Seite 34-35 - Klinik Ticker Ausgabe 02 Mai

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FORSCHUNG
Das Klinikum ist führend in Europa im Be-
reich klinischer Studien bei Hirntumoren.
Dies zeigt die neue Rangliste der Europä-
ischen Organisation für die Erforschung
und Behandlung von Krebserkrankungen
(EORTC), Brüssel, in der Heidelberg erst-
mals den Spitzenplatz bei den europä-
ischen Hirntumorzentren belegt. Erstmals
ist das Klinikum in der EORTC-Rangliste der
europäischen Krebszentren zudem unter
den Top 10 (Platz 9) von insgesamt 330 In-
stitutionen – nicht zuletzt aufgrund der
Spitzenstellung
seiner
neuroonkolo-
gischen Patientenversorgung.
Temozolomid wirkt auch
bei älteren Patienten
„Am Klinikum laufen derzeit 20 klinische
Studien, in denen neue Therapien getestet
werden“, erklärt Professor Dr. Wolfgang
Wick, Leiter der EORTC Hirntumorgruppe
und Ärztlicher Direktor der Abteilung Neu-
roonkologie an Klinikum und Nationalem
Centrum für Tumorerkrankungen (NCT).
Eine der Studien – die bislang größte zur
Therapie von älteren Menschen mit bösar-
tigen Hirntumoren – wurde online in der
Fachzeitschrift „Lancet Oncology“ veröf-
fentlicht. Die Neuroonkologische Arbeits-
gemeinschaft (NOA) der Deutschen Krebs-
gesellschaft unter Leitung von Prof. Dr.
Wolfgang Wick und Prof. Dr. Michael Wel-
ler, Universitätsspital Zürich, zeigte, dass
Patienten über 65 Jahren, die an einem
Gliom leiden, von einer Chemotherapie
mit dem Wirkstoff Temozolomid profitie-
ren, ebenso wie jüngere Patienten mit die-
ser Erkrankung.
Gliome sind besonders bösartige Tumo-
ren. Nach Standardtherapie beträgt die
Überlebenszeit im Mittel nur etwa ein Jahr,
kann aber im Einzelfall auch wesentlich
höher liegen. Fast 50 Prozent der Patienten
sind älter als 65 Jahre alt. In der Vergan-
genheit waren sie meist von klinischen
Studien ausgeschlossen worden, da man
sich wenig Erfolg von einer intensivierten
Therapie versprach und schwere Neben-
wirkungen befürchtete.
AT
Hirntumoren: Neuroonkologie führend in
klinischen Studien
Bestimmte Bakterien können mit Hilfe einer molekularen Tarn-
kappe Abwehrreaktionen des Immunsystems verhindern: Mini-
male Veränderungen an einzelnen Molekülen reichen aus, um
nicht als Eindringling erkannt und bekämpft zu werden. Diese
Ergebnisse von Wissenschaftlern des Klinikums und der Univer-
sität Mainz wurden jetzt im Journal of Experimental Medicine ver-
öffentlicht. Nun wollen die Forscher klären, wie diese Tarnkap-
pen funktionieren und ob sie eine Rolle bei Infektionen spielen.
Immunzellen, die sogenannten Fresszellen, tragen an ihrer Ober-
fläche und in ihrem Innern bestimmte Strukturen, die Toll-like-
Rezeptoren (TLR), mit deren Hilfe sie potentielle Krankheitserre-
ger wie Bakterien und Viren als körperfremd identifizieren:
Verfangen sich Teile der Bakterien- oder Viren-Erbinformation
sowie verwandter Moleküle (Nukleinsäuren) an diesen Rezep-
toren, lösen sie eine Signalkette aus, die das Immunsystem in
Alarmbereitschaft versetzt.
Forschungskooperation mit der
Universität Mainz
In der publizierten Arbeit befassten sich die beiden Wissenschaft-
lerteams um Professor Dr. Alexander Dalpke vom Department für
Infektiologie und Professor Dr. Mark Helm vom Institut für Pharma-
zie und Biochemie der Universität Mainz mit dem TLR-7, der bis
dato als Detektor für virale Nukleinsäuren galt. Dabei fanden sie
nicht nur heraus, dass TLR-7 auch bakterielle Nukleinsäuren – be-
stimmte Transportmoleküle für die Eiweißbildung, sogenannte
Transfer-RNAs – erkennt, sondern auch, dass sich einige Bakte-
rien mit einem Trick dieser Erkennung entziehen können.
Gleichartige Beobachtungen wurden zeitgleich auch von der Ar-
beitsgruppe um Professor Dr. Stefan Bauer an der Universität Mar-
burg gemacht. Aktuell erforschen die Teams aus Heidelberg und
Mainz, wie genau die Tarnkappe die Immunzellen stumm schaltet
und welche weiteren Bakterienarten die Fähigkeit besitzen, ihre
Transfer-RNA zu tarnen.
TB
Bakterien täuschen Immunsystem
mit Tarnkappe
Aktivierte Fresszellen (Makrophagen) nach der
Erkennung von Krankheitserregern unter dem
Lichtmikroskop. Foto: AG Prof. Dalpke
Jeder Fünfte leidet einmal im Leben unter
mindestens sechs Wochen anhaltendem
Juckreiz. Zu diesem Ergebnis ist eine reprä-
sentative Umfrage mit 2.540 Teilnehmern
im Rhein-Neckar-Kreis gekommen, die von
der Abteilung für Klinische Sozialmedizin
am Klinikum durchgeführt wurde. Sie ist in
der renommierten dermatologischen Zeit-
schrift „Acta Dermato-Venerologica“ er-
schienen.
Die Studie liefert die weltweit ersten Daten
zur Häufigkeit des chronischen Juckreiz in
der Bevölkerung. „Chronischer Juckreiz ist
in der Allgemeinbevölkerung weiter ver-
breitet als bislang abgenommen wurde“,
erklärt Studienleiterin Professor Dr. Elke
Weisshaar.
In vielen Fällen liegen
mehrere Ursachen vor
Chronischer Juckreiz, der mindestens
sechs Wochen andauert, ist das häufigste
Symptom von Hautkrankheiten wie Neu-
rodermitis oder Schuppenflechte, kommt
aber auch bei Lebererkrankungen, Nie-
renerkrankungen oder verschiedenen
neurologischen oder psychischen Erkran-
kungen vor. Weitere Auslöser können Me-
dikamente sein, die gerade bei älteren
Menschen eine große Rolle spielen. In
vielen Fällen liegen mehrere Ursachen
oder Kofaktoren wie z. B. trockene Haut
vor. Daher ist eine gründliche Abklärung
sehr wichtig. Bei rund 30 Prozent der Pati-
enten bleibt die Ursache ungeklärt.
Noch fehlen spezifische Medikamente,
die zuverlässig und langfristig eine anhal-
tende Bekämpfung und Linderung des
chronischen
Juckreizes
verschaffen.
Umso wichtiger ist es daher, Auftreten,
Merkmale und Begleitumstände genau zu
analysieren, um Hinweise auf mögliche
Auslöser und Behandlungsmöglichkeiten
zu erhalten.
TB
Jeden Fünften quält einmal im Leben Juckreiz
Männer, die an einer manisch-
depressiven Erkrankung leiden,
weisen besonders häufig eine be-
stimmte Veränderung im Erbgut
auf, betroffene Frauen nicht. Dies
haben Wissenschaftler um Privat-
dozentin Dr. Beate Niesler, Insti-
tut für Humangenetik, und Dr.
Christian Hammer, jetzt Max-Planck-Institut für Experimentelle
Medizin in Göttingen, erstmals an einer großen Studiengruppe mit
rund 1.800 Patienten und 2.400 gesunden Vergleichspersonen
festgestellt. Bei Männern mit dieser Genvariante ist das Erkran-
kungsrisiko um etwa 30 Prozent erhöht.
Der Fehler im Erbgut führt dazu, dass sich die Funktion des so ge-
nannten Serotoninrezeptors Typ 3 ändert. Das beeinflusst die Wei-
terleitung von Signalen im Gehirn und damit die emotionale Verar-
beitung von Reizen. „Die Veränderung könnte eine Ursache für die
Angststörungen sein, die bei Patienten mit manischer Depression
eine große Rolle spielen“, erklärt Dr. Niesler. Warum die Abwei-
chungen nur bei männlichen Patienten zu finden waren, ist bisher
unklar. Männer und Frauen erkranken etwa gleich häufig an ma-
nisch-depressiven Erkrankungen.
Warum wirken Medikamente bei manchen
Patienten und bei anderen nicht?
Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, warum Medikamente,
die den Rezeptor blockieren und zur Behandlung von Angststö-
rungen und Depression eingesetzt werden, bei manchen Pati-
enten wirken und bei anderen nicht. „Unsere Ergebnisse sind
wichtig für weitere klinische Studien, um zu verstehen, warum
das so ist“, erklärt Dr. Niesler. Die europaweite Studie unter Hei-
delberger Federführung wurde in der Fachzeitschrift „Translatio-
nal Psychiatry“ veröffentlicht.
JB
„Der kleine Unterschied“
bei manischer Depression