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KLINIKUM AKTUELL
Virtueller Seziertisch verhilft
MedizinstudentenzumDurchblick
Dreidimensionales Modell ergänzt den Anatomiekurs
Wo liegen Herz, Leber und Lunge? Und wie verlaufen Arterien und
Venen? Eine Gruppe von Medizinstudenten hat sich um einen Se-
ziertisch versammelt – kein herkömmlicher Tisch mit einer echten
Leiche, sondern ein neues virtuelles Modell. Der Bildschirm zeigt
dreidimensional und in Lebensgröße Knochen, Organe, Blutge-
fäße und Nervenfasern. Mit einer Handbewegung lässt sich die
virtuelle Leiche drehen oder an beliebiger Stelle schneiden.
Zwei dieser neuen Seziertische kommen jetzt am Anatomischen
Institut zum Einsatz und ergänzen die herkömmlichen Präparier-
kurse. Die Studenten können die verschiedenen Organe isoliert
oder mit anderen Strukturen zusammen betrachten. Eine umlau-
fende Kamera am Rand des Tischs registriert Bewegungen an der
Oberfläche: Per Fingerzeig vergrößern die Studenten bestimmte
Organe, fertigen Quer- und Längsschnitte an oder entfernen Ge-
webeschichten. Parallel zum Präparieren der Leichen erhalten sie
am horizontalen Bildschirm einen hervorragenden Überblick von
Organen, Blutgefäßen und Nervenfasern.
Per Fingerzeig vergrößern die Studenten
Organe oder entfernen Gewebeschichten
Wie entstehen die Bilder auf dem Tisch? Es können verschiedene
Darstellungsformen nach Bedarf kombiniert werden: Reale
Schnittbilder, Röntgen-Aufnahmen und Bilder von Computer- oder
Magnetresonanz-Tomographie. Auch exakte Zeichnungen von
Strukturen, die sich mit bildgebenden Verfahren schlecht darstel-
len lassen, wie zum Beispiel das Nerven- und Gefäßsystem, kom-
men zum Einsatz. „Die Studierenden wechseln zwischen den ver-
schiedenen Darstellungsmöglichkeiten, kombinieren sie und
erhalten so einen guten Überblick“, erklärt Sara Doll, präparati-
onstechnische Assistentin der Fachrichtung Medizin, die den Kurs
betreut. Sarah Doll überspielt die Daten der 3D-Computertomo-
graphie von Körperspendern, die im Kurs seziert werden, auf den
virtuellen Seziertisch. „Ich zeige anhand der 3D-Aufnahmen mei-
ner Demonstrations-Leiche, worauf es bei der realen Präparation
am Nachbartisch ankommt“, erklärt sie. „Die Studierenden kön-
nen direkt zwischen CT-Aufnahmen und Situation im Körper ver-
gleichen, das prägt sich besonders gut ein. Außerdem macht die
Virtuelle Präparation sie schon in der Vorklinik mit der radiolo-
gischen Bildgebung vertraut.“
TB /sm
Bedienung per Fingerzeig: Am virtuellen Seziertisch
können die Studenten Strukturen beliebig vergrößern,
schneiden und von allen Seiten betrachten.
Vor 40 Jahren war es eine Pionierleistung
in der deutschen Hochschul- und Informa-
tiklandschaft: Die Universität Heidelberg
und die Hochschule Heilbronn gründeten
1972 gemeinsam den ersten Diplom-Studi-
engang Medizinische Informatik – eine
Verbindung zwischen medizinischem und
informatischem Wissen sowie zwischen
universitärer Lehre und praxisnaher Aus-
bildung, die sich bewährt hat. Ob Genchip,
elektronische Patientenakte, digitale Rönt-
genbilder oder computergestützte Be-
strahlungsplanung: Mehr als 1.600 Absol-
venten sind seither beteiligt an der
Entwicklung und Implementierung neues-
ter Methoden und Software für die Infor-
mationsverarbeitung, ohne die medizi-
nischer Fortschritt undenkbar wäre. Sie
arbeiten zusammen mit Ärzten, Pfle-
genden und Patienten, Forschern und In-
dustrieunternehmen, Krankenkassen und
weiteren Akteuren des Gesundheitswe-
sens. Bereits im Januar feierten die Hoch-
schule Heilbronn und die Medizinische
Fakultät Heidelberg das Jubiläum mit Fest-
veranstaltung und Symposium.
Aus dem ehemaligen Diplomstudiengang
wurde in den letzten Jahren ein Bachelorstu-
diengang mit ca. 35 Plätzen pro Semester
und ein Masterstudiengang mit 15 Plätzen
entwickelt. Medizin und Medizininformatik
werden in Heidelberg gelehrt, technische Fä-
cher in Heilbronn. Die Studierenden profitie-
ren dabei von einemuniversitären Abschluss
und gleichzeitig engem Praxisbezug sowie
vielfältigen Kooperationen mit internationa-
len Unternehmen, Forschungseinrichtungen
und Universitäten.
Große Nachfrage nach
umfassend ausgebildeten
Medizininformatikern
Zum Wintersemester 1972/73 starteten 22
Studierende im neuen Studiengang. Wäh-
rend sich diagnostische und therapeu-
tische Möglichkeiten rasant entwickelten,
steckte die Informationstechnologie da-
mals in den Kinderschuhen. So wurden
z.B. Patientendaten noch maschinell auf
Lochkarten untergebracht. Dementspre-
chend groß war der Bedarf an speziell aus-
gebildeten Medizininformatikern. Und
auch heute ist die Nachfrage nach diesen
Fachleuten ungebrochen.
„Nur Experten, die sowohl die Methoden
der Informatik als auch dieWelt der Medizin
verstehen, können Informationstechnolo-
gien entwickeln, die diesen Fortschritt un-
terstützen“, erklärt Professor Dr. Meinhard
Kieser, Geschäftsführender Direktor des für
die Studiengänge verantwortlichen Instituts
für Medizinische Biometrie und Informatik
der Universität Heidelberg. „Die ideale Ver-
bindung aus Universität und Hochschule
macht unsere Absolventen so interessant
für Arbeitgeber aus allen Bereichen des Ge-
sundheitssystems, auch auf internationaler
Ebene“, sagt Prof. Dr. Martin Haag, Dekan
der Fakultät für Informatik und Heilbronner
Leiter der Studiengänge.
Inzwischen sind ähnliche Studiengänge an
anderen Standorten entstanden, häufig un-
ter maßgeblicher Beteiligung von Absol-
venten des erfolgreichen Kooperationsstu-
diengangs. Auch die international gültigen
Ausbildungsempfehlungen des Weltver-
bands IMIA (International Medical Informa-
tics Association) beruhen in wesentlichen
Teilen auf der baden-württembergischen
Expertise.
JB
Von der Lochkarte zum Genchip
40 Jahre Studiengang Medizinische Informatik der Medizinischen
Fakultät Heidelberg und der Hochschule Heilbronn
Von Baden-Württemberg in die Welt
Die Berufsmöglichkeiten für Medizininformatiker sind vielfältig. So ist Professor Dr. Sabi-
ne Koch, Absolventin von 1993, inzwischen Inhaberin des ersten Lehrstuhls für Gesund-
heitsinformatik am Karolinska Institut in Schweden und verantwortlich für das Globale
Masterprogramm des international renommierten Instituts. Dr. Gabriele Schubert-Fritsch-
le, Studentin der ersten Stunde, widmete ihre berufliche Laufbahn dem Aufbau und der
Weiterentwicklung elektronischer Krebsregister – ein Forschungsfeld, das sie bis heute an
der Ludwig-Maximilians-Universität München begleitet. Und Wolfram Schulze, der
seine Diplom-Arbeit 2008 an einem Lehrkrankenhaus der Taipei Medical University
in Taiwan absolvierte, war unter anderem an Entwicklungsarbeiten für das Heidel-
berger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT, einer weltweit einzigartigen Therapieanla-
ge zur Behandlung von Tumoren, beteiligt.
Medizinische Informatik in klinischer Praxis und
Forschung: Mit der „General Movements Analy-
se“ lassen sich spontane Bewegungsmuster von
Säuglingen beurteilen und damit Entwicklungs-
störungen frühzeitig erkennen und behandeln.