
gens noch ein zweites Schiff der Organisation vom
Stapel laufen, ausgelegt für mehr als 600 Besatzungs­
mitglieder. Dafür werden viele Freiwillige gebraucht.
Der Einsatz des freiwilligen Ärzte­ und Pflegeteams ist
umso beachtlicher, da alle trotz unendgeldlicher Arbeit
Reisekosten, Verpflegung und Unterbringung auf dem
Schiff aus eigener Tasche bezahlen. Auch das Bewer­
bungsverfahren erfordert einigen Aufwand: So sind u.a.
Referenzen von Arbeitgeber und Pfarrer nötig, ein Ein­
führungskurs in Holland mit Interview erhöhen die
Chancen. Doch die engagierte Christin ist sich sicher:
Diese Erfahrung ist die Mühe wert. 
–tb
Wer mehr wissen möchte:
www.mercyships.de
Am 2. Juni, 8.15 Uhr hält Cornelia Quentel in der
Thoraxklinik einen Vortrag über ihre Erfahrungen
Kontakt: cornelia.quentel@med.uni-heidelberg.de