Seite 26 - Klinikticker 3 2013

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Personalien
Wer geht
DOLMETSCHER DER GEFÜHLE
Professor Dr. Rolf Verres ging in den künstlerisch
aktiven Ruhestand
Kunst und Gefühle gehören ebenso zur Medizin wie
Naturwissenschaften und chirurgisches Handwerk.
Mit einem eindringlichen Bekenntnis zur Mehrdimen-
sionalität der Heilkunde hat sich Professor Dr. Rolf
Verres nach 22 Jahren als Ärztlicher Direktor der
Abteilung Medizinische Psychologie verabschiedet.
Ende September wurde der Arzt und Psychologe mit
dem Symposium „Ästhetik und Medizin – Die Kunst,
Übergänge zu gestalten“ und der Verleihung der Fakul-
tätsmedaille geehrt.
Die Medizinische Psychologie ist eine vergleichsweise
junge Disziplin: Seit 1970 werden Medizinstudenten in
den vorklinischen Semestern auf die psychosozialen
Aspekte ihrer späteren ärztlichen Tätigkeit vorbereitet.
In seiner Abschiedsvorlesung nannte Rolf Verres „Dol-
metschen“ als wichtige Aufgabe seiner Profession, die
sichmit der Sprache derGefühle befasse, für die es leider
in der von Leistungsdenken und Ökonomie geprägten
Universitätsmedizin wenig Raum gebe.
Als Arzt für Psychosomatik und als Psychologe war
Rolf Verres einPionier seines Faches und daran beteiligt,
die Medizinische Psychologie imMedizinstudium dau-
erhaft zu etablieren. Nach Studium und Weiterbildung
in Münster, Stanford, USA und Heidelberg übernahm
Verres 1987 eine Professur inHamburg. Dort entstanden
grundlegende Arbeiten zur Psychoonkologie wie „Krebs
und Psyche“, die mit demMythos der psychisch beding-
ten Krebserkrankung wissenschaftlich aufräumten,
aber sehr wohl auf die vielfältigen psychischen Aspekte
hinwiesen.
Auf demLehrstuhl inHeidelberg, ab 1991, kamenweitere
Themen hinzu: Welche psychischen Aspekte spielen
bei Kinderlosigkeit eine Rolle? Was charakterisiert
Menschen, die eine Nierenlebendspende ermöglichen
oder annehmen? Die Jahre in Heidelberg widmete Rolf
Verres zudem der Musiktherapie und der Prävention
von Drogenmissbrauch. Im Sonderforschungsbereich
„Ritualdynamik“ befasste er sich mit der Bedeutung
von Ritualen für die psychische Gesundheit. Über­
geordnetes Thema seiner Forschung war immer: die
Lebenskunst.
Die enge Zusammenarbeit mit den Geisteswissenschaften und die Ausein-
andersetzung mit fremden Kulturen kamen seinen künstlerischen Nei-
gungen entgegen. Denn Rolf Verres ist seit vielen Jahren ein passionierter
Pianist und Fotograf, der seiner Wahl-Heimat Heidelberg ungewöhnliche
kulturelle Ereignisse jenseits des Mainstreams bescherte. „Mit der Wissen­
schaft hat es nun ein Ende“, so der Emeritus; Kunst, Musik und Fotografie
aber bleiben.
Das Institut für Medizinische Psychologie wird von Professor Dr. Jochen
Schweitzer-Rothers kommissarisch geleitet, bis die Berufung eines neuen
Direktors abgeschlossen ist.