Heidelberg,
07
Oktober
2022
|
11:24
Europe/Amsterdam

Der Wolf im Schafspelz – Erfahrungen einer Brustkrebspatientin

Zusammenfassung

Nele Wieser war 29 Jahre als sie die Diagnose Brustkrebs erhielt. Ihre Arbeit als Logopädin an der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) musste sie erstmal pausieren, um die Behandlung beginnen zu können. Inzwischen hat sie  ihre Tätigkeit wieder aufgenommen  und teilt ihre persönlichen Erfahrungen mit anderen. Mit dem Ziel, anderen Betroffenen Mut zu machen und Ängste zu nehmen.  Denn niemand muss den Weg alleine gehen. Erfahren Sie mehr im Interview:

Liebe Frau Wieser, Sie teilen bewusst Ihre persönlichen Erfahrungen als Brustkrebspatientin mit Interessierten. Warum ist Ihnen das wichtig?

Krebs ist allgegenwärtig und bleibt doch meistens längere Zeit unsichtbar. Man trägt den Wolf im Schafspelz mit sich herum, ohne es zu merken. Verliert unter Umständen wertvolle Zeit, reagieren zu können. Als ich selbst erkrankte, fragte ich mich oft, warum mein Körper nicht früher Alarm geschlagen hat.  Kein Warnzeichen gesendet hat, das etwas nicht stimmt. Ganz und gar nicht stimmt.

Auf meiner Homepage diemitdemkrebstanzt.de und meinem Instagram Account: die.mit.dem.krebs.tanzt teile ich meine Erfahrungen. Zum einen, um wachzurütteln. „Krebs? Wird mich schon nicht treffen.“ Das dachte ich auch. Es passierte trotzdem. Ich möchte meine neue Energie nutzen, um besonders in diesem Bereich aktiv zu werden. Aufmerksam zu machen, wie wichtig regelmäßige Vorsorge ist. Dass der Gang zur Abklärung zügig erfolgen und nicht aufgeschoben werden sollte. Die Schäfchen wollen ins Trockene gebracht werden. Hierfür muss der Wolf möglichst früh enttarnt und in die Schranken gewiesen werden. Um ihn bestenfalls für immer zu vertreiben.

Zum anderen möchte ich Zuversicht und Halt geben. Krebs bringt die Welt ins Wanken, das Leben aus dem Gleichgewicht. Mit dem Bekanntwerden der Diagnose wissen viele nicht wo ihnen der Kopf steht. Anfangs herrscht seitens der Betroffenen und Angehörigen unfassbare Ungläubigkeit und Sorge. Zurecht.

Der Ausgang der Erkrankung bleibt lange ungewiss, umso wichtiger ist es mit Lebensmut den neuen Weg zu beschreiten. Komme was wolle. Hab Vertrauen in dich. Gib nicht auf.

Was hat Ihnen in der Zeit ab Diagnose und während der Therapie geholfen?

Meine berufliche klinische Tätigkeit nahm mir einen Teil der Unsicherheit. Ließ mich ungefähr abschätzen, was mich erwarten wird. Das gab mir Sicherheit und Struktur.

Ungewissheit ist trotzdem ein ständiger Begleiter. Die Gedanken kreisen, mal mehr mal weniger. Man ist in Sorge. Um das eigene Leben. Transparenz innerhalb des behandelnden Teams schafft wichtige Klarheit. Zeigt bisher Erreichtes auf und wo die weitere Reise hingehen wird. Schritt für Schritt, man orientiert sich am Istzustand. Gemeinsames Abwägen und Entscheidungen treffen, schafft hierfür die Basis. Ich habe nie den Glauben an mich verloren und meine Lebenslust als Antrieb genutzt. Meinen Weg zu gehen. Durchzuhalten. Für mich.

Nele Wieser, Brustkrebspatientin und Logopädin am UKHD

Ich habe nie den Glauben an mich verloren und meine Lebenslust als Antrieb genutzt. 
Meinen Weg zu gehen. Durchzuhalten. Für mich.

Nele Wieser, Brustkrebspatientin und Logopädin am UKHD

Emotionaler und bedingungsloser Rückhalt von Freunden und Familie war ein wichtiges weiteres Fundament für mich. In Phasen, in denen ich ins Wanken kam, wurde ich aufgefangen. Konnte Sorgen und Ängste offen teilen, um zurück zur inneren Stärke zu finden. Erhielt von ihnen Unterstützung und Geborgenheit. Dafür bin ich unendlich dankbar. Nicht alle haben dieses Glück, solch enormen Beistand an ihrer Seite zu wissen.

Als die.mit.dem.krebs.tanzt möchte ich Betroffenen, deren Angehörigen und Interessierten zur Seite stehen, informieren und eigene Erfahrungen teilen. Raum für Austausch bieten. Da sein. Niemand muss den Weg alleine gehen. Gemeinsamkeit macht stark.

Was hat sich für Sie durch die Erkrankung verändert? Hat sich Ihr Blick auf das Leben verändert?

Das Leben zieht so schnell an uns vorbei. Und wir, wir verlieren uns im Alltagsstress. Lassen uns von Problemen leiten. Machen uns Druck. Leistung erbringen zu müssen. Zu funktionieren. Und vergessen dabei auf uns zu achten. Schauen zu oft aufs Handy statt in die Natur. Ertragen keine Stille.

Denn dann kämen die Gedanken. Beschallen uns, wo wir auch sind. Kommen kaum zur Ruhe. Sind oft rastlos. Gehetzt.

So eine schwere Erkrankung lässt einen alles bisher Dagewesene überdenken. 
Man setzt Prioritäten neu. Schiebt Nichtigkeiten weg und ist dankbar: Dankbar schöne Momente erleben und die kleinen und großen Dinge des Alltags erfahren zu können, oder die Sonnenstrahlen auf dem Gesicht zu spüren. 

Man lernt, neue Gegebenheiten anzunehmen und zu akzeptieren. 
Hört in sich hinein, entschleunigt und kommt zur Ruhe. 
Besinnt sich auf das Wesentliche. 
Das Leben zu genießen. 
Wird von schönen Gedanken und Wärme geflutet. 
Erfüllt.

Klingt schön in der Theorie. 
Lass auch du daraus Praxis werden! 
Das ist gar nicht so schwer. 
Rücke dich in den Fokus. 
Tu was dir gut tut. 
Entscheide dich. 
Für dich.

Nele Wieser

So eine schwere Erkrankung lässt einen alles bisher Dagewesene überdenken. Man setzt Prioritäten neu. Schiebt Nichtigkeiten weg und ist dankbar: Dankbar schöne Momente erleben und die kleinen und großen Dinge des Alltags erfahren zu können. 

Nele Wieser

Beiträge zum Brustkrebsmonat Oktober

Themenbild_Brustkrebsmonat OktoberEine Tumorerkrankung erzeugt bei Patienten und Patientinnen aber auch Angehörigen häufig Angst und Sorgen. Zudem stellen sich viele Fragen, die Therapie, Bewältigung der Krankheit oder auch neue Forschungsansätze betreffen. Anlässlich des Brustkrebsmonats Oktober hat das UKHD Wissenswertes zum Thema auf einer Übersichtsseite zusammengestellt.

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