ARMED Fragen und…

ARMED steht für „Augmented Reality assisted, forensic Medical Evidence collection and Documentation“. ARMED erlaubt mithilfe der Telemedizin und gemeinsam mit Partnerkliniken eine zeitnahe rechtsmedizinische Untersuchung von Betroffenen von Gewalt auch in derzeit unterversorgten Regionen.

Eine ARMED-Untersuchung ermöglicht eine fachgerechte und vollständige rechtsmedizinische Befunderhebung, Dokumentation und Spurensicherung nach gewaltsamen Ereignissen. Die Telemedizin ermöglicht es den Partnerkliniken hierbei, jederzeit Expert:innen der Rechtsmedizin einzubeziehen und macht somit forensisches Fachwissen verfügbar, wo keine ausreichende Versorgung durch rechtsmedizinische Institute oder entsprechende Fachärztinnen und -ärzte für Rechtsmedizin vorhanden ist. Die Zusammenarbeit kann Ärztinnen und Ärzte in diesem sehr schwierigen Thema entlasten sowie für eine verbesserte Befund- und Beweissicherung sorgen. Gewaltbetroffenen wird dadurch die Möglichkeit gegeben, auf Grundlage objektiver Befunde und nach einer rechtsmedizinischen Einschätzung Entscheidungen beispielsweise hinsichtlich einer Anzeige zu treffen und weiterführende Angebote z.B. der Opferhilfe oder Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.

ARMED steht seit Juni 2023 bei unseren Partner:innen in der Oberschwabenklinik Ravensburg (Klinik für Kinder und Jugendliche) und den SLK Kliniken in Heilbronn (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) zur Verfügung. Dies fördert zum einen die flächendeckende fachkompetente und frühzeitige forensische Versorgung gewaltbetroffener Kinder in Baden-Württemberg. Zum anderen trägt es zu einem Wissens-Transfer in die Partnerkliniken sowie zu einer Sensibilisierung für das Thema Gewalt an Kindern bei. Künftig soll ARMED auch nach körperlicher oder sexueller Gewalt gegen erwachsene Personen eingesetzt werden.

Das Projekt ARMED wird im Auftrag des baden-württembergischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration durchgeführt und gemäß einem Beschluss des Landtages Baden-Württemberg aus Landesmitteln finanziert.

ARMED ermöglicht telemedizinische rechtsmedizinische Untersuchungen. Ärzt:innen in unseren Partnerkliniken haben die Möglichkeit, gemeinsam mit Rechtsmediziner:innen am Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin Heidelberg synchrone Untersuchungen von potenziellen Gewaltopfern durchzuführen und Befunde sowie Spuren in Echtzeit zu dokumentieren. Am Ende der Untersuchung steht eine rechtsmedizinische Diagnose, ob und welche Art und Schwere von Gewalt einer Person zugefügt wurde. Die Befunde und Diagnose stehen dann zum Beispiel für die Erstellung von Gutachten in Straf- oder Zivilverfahren zur Verfügung oder können Jugendämter bei der Entscheidung, welche Schutzmaßnahmen in einem Fall von Kindesmisshandlung oder -Missbrauch notwendig sind, unterstützen.

Im Rahmen von ARMED können derzeit Kinder und Jugendliche untersucht werden. Die Untersuchung kann als verfahrensunabhängige Spurensicherung nach Sozialgesetzbuch V – also ohne vorherige Involvierung der Polizei bzw. Anzeige – oder im Auftrag der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft durchgeführt werden. Auftraggeber:innen der Untersuchungen können dementsprechend Sorgeberechtigte, das Jugendamt, Ärztinnen und Ärzte aus dem klinischen oder niedergelassenen Bereich (bei vorliegender Einwilligung der Sorgeberechtigten, des Jugendamts oder Familiengerichtes) oder die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft in Fällen, in denen Anzeige erstattet wurde, sein. Jugendliche ab 14 Jahren können auch ohne Einwilligung ihrer Eltern bzw. Sorgeberechtigten untersucht werden. Eltern können ihr Kind zur Untersuchung begleiten.

Wenn eine Ärztin oder ein Arzt in einer Partnerklinik den Verdacht auf einen gewaltsamen Übergriff hat, nimmt er/sie telefonisch Kontakt mit der Gewaltambulanz am Institut für Rechtsmedizin Heidelberg auf. Ein Termin für die Untersuchung wird vereinbart, dieser kann je nach Dringlichkeit des Falles und Zeitpunkt des Vorfalls sehr zeitnah oder innerhalb der nächsten Stunden oder Tage vereinbart werden. Bei dem Termin erfolgt zunächst ein Aufklärungsgespräch. Danach wird den Betroffenen bzw. deren gesetzlicher Vertretung ein Einverständnisformular zur Untersuchung vorgelegt. Nach der Unterzeichnung des Dokuments wird, gemeinsam mit den zugeschalteten Rechtsmediziner:innen in Heidelberg, ein Anamnesegespräch durchgeführt, in welchem alle relevanten Informationen erhoben werden. Danach führen die Ärztinnen oder Ärzte der Partnerklinik die Untersuchung unter Anleitung der Rechtsmediziner:innen durch. Sie tragen dabei eine Datenbrille und übertragen die Befunde per Videostream und Ton. Dort können die Rechtsmediziner:innen die Untersuchung in Echtzeit verfolgen und sicherstellen, dass alle für eine rechtsmedizinische Diagnose und Klärung des Vorfalls erforderlichen Befunde und Beweise erhoben werden.

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Nach Abschluss der Befunderhebung erfolgt eine fachliche rechtsmedizinische Einschätzung durch die Rechtsmediziner:innen, die an die/den untersuchende/n Ärztin oder Arzt in der Partnerklinik weitergegeben wird. Auch wird das weitere Vorgehen besprochen, ob z.B. ergänzende diagnostische Maßnahmen wie bildgebende Verfahren oder Laboruntersuchungen erforderlich sind und wie es im konkreten Fall weitergehen soll, ob z.B. eine Meldung an das zuständige Jugendamt aus rechtsmedizinischer Sicht empfohlen wird.

In verfahrensunabhängigen Fällen kann die untersuchte Person (in der Regel ab dem 14. Lebensjahr) selbst festlegen, was mit den erhobenen Befunden und Beweisen geschieht. Sichergestellte Spuren werden bis zum vollendeten 18. Lebensjahr aufbewahrt und stehen für Auswertungen zur Verfügung.  

Die Ärzt:innen am Institut für Rechtsmedizin Heidelberg begleiten die Untersuchung in Echtzeit. Sie können aktiv in das Untersuchungsgeschehen eingreifen und die Ärzt:innen in den Partnerkliniken anleiten.

Bei ARMED tragen untersuchende Ärzt:innen während der Untersuchung Datenbrillen (aktuell RealWear Navigator 500), über die Ton und Bild an das Institut für Rechtsmedizin Heidelberg übertragen werden. Eine eigens für ARMED weiterentwickelte Software-Applikation (Sphere®) dient zur Verbindung der Datenbrille mit dem Institut in Heidelberg und ermöglicht die Mitverfolgung und Anleitung der Untersuchung durch Rechtsmediziner:innen.

Die Ärzt:innen in den Partnerkliniken tragen alle relevanten Daten in den sogenannten Portalserver ein. Dieser Server ist über eine SSL-Verbindung mit dem Rechtsmedizin-Server in Heidelberg verbunden, um eine Echtzeit-Datenübertragung zwischen Klinik- und Teleärzt:innen zu ermöglichen. Die Daten werden gesichert und nach Abschluss der Befunderhebung an das Institut für Rechtsmedizin Heidelberg in Heidelberg übermittelt. Die Speicherung erfolgt ausschließlich auf den gesicherten Systemen des Universitätsklinikums Heidelberg.

Das ARMED-Verfahren sichert die Qualität der rechtsmedizinischen Befunderhebung und Spurensicherung bei lebenden Gewaltopfern. Das System ermöglicht es Ärzt:innen anderer medizinischer Fächer, Untersuchungen entsprechend den forensischen Fachstandards durchzuführen, ohne dass die untersuchenden oder untersuchten Personen durch  komplizierte Geräte oder IT-Anwendungen behindert werden.

ARMED erfüllt die geltenden Vorgaben und Gesetze. Datenschutz und Patient:innenschutz werden während des gesamten Untersuchungsprozesses gewahrt.

 

Die Datenschutzrichtlinien des Universitätsklinikums Heidelberg finden Sie hier: