Seite 44-45 - KlinikTicker Ausgabe1 M

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AUS DER FORSCHUNG
Neues aus der
Forschung
Wie altern Stammzellen?
Arzneimittelstudien werden sicherer
Wechselwirkungen zwischen Medikamenten auch bei niedrigster Dosierung messbar
Welche Alterungsprozesse laufen in blutbildenden
Stammzellen und im Knochenmark ab? Welche Früh-
warnsignale weisen auf altersbedingte Erkrankungen
hin? Warum kommt es bei einigen Menschen im Alter
zu Knochenmarkserkrankungen und bei anderen
nicht? Diese Fragen untersucht der neue, internationa-
le Forschungsverbund „SyStemAge“, der von der Euro-
päischen Union im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm
fünf Jahre lang mit insgesamt sechs Millionen Euro ge-
fördert wird. Dr. Anne-Claude Gavin vom European Mo-
lecular Biology Laboratory (EMBL) und Professor Dr.
Anthony D. Ho, Ärztlicher Direktor der Abteilung Häma-
tologie, Onkologie, Rheumatologie, koordinieren die
elf beteiligten Arbeitsgruppen aus Deutschland, Eng-
land, Spanien, Japan und Russland.
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Bild: Menschliche Mesenchymale Stammzellen
aus dem Knochenmark – das Altern fängt bei
den Stammzellen an. Quelle: Werner Franke und
Anthony Ho, Universität Heidelberg.
Pharmakologen des Klinikums haben ei-
nen wichtigen Fortschritt für die Verbesse-
rung der Arzneimittelsicherheit erzielt: In
einer Arzneimittelstudie konnten sie erst-
mals zeigen, dass sich Wechselwirkungen
von Medikamenten mit Hilfe winziger Do-
sen im Nanogramm-Bereich nachweisen
lassen; wegen der geringen Dosierung ent-
falten die Medikamente jedoch keine Wir-
kung und Nebenwirkungen. Studien zu
Wechselwirkungen von Arzneikombinati-
onen können somit fast ohne Risiken und
Belastung für die Teilnehmer durchgeführt
werden – nicht nur wie bislang bei gesun-
den Probanden, sondern auch bei Pati-
enten (publiziert in „Clinical Pharmacology
& Therapeutics“).
„Viele chronisch kranke oder ältere Pati-
enten nehmen heute mehrere Arzneimittel
ein. Rund zwei Prozent aller Krankenhaus-
aufenthalte in Deutschland sind die Folge
von Wechselwirkungen zwischen den Me-
dikamenten“, sagt Professor Dr. Walter E.
Haefeli, Ärztlicher Direktor der Abteilung
Klinische Pharmakologie und Pharmako-
epidemiologie, in dessen Abteilung das
neue Verfahren des „Nano-Dosing“ entwi-
ckelt und getestet worden ist. „Viele Wech-
selwirkungen wären vermeidbar,
wenn sie bekannt wären und beach-
tet würden.“
In der Studie bekamen zwölf gesunde
Probanden gleichzeitig das Pilzmittel Keto-
konazol und das Schlafmittel Midazolam.
Dabei setzten die Forscher Dosen von
0,0000001 Gramm ein, die 30.000 Mal ge-
ringer waren als die zur Therapie verwen-
dete Menge. Möglich ist dies mit Hilfe von
empfindlichen Massenspektrometrie-Ge-
räten, die Arzneimittel bereits in einem
einzigen Tropfen Blut identifizieren kön-
nen. Vergleiche mit höheren Dosen
zeigten: Die Arzneimittel verhalten sich in
jeder Konzentration identisch. Bereits eine
minimale Konzentration im Körper reicht
daher aus, um das Ausmaß der Wechsel-
wirkung bei normaler Anwendung zuver-
lässig vorherzusagen.
TB/JB
Wechselwirkungen zwischen Medikamenten
zuverlässig und sicher nachweisen – ein Ziel
des neuen Verfahrens „Nano-Dosing“.
Grüner Tee kann
das Herz schützen
Gefährliche Eiweißablagerungen im
Herzen bei erblicher und altersbedingter
Amyloidose gestoppt
Diabetes: Protein schützt die Nieren
Bei Diabetikern ist natürlicher Schutzmechanismus vor Zuckerschäden blockiert,
Nierenversagen kann die Folge sein
Der tägliche Genuss von zwei Litern Grünen
Tee kann bei erblichen und altersbedingten
Formen der unheilbaren Erkrankung Amylo-
idose, bei der sich fehlgebildete Eiweiße
u.a. im Herzen ansammeln und schließlich
zum Herzversagen führen, weitere Herz-
schäden verhindern. Dafür sprechen die Er-
gebnisse einer Studie des Amyloidose-Zen-
trums mit 14 schwerkranken Patienten im
Alter zwischen 64 und 68 Jahren. Die Teil-
nehmer tranken ein Jahr lang täglich Tee
oder nahmen Kapseln mit Grüntee-Extrakt
ein. In dieser Zeit lagerte sich bei den Pati-
enten im Durchschnitt kein weiteres Eiweiß
im Herzen ab, vorhandene Ablagerungen
wurden in geringem Maße abgebaut.
Eine drastische Verringerung der Herz-
wanddicke mit deutlicher Verbesserung
der Herzfunktion, wie bislang von einzel-
nen Patienten berichtet, trat nicht auf.
Dies ist weltweit die erste klinische Stu-
die, die den Einfluss einer festgelegten
Menge Grünen Tees auf den Verlauf der
Erkrankung untersucht. Die Ergebnisse
der Wissenschaftler um Studienleiter Dr.
Arnt Kristen, Abteilung Kardiologie, Angi-
ologie und Pneumologie, sind im Fach-
journal „Clinical Research in Cardiology“
erschienen.
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Rund 40 Prozent aller Diabetiker entwickeln nach mehr als 20-jäh-
riger Krankheitsdauer schwere Nierenschäden, die mit der Zeit
zum Nierenversagen führen. Wissenschaftler um Professor Dr.
Nawroth, Direktor der Abteilung für Innere Medizin I und Klinische
Chemie, und aus Magdeburg haben nun entdeckt, dass ein kör-
pereigenes Protein im Tierversuch das Fortschreiten der Nierener-
krankung verlangsamt und sogar stoppt. Das Team klärte zudem
die molekularen Details dieser Schutzwirkung auf: Indem das so
genannte Protein C die Erbinformation der Nierenzellen an be-
stimmten Stellen chemisch verändert, unterbricht es eine Reakti-
onskette, die zur Anreicherung von Zellgiften, sogenannten Sauer-
stoff-Radikalen, führen würde. Entstehen weniger Radikale,
bleiben die Nierenzellen länger gesund. Bei Diabetikern ist dieser
Mechanismus nur eingeschränkt aktiv (publiziert in Proceedings
of the National Academy of Sciences USA, „PNAS“).
Als Medikament eignet sich das Protein in dieser Form trotzdem
nicht, es kann starke Nebenwirkungen verursachen. „Unsere Er-
gebnisse beweisen aber, dass dieser Reaktionsweg sich als An-
satzpunkt neuer Therapien eigenen könnte“, so Fabian Bock, Erst-
autor der Studie und Doktorand der Medizinischen Fakultät
Heidelberg.
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Grüner Tee enthält Epigallocatechingallat (EGCG), ein möglicher Wirkstoff-Kandidat gegen
Amyloidose: Im Reagenzglas oder bei Tierversuchen verhindert EGCG, dass sich fehlgebil-
dete Eiweiße zu Amyloid zusammenlagern, und kann Eiweißklumpen sogar wieder auflö-
sen. Heidelberger Kardiologen untersuchten nun erstmals in einer klinischen Studie den
Einfluss Grünen Tees auf den Verlauf der Erkrankung.