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Endometriose: Wenn die Zellen der Gebärmutterschleimhaut den Weg in den Bauchraum finden

Die Endometriose ist eine der häufigsten Unterleibserkrankungen von Frauen – dafür allerdings wenig bekannt. Ariane Germeyer, Professorin für Gynäkologie, leitet an der Frauenklinik des Heidelberger Universitätsklinikums nicht nur die Kinderwunschambulanz, sondern auch die Endometriose-Sprechstunde. Im Rahmen der Interviewreihe „Medizin am Abend“ erklärt sie, wie die Krankheit festgestellt wird, warum sie behandlungsbedürftig ist – und welche Möglichkeiten es dabei gibt.

Endometriose ist gefürchtet, weil sie die Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann. Ist das meistens der Grund, der Frauen mit dieser Krankheit zu Ihnen führt, Frau Professor Germeyer?

Es stimmt, dass ein hoher Prozentsatz der Frauen mit Kinderwunsch Endometriose hat, aber diese Frauen suchen meist gleich gezielt die Kinderwunsch-Ambulanz auf. Direkt in die Endometriose-Sprechstunde kommen Frauen meistens, weil sie Schmerzen während der Periode oder beim Geschlechtsverkehr haben. Oder sie haben Zysten und es geht um die Abklärung, ob eine Endometriose dahintersteckt.

Bei der Endometriose setzt sich Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter ab. Wie kommt es dazu?

Tatsächlich ist es so, dass Frauen während der Menstruation immer nach innen in den Bauchraum und über die Vagina nach außen bluten. Die Besonderheit bei Frauen mit Endometriose ist, dass das Blut nicht so gut abgebaut wird. Die Gebärmutterschleimhautzellen verbleiben im Bauchraum und können dort auch wachsen.

Dieses Gewebe ist gutartig. In welchen Fällen ist die Endometriose behandlungsbedürftig?

Bei der Endometriose handelt sich um eine fortschreitende Erkrankung, deshalb sollte man sie immer behandeln. Neben Schmerzen können Einwachsungen im Gewebe entstehen, die ihrerseits Probleme nach sich ziehen, etwa an Blase, Harnleiter oder am Darm. Als Behandlung bietet es sich zunächst an, die Periodenblutung hormonell zu unterdrücken, zum Beispiel mit einer Langzeitpille, mit einer Gelbkörperpille oder einer Hormonspirale. Das verhindert Schmerzen und bewirkt, dass keine weitere Gebärmutterschleimhaut in den Bauchraum austritt oder - falls das schon geschehen ist – deren Wachstum gehemmt wird.

Die Pille kann einem Kinderwunsch natürlich im Weg stehen. Gibt es in diesem Fall andere Therapien?

Nicht nur bei unerfülltem Kinderwunsch kann eine Operation Sinn machen. Dabei werden „Endometrioseherde“ meist über eine Bauchspiegelung mit Strom verödet. Dennoch kann Endometriose im Zeitverlauf wiederkommen. Wenn Zysten noch nie operiert wurden, kann auch das ein Argument für eine Operation sein. Allerdings sollte man nicht zu häufig am Eierstock operieren, um die Fruchtbarkeit nicht durch die Eingriffe zu beeinträchtigen.

Wie häufig klappt es damit doch noch mit dem Kinderkriegen?

Es steht zwar oft eine Endometriose hinter einem unerfüllten Kinderwunsch, und viele Frauen mit dieser Krankheit machen sich deshalb Sorgen. Aber viele Frauen mit Endometriose werden problemlos schwanger und haben eine komplikationslose Schwangerschaft. Wenn Frauen mit Kinderwunsch ansonsten gesund sind und das Spermiogramm des Mannes in Ordnung ist, raten wir deshalb dazu, es ein halbes Jahr zu probieren. Das macht natürlich keinen Sinn bei schweren Fällen oder wenn die Eileiter verschlossen sind. Das liegt in der Regel aber an Infektionskrankheiten wie Chlamydien und nicht an einer Endometriose. Letztlich ist die künstliche Befruchtung dann eine gute Möglichkeit.

Warum ist sie mit der Ultraschalluntersuchung, die zur routinemäßigen Vorsorge beim Frauenarzt zählt, nicht festzustellen?

Endometrioseherde an der Bauchwand sind sehr klein und deshalb mit Ultraschall nicht erkennbar. Der Ultraschall kann aber wichtige Hinweise geben, denn oft treten bei einer Endometriose Zysten auf, die ein besonderes Aussehen haben. Das ist im Ultraschall zu sehen. Allerdings hat nicht jede Frau mit Endometriose auch Zysten. Aus diesen Gründen schafft nur eine Operation Gewissheit über eine Endometriose.

Ist das die Bauchspiegelung?

Ja. Dabei wird eine kleine Kamera in den Bauchraum geführt, mit der Endometrioseherde und Verwachsungen zu erkennen sind. Es gibt eine Ausnahme, die Adenomyose, wobei Schleimhaut in die Muskulatur der Gebärmutter einwandert. Nur dieser Fall wird nicht operativ, sondern im Ultraschall diagnostiziert.

Endometriose ist eine der häufigsten Unterleibserkrankungen von Frauen. Wie häufig ist sie die Ursache von Regelbeschwerden?

Hierzu gibt es zwar Zahlen, aber ich glaube nicht, dass sie stimmen, weil die Endometriose so oft unentdeckt bleibt. Gemeinsam mit Heidelberger Psychologen suchen wir nach Biomarkern im Speichel. Uns interessiert, ob sich die Schmerzursache anhand von Botenstoffen im Speichel widerspiegelt. Wenn das so wäre, könnte man nicht nur diese Frage eindeutig beantworten, sondern auch die Bauchspiegelung zu diagnostischen Zwecken vermeiden.

Hat es sich denn mit den Wechseljahren mit den Beschwerden erledigt?

In den meisten Fällen verschwinden die Probleme mit den Wechseljahren. Nur Frauen mit ausgeprägten Verwachsungen haben in der Regel auch danach weiterhin Probleme. Aktuell hoffen wir auf neue Therapieoptionen für Frauen mit chronischen Schmerzen bei der Endometriose – dafür laufen erste Studien, die jedoch zuerst bei Frauen mit chronischen Schmerzen vor den Wechseljahren erprobt werden.

 

Das Interview führte Julia Lauer, RNZ

Prof. Ariane Germeyer
Leitende Oberärztin der Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen am UKHD