Heidelberg,
18
August
2023
|
08:35
Europe/Amsterdam

Neue Perspektiven für Behandlung akuter lymphatischer Leukämie bei Erwachsenen

Zusammenfassung

Forschende des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg haben an akuter lymphatischer Leukämie (ALL) erkrankte Erwachsene mit CAR T-Zellen der dritten Generation behandelt. Ihre Studie stellt eine hohe Wirksamkeit bei vergleichsweise schwachen Nebenwirkungen fest und eröffnet damit neue therapeutische Perspektiven für Patientinnen und Patienten mit ALL. / Pressemitteilung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg

Die akute lymphatische Leukämie ist bei erwachsenen Patientinnen und Patienten schwer zu behandeln und geht mit einer schlechten Prognose einher. Forschende des UKHD, des DKFZ und am NCT Heidelberg haben in einer Studie einen neuen Weg beschritten: Sie behandelten 13 erwachsene Patienten mit ALL, die auf die Standardbehandlung nicht angesprochen oder einen Rückfall der Erkrankung erlitten hatten (refraktär/rezidiviert; r/r ALL), mit CAR T-Zellen der dritten Generation. CAR steht für chimärer Antigenrezeptor.

CAR T-Zellen der dritten Generation enthalten zwei spezielle Komponenten (sogenannte kostimulatorische Domänen) innerhalb ihres CAR-Konstrukts, die in CAR T-Zellen der zweiten Generation nur einmal vorhanden sind. Präklinische und klinische Studien haben Hinweise darauf gegeben, dass CAR T-Zellen der dritten Generation eine höhere klinische Effizienz und Langlebigkeit besitzen. Bisher lagen allerdings nur wenige klinische Daten vor, die ausschließlich CAR T-Zellen der dritten Generation bewerteten.

Die Studie Heidelberg CAR Nummer 1 (HD-CAR-1) sollte hier neue Erkenntnisse liefern. In ihr wurden alle Behandlungsschritte, einschließlich der Trennung der weißen Blutkörperchen von den anderen Blutbestandteilen, der Herstellung und Verabreichung der CAR T-Zellen, der Patientenüberwachung sowie der Patientennachbeobachtung in Heidelberg durchgeführt.

Maria-Luisa Schubert, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des UKHD, ist Erstautorin der Publikation. Sie sagt: „Kommerziell verfügbare und zugelassene Produkte nutzen CAR T-Zellen der zweiten Generation. Unsere Studie zeichnet sich dadurch aus, dass wir erwachsene ALL-Patienten mit CAR T-Zellen der dritten Generation aus eigener Herstellung gemäß den qualitätssichernden Richtlinien der Good Manufacturing Practice behandeln.“ Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem DKFZ realisiert.

Die 13 Studienteilnehmer erhielten steigende Dosen von CAR T-Zellen, die gegen das B-Lymphozytenantigen CD19 gerichtet waren. 90 Tage nach der CAR-T-Zell-Behandlung war bei zehn Patienten ein Ansprechen festzustellen. Acht Patienten erreichten eine komplette Remission, ihre Erkrankung war mit Standardmethoden nicht mehr nachweisbar. Bei fünf Patienten war zudem die minimale Resterkrankung (minimal residual disease, MRD) nicht mehr nachweisbar. Nach einem Jahr Beobachtung waren mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer am Leben und das progressionsfreie Überleben (progression-free survival, PFS) betrug 38 Prozent.

Michael Schmitt, Leiter der Zell- und Immuntherapie an der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des UKHD, ist Studienleiter und Letztautor. Er sagt: „Die hohe Wirksamkeit der Behandlung mit CAR T-Zellen der dritten Generation ist ein sehr erfreuliches Ergebnis. Und dass wir nur vergleichsweise schwache Nebenwirkungen beobachtet haben, macht das Ergebnis umso wertvoller.“ Im Rahmen der Studie entwickelte kein Patient die gefürchteten neurologischen Symptome, die als Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom bekannt sind, oder ein höhergradiges Zytokinfreisetzungssyndrom.

Carsten Müller-Tidow, Ärztlicher Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des UKHD, Mitglied im erweiterten Direktorium des NCT Heidelberg sowie Sprecher des Vorstands des Comprehensive Cancer Centers, sagt: „Wir sind sehr froh, dass wir mit unserer Studie ein so vielversprechendes Ergebnis erreicht haben und damit neue Perspektiven für schwer an ALL erkrankte Patientinnen und Patienten eröffnen. Ich danke allen an der Studie Beteiligten für ihren Einsatz.“

Literatur

M.-L. Schubert, A. Schmitt, A. Hückelhoven-Krauss et al. Treatment of adult ALL patients with third-generation CD19-directed CAR T cells: results of a pivotal trial; Journal of Hematology & Oncology (2023) 16:79, https://doi.org/10.1186/s13045-023-01470-0

Kontakt

Prof. Dr. med. Carsten Müller-Tidow
Ärztlicher Direktor
Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie
Sprecher des Vorstands des Comprehensive Cancer Centers Heidelberg
Universitätsklinikum Heidelberg
Tel.: 06221 56-8001
E-Mail Sekretariat: Direktor.Med5@med.uni-heidelberg.de

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. Seit 2015 hat das NCT Heidelberg in Dresden einen Partnerstandort. In Heidelberg wurde 2017 das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) gegründet. Die Kinderonkologen am KiTZ arbeiten in gemeinsamen Strukturen mit dem NCT Heidelberg zusammen.

https://www.nct-heidelberg.de/

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