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TITELTHEMA
Die „Advanced Heart Failure Unit“
für
Patienten mit Herzschwäche
Enge Zusammenarbeit der Kardiologie mit den Kliniken für Kardio-
chirurgie und Hämatologie/Onkologie sorgt für umfassende Betreuung
In modernen Industrienationen gilt Herzin-
suffizienz noch vor Krebserkrankungen als
eine der häufigsten Todesursachen. Allei-
ne in Deutschland verstarben im Jahr 2011
laut Angaben des Statistischen Bundes-
amtes rund 45.000 Menschen an dem le-
bensbedrohlichen Herzleiden. Um diesem
Trend entgegenzuwirken, werden Pati-
enten mit schwerer Herzschwäche am Kli-
nikum auf einer eigenen Station intensiv-
medizinisch versorgt. Die „Advanced Heart
Failure Unit“ (AHFU) in der Medizinischen
Klinik ist die erste Wachstation speziell für
die Betreuung von Patienten, die an einer
akuten Herzinsuffizienz leiden oder in Fol-
ge einer fortgeschrittenen Herzschwäche
auf ein Spenderorgan warten. Gemeinsam
mit der kardiologischen Intensiv- und
Wachstation setzt das Klinikum mit der
AHFU deutschlandweite Maßstäbe für die
Versorgung von Herzkranken.
Da die Advanced Heart Failure Unit aus-
schließlich Patienten mit einem ganz be-
stimmten Krankheitsbild versorgt, können
diese hochspezialisiert versorgt werden.
Fachärzte und -pfleger sind rund um die
Uhr im Schichtdienst auf der Station im
Einsatz. „Aktuell betreut eine Pflegekraft
vier Patienten“, erklärt Oberarzt und Stati-
onsleiter Dr. Philip Raake. „Dadurch sind
die Pflegenden sehr nah an den Erkrank-
ten und wir haben eine hohe Bindung zwi-
schen Fachpersonal und Patient.“ Von Dr.
Raake formulierte „Standard Operating
Procedures“ helfen als Handlungsanwei-
sungen Ärzten und Pflegenden dabei, je-
den Patienten einheitlich zu erfassen und
optimal zu therapieren.
Herzunterstützungssysteme
ersetzen die Herzfunktion
Zum Therapiekonzept der Advanced Heart
Failure Unit gehört neben dem Einsatz
von modernsten Herzunterstützungssy-
stemen wie Ballonpumpen und kleinen
Herz-Lungen-Maschinen, die bis zu 30
Tage lang die Pumpfunktion des Herzens
ersetzen können, vor allem die enge Zu-
sammenarbeit mit Spezialisten aus ande-
ren Bereichen des Klinikums. Für die Be-
treuung von jungen Erwachsenen mit
angeborenen Herzfehlern stehen den Ex-
perten Kinderkardiologen vom Zentrum
für Kinder- und Jugendmedizin zur Seite,
von denen die Patienten meist bereits im
Vorfeld über Jahre hinweg therapiert wur-
den. Sportmediziner und Physiotherapeuten beugen mit regel-
mäßigen Bewegungsübungen einem Muskelschwund durch lan-
ge Liegezeiten vor. Ernährungswissenschaftler erstellen speziell
abgestimmte Speisepläne. Da bei vielen Patienten die Herzin-
suffizienz mit Leber-, Nierenversagen und Depressionen einher-
geht, verstärken Psychologen, Psychosomatiker und Nephrolo-
gen regelmäßig das Team.
„Einzigartig ist vor allem unsere enge Kooperation mit der Abtei-
lung für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie in der Medi-
zinischen Klinik“, erklärt Dr. Raake. „Dadurch ist unser Klinikum
deutschlandweit das einzige Transplantationszentrum, das ge-
koppelt an eine Chemotherapie und eine Stammzelltransplantati-
on auch Patienten mit einer kardialen Amyloidose mit Spender-
herzen versorgt.“ Eine Amyloidose ist eine seltene Erkrankung,
bei der sich Eiweiße übermäßig in verschiedenen Geweben abla-
gern. Im Falle des Herzens führt dies zu einer Versteifung der Herz-
muskulatur und somit auf lange Sicht über eine verminderte
Pumpleistung zur schweren Herzschwäche.
Entgegen dem bundesweiten Trend:
Mehr Herz-Transplantationen als im Vorjahr
Um einen möglichst reibungslosen Übergang von der Herzinsuffi-
zienz-Station zur lebensrettenden Organtransplantation zu ge-
währleisten, stehen die Fachärzte der AHFU in ständigem Aus-
tausch mit der Klinik für Kardiochirurgie. In regelmäßigen
Transplantationskonferenzen kommen Kardiologen, Chirurgen
und Psychosomatiker zusammen, um über optimale Therapieme-
thoden für Patienten, die auf ein Spenderherz oder ein Kunstherz
angewiesen sind, zu beratschlagen. Gemeinsam legen die Exper-
ten fest, wer auf die Warteliste für ein neues Organ kommt und wer
unter Umständen so dringend ein neues Herz benötigt, dass er als
„High Urgency“-Patient gelistet werden muss. „Die Zusammenar-
beit mit der Herzchirurgie ist sehr freundschaftlich und ermöglicht
uns, schnell und unkompliziert jederzeit die beste Lösung für den
Patienten zu finden“, erklärt Dr. Raake.
Auf der AHFU werden inzwischen Schwerstkranke aus ganz Baden-
Württemberg, dem Saarland und aus Rheinland-Pfalz medizinisch
betreut. Seit ihrer Eröffnung im März 2012 hat die Station dazu
beigetragen, die Versorgung Herzkranker am Klinikum deutlich zu
verbessern. Während an anderen Zentren die Transplantationsra-
te im letzten Jahr aufgrund des rückläufigen Organangebotes um
rund 15 Prozent gesunken ist, konnten in Heidelberg sogar zwei
Patienten mehr als im Vorjahr ein neues Herz erhalten. „Zudem
haben wir den Eindruck, dass die Patienten durch unsere inten-
sive Betreuung und die regelmäßige Physiotherapie in einem
deutlich besseren Zustand transplantiert werden können als zu-
vor“, so Dr. Raake. Ob sich dieser Eindruck tatsächlich bestätigen
lässt, wollen der Kardiologe und seine Kollegen demnächst im
Rahmen einer großangelegten Registerstudie untersuchen. Hier-
bei sollen alle Patienten mit Herzinsuffizienz in den verschie-
denen Zentren Deutschlands systematisch erfasst werden.
Daniela Zeibig
Daten und Fakten
Stationen / Betten / Mitarbeiter:
Kardiologische Intensivstation: 14
Kardiologische Wachstation: 10
Advanced Heart Failure Unit: 8
Kardiochirurgische Intensivstation: 15
Kardiochirurgische Wachstation: 14
Station von Dusch
(Hämatologie/Onkologie): 22
Mitarbeiter Pflege gesamt: 220
Davon mit Fachweiterbildung: 83
Aus der Forschung
Hilft Sport bei HU-Patienten?
In der Vergangenheit konnten Studien bereits belegen, dass drei
Mal pro Woche Sport die Langzeitprognose von Patienten mit chro-
nischer Herzschwäche deutlich verbessert. Nun wollen Experten
aus Heidelberg unter Leitung von Dr. Philip Raake und PD Dr. Jürgen
Scharhag untersuchen, ob regelmäßige Physiotherapie sich auch
positiv für Patienten auf der „High Urgency“-Liste (HU) für eine Herz-
transplantation auswirkt. Auf der so genannten HU-Liste stehen die
Patienten, die besonders dringend auf ein Spenderherz angewie-
sen sind und damit in der Regel einen besonders schlechten Ge-
sundheitszustand aufweisen. Dank der guten interdisziplinären
Zusammenarbeit der AHFU mit Sportmedizinern und Physiothera-
peuten könnte dann auch für diese Patienten ein geeignetes Pro-
gramm aus Bewegungsübungen zum Standard werden.
Dr. Philip Raake führt bei einem Pa-
tienten mit Herzinsuffizienz eine
Ultraschalluntersuchung durch.
Herztransplantation im kardiochirurgischen OP: Wäh-
rend an anderen Zentren die Transplantationsrate im
letzten Jahr aufgrund des rückläufigen Organange-
botes um rund 15 Prozent gesunken ist, konnten in
Heidelberg sogar zwei Patienten mehr als im Vorjahr
ein neues Herz erhalten.