Seite 30-31 - KlinikTicker Ausgabe1 M

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TITELTHEMA
sehr fokussiert und invasiv.
Gluth:
Auf der Intensivstation kann man in-
terdisziplinär arbeiten, sowohl gemeinsam
mit Anästhesisten als auch mit Spezialisten
aus anderen Fachrichtungen. Zudem be-
treut man ein breites Patientenspektrum.
Kraus:
Durch das Arbeiten auf der Intensiv-
station wird man professioneller, man
kann sich fachlich weiterbilden und weiter-
entwickeln und besitzt ein hohes Maß an
Eigenverantwortung. Zudem hat man die
Möglichkeit, nach einer Fachweiterbildung
auch noch ein Studium anzuschließen –
selbst wenn man nicht die schulischen Vo-
raussetzungen mitbringt.
Was würden Sie sich für die Zukunft in Ih-
rem Job wünschen?
Knapp:
Ein bisschen mehr Personal auf
pflegerischer Seite, ärztlich sind wir ei-
gentlich ganz gut besetzt. Und größere Pa-
tientenzimmer.
Kraus:
Ich würde mir wünschen, dass die
Leistungen, die Ärzte und Pfleger auch au-
ßerhalb ihrer Arbeitszeit für das Klinikum
erbringen, mehr gewürdigt werden. Es en-
gagieren sich beispielsweise viele Kolle-
gen in Arbeitsgruppen, um die Pflegequali-
tät stets weiter zu verbessern und
absolvieren in ihrer Freizeit viele Fortbil-
dungen, um ihr Fachwissen aufrecht zu er-
halten und neue Mitarbeiter gut einzuar-
beiten. Und für niemanden, der sich dort
in irgendeiner Art und Weise engagiert,
gibt es eine Honorierung. Das könnte man
eindeutig verbessern!
Das Interview führten Daniela Zeibig und
Christian Fick.
Welche persönlichen Extremsituationen
haben Sie schon bei Ihrer Arbeit auf der
Intensivstation erlebt?
Kraus:
Für mich sind Extremsituationen in
erster Linie Situationen, in denen Pati-
enten unerwartet oder unter ganz drama-
tischen Bedingungen versterben. Und ob-
wohl man es selbst noch nicht ganz
verarbeitet hat, muss man den Angehöri-
gen mitfühlend und professionell gegenü-
bertreten.
Gluth:
Besonders schlimm ist das bei Pati-
enten mit akuten Blutungen, bei jungen
Patienten mit schweren Unfällen, bei de-
nen man eigentlich davon ausging, dass
sie wieder genesen würden.
Knapp:
Ich denke bei Extremsituationen
auch an Situationen, in denen ich Angst
hatte, dass durch einen Fehler oder ein
Übersehen von mir ein Patient zu Schaden
kommt. Situationen, in denen ich wusste,
dass meine Maßnahme unbedingt funktio-
nieren muss, z.B. das rasche Platzieren
eines Katheters in eine Vene, damit der Pa-
tient nicht verblutet. Damit habe ich
manchmal auch noch länger zu kämpfen.
Kraus:
Das Problem kenne ich als Kranken-
schwester auch: Man hat immer im Hinter-
kopf, dass man keine Fehler machen darf!
Und trotzdem passieren sie, auch wenn
niemand mit Absicht etwas falsch macht.
Wie geht man auf Ihrer Station mit Feh-
lern um?
Knapp:
In unserem Team werden Fehler
sehr offen kommuniziert. Das liegt zum ei-
nen sicherlich daran, dass wir ein recht
kleines Team sind, auf der anderen Seite
werden wir aber auch jeden Tag wieder mit
unseren Fehlern konfrontiert. Wenn an
einem Tag etwas schief geht, dann betreut
man den Patienten am nächsten Tag weiter
und am übernächsten auch. Wenn ein Feh-
ler passiert ist, reflektieren wir im Team ge-
meinsam: Was ist passiert und warum, wie
kann man es in Zukunft besser machen?
Thema Ethik in der Intensivmedizin: Muss
man alles therapieren, was aus medizi-
nisch-technischer Sicht machbar ist?
Knapp:
Definitiv nicht, man muss nicht bei
jedem Patienten das volle Repertoire der
Intensivmedizin ausschöpfen. Vorerkran-
kungen und der mutmaßliche Patienten-
wille müssen stets berücksichtigt werden.
Die Therapie muss vor allem Sinn machen,
nur so kann man ethisch sinnvolle Medizin
machen und die Ressourcen der Station
bestmöglich einsetzten.
Gluth:
Eine Maximaltherapie würden wir
bei einem Patienten, der sich im Endstadi-
um einer schweren Erkrankung befindet
und seinen entsprechenden Willen durch
eine Patientenverfügung zu Ausdruck
bringt auch gar nicht mehr beginnen.
Wie würden Sie potentielle Mitarbeiter
für die Arbeit auf der Intensivstation be-
geistern?
Knapp:
Das Arbeiten auf einer Intensivsta-
tion ist abwechslungsreich, spannend,
stressig und herausfordernd. Außerdem
sieht man im Gegensatz zur Normalstation
schnell Behandlungserfolge. Wir arbeiten
Intensivmedizin und Ethik
Ist alles, was medizinisch-technisch machbar ist, auch wirklich im Sinne des Patienten? Wo liegen die Grenzen der Behandlung? Gerade
in der Intensivmedizin können Patienten oftmals nicht mehr nach ihren Wünschen, Wertvorstellungen und Ansichten befragt werden. In
solchen Situationen kommt einer ethischen Betrachtungsweise eine besondere Bedeutung zu. Dr. Beate Herrmann, Vorsitzende des
Ethik-Komitees, erklärt: „In der Intensivmedizin kommt es darauf an, dass medizinisch Machbare mit dem Wohl und den Wünschen des
Patienten in Einklang zu bringen. Gerade weil sich der Patient nicht mehr selbst äußern kann, ist es besonders wichtig, seinen mutmaß-
lichen Willen zu ermitteln, und auf dieser Grundlage zu einer tragfähigen Behandlungsentscheidung zu kommen.“ Auch wenn der Arzt
diese letztlich alleine treffen muss, unterstützt ihn das klinische Ethik-Komitee dabei. Nicht nur Ärzte, sondern alle Mitarbeiter des Kli-
nikums können sich an das Komitee wenden: Zu dessen Aufgaben gehören Ethik-Konsile auf Station, Begleitung der Visite, Entwicklung
von Leitlinien für den Umgang mit schwierigen Behandlungssituationen, Fortbildungen sowie Gesprächsmoderation in Konfliktfällen.
Neben der Vorsitzenden Dr. Beate Herrmann gehören insgesamt 20 Ärzte, Pflegende und Seelsorger aus verschiedenen Kliniken dem
Komitee an – darunter Mitarbeiter von Intensivstationen wie Dr. Jochen Meyburg (Kinderintensiv), Prof. Dr. Christoph Eisenbach oder
Fachkrankenschwester Lisa Stricker (beide Gastro-Intensiv).
Kontakt:
Klinisches Ethik-Komitee, Dr. Beate Herrmann, Tel.: 37922 , E-Mail: beate.herrmann@med.uni-heidelberg.de
Transplantationsmedizin in Heidelberg
Das Universitätsklinikum ist eines der traditionsreichsten deutschen Transplantations-
zentren. Seit der ersten Verpflanzung einer Niere im Jahr 1967 wurden in Heidelberg über
2.000 Nieren-, 1.500 Leber-, 500 Herz- und 80 Pankreastransplantationen durchgeführt.
Heute ist die Transplantation von Organen ein wichtiger Schwerpunkt in Heidelberg – so-
wohl in der Patientenversorgung als auch – gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät –
in der Forschung. Alle Patienten, die ein Organ erhalten, sind auf intensivmedizinische
Behandlung angewiesen – ob als Wartelisten-Patient z.B. auf der Gastro-Wach oder der
Advanced Heart Failure Unit oder vor und nach einer Transplantation auf einer der zahl-
reichen Intensivstationen der Chirurgie. Auch im Hinblick auf die optimale Vorbereitung
von Organspendern und Organen kommt der Intensivmedizin eine große Bedeutung zu.
Dr. Alexander Gluth, Klinik für Allgemein-, Viszeral-
und Transplantationschirurgie, Medizinstudium in
Heidelberg, am Klinikum seit 2012.
Nicole Kraus, Station IOPIS, am Klinikum seit 1999,
zuvor Pflegeausbildung in Saarbrücken, Fachkran-
kenschwester für Anästhesie und Intensivpflege
seit 2004, Praxisanleiterin seit 2006.
„Durch das Arbeiten auf
der Intensivstation wird
man professioneller.“
Nicole Kraus
„Besonders schlimm ist
es, wenn junge Patienten
versterben, bei denen
man eigentlich davon
ausging, dass sie wieder
genesen würden.“
Dr. Alexander Gluth