AG Perinatale Immunologie
Das Immunsystem des Neugeborenen wird postpartal vor große Heraufforderungen gestellt. Keime müssen zum einen abgewehrt werden (Infektionen), an andere jedoch muss sich das Immunsystem gewöhnen (Mikrobiota). Diese immunologisch einmalige Situation unterliegt einer komplexen Regulation. Das angeborene (innate) Immunsystem ist bis zur adäquaten Ausbildung des adaptiven Immunsystems essentiell. Vor allem Frühgeborene mit einem extrem unreifen Immunsystem haben große Schwierigkeiten sich mit den neuen Umwelteinflüssen auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund ist die Neugeborenensepsis unter Frühgeborenen auf neonatologischen Intensivstationen weiterhin die häufigste Todesursache. Von besonderer Bedeutung sind als „First Responder“ hierbei neutrophile Granulozyten. Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der zellulären perinatalen Adaptation des Immunsystems von Früh- und Neugeborenen, insbesondere der Rekrutierung von Leukozyten. Hierbei stehen die Vertiefung der physiologischen Regulation und immun-modulatorische Therapieansätze („bench to bedside“) im Vordergrund. Unsere Vision ist im Sinne der individualisierten Medizin eine Gestationsalter-spezifische Modulation der innaten Abwehr des Früh- und Neugeborenen.
Methoden
- Tiermodelle:
- Intravitalmikroskopie der Maus (Muskel, Darm, fetaler Dottersack) als Durchlicht oder Mehrkanalfloureszenzverfahren
- Mausentzündungsgmodelle: Cremastermodelle, LPS ALI, Thioglykollate induzierte Peritonitis, LPS induzierte Sepsis, LPS Amnionitis, Ovalbumininduziertes Asthma bronchiale - Sonstige Methoden:
- In-vitro/ex-vivo Mikroflusskammern
- Transmigrationsassays
- Standardmethodik wie: FACS (LSRII), PCR, RT-PCR, Western Blotting & Immunhistochemie
Forschungsprojekte
1. Der Einfluss des Darm-Mikrobioms auf die Leukozytenrekrutierung
Die Besiedlung des Darms mit seinem natürlichen Mikrobiom stellt eine erste immunologische Herausforderung für das Neugeborene dar. Eine Fehlbesiedlung (Dysbiose) ist mit entzündlichen Veränderungen assoziiert, eine regelrechte Darmbesiedlung (zum Beispiel durch spontane Geburt und Muttermilch) bewirkt hingegen eine Abnahme von pro-inflammatorischen Ereignissen in der Neonatalperiode wie Sepsis, Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) oder Bronchopulmonale Dysplasie (BPD). Das aktuelle Projekt definiert am fetalen Mausmodell inwieweit die pränatale, maternale Gabe von Probiotika das immunologische Outcome von Früh- und Neugeborenen verbessern kann. Dieses Projekt ist inhaltlich eng an die klinische Studie des PRIMAL-Konsortiums gekoppelt (https://primal-studie.de).
Funding: BMBF (01GL1746E)
Project Lead: Hannes Hudalla
2. Die Rolle von ER-Stress in der Leukozytenrekrutierung
In diesem Projekt wird anhand der fetalen Intravital-Mikroskopie die Rolle von ER-Stress in der LPS-induzierten Endotoxämie untersucht. Hauptaugenmerk ist hierbei die Rekrutierung von Neutrophilen und der pharmakologische Manipulation. Vorarbeiten konnten zeigen, dass ER-Stress eine wichtige regulatorische Zielgröße in der klinischen Sepsis darstellt. Aktuell werden chemische Chaperone, welche ER-Stress modulatorische Eigenschaften besitzen und für die klinische Anwendung am Patienten zugelassen sind, auf ihre möglichen immunmodulatorischen Eigenschaften überprüft.
Funding: DFG (277333310)
Project Lead: Maylis Braun
3. Arginin als Immunmodulator bei Früh- und Neugeborenen
Arginin ist eine Aminosäure und bildet im Körper NO – ein potenter Vasodilator und immunologischer Mediator über Second Messenger Pathways. Bei Geburt sind die Arginin-Spiegel im Blut von Frühgeborenen deutlich reduziert und fallen in der klinischen Sepsis weiter ab. In funktionellen Flusskammerexperimenten konnten wir einen Gestationsalter-abhängigen Einfluss von Arginin auf die Leukozytenrekrutierung zeigen. Aktuell wird die Supplementation von Arginin in der klinischen Sepsis anhand von humanen Blutproben und in präklinischen Tiermodellen erforscht.
Project Lead: Raphaela Tschada
4. Primäre Immun-Dysregulation in der Muskeldystrophie
Muskeldystrophie Duchenne (DMD) wird durch eine Mutation im Dystrophin kodierenden Gen verursacht. Neben einer strukturellen Schädigung des Muskels ist auch eine pro-inflammatorische Aktivierung bei DMD-Patienten bekannt. Betroffene Muskelgruppen zeigen eine deutliche Infiltration mit Leukozyten und Zytokine sowie Chemokine sind stark hochreguliert. Interessanterweise zeigen sich jedoch pro-inflammatorische Veränderungen lange bevor eine klinische Muskelschwäche eintritt. Wir konnten bereits zeigen, dass die Leukozytenrekrutierung in einem präklinischen Modell (mdx-Maus) durch Dystrophindefizienz stark gesteigert ist. Das aktuelle Forschungsvorhaben beschäftigt sich mit möglichen Dystrophin-abhängigen primären Immundefekten. Ziel ist eine mögliche neonatale Behandlung bei noch nicht symptomatischen DMD-Patienten.
Project Lead: Simon Kranig
Trainierte Immunität und Toleranzentwicklung im innaten Immunsystem - Rolle der Phosphoinositid-3-Kinase g
Vorarbeiten in Mikrogliazellen als langlebige residente immunkompetente Zellen des Zentralen Nerv Systems haben gezeigt, dass Immunzellen der angeborenen Immunabwehr in der Lage sind, Gedächtnis-ähnliche (adaptive) Reaktionen, d.h. trainierte Immunität bzw. Toleranz, auszuprägen. Diese Effekte werden durch unterschiedliche metabolische Veränderungen (Glykolyse vs. oxidative Phosphorylierung) vermittelt und maßgeblich durch PI3Kg reguliert. Das aktuelle Vorhaben untersucht Elemente adaptiver Immunität in der Rekrutierung und Aktivierung von Neutrophilen in Früh- und Neugeborenen. Ergebnisse sollen Angriffspunkte für perinatale Immunmodulation aufzeigen.
Project Lead: Trim Lajqi
Kooperationen
- Prof. Helen Christou, MD Harvard Medical School, Department of Pediatric Newborn Medicine at Brigham & Women's Hospital, USA
- Prof. Dr. med. Reinhard Baur Institut für Molekulare Zellbiologie, Universitätsklinikum Jena
- PD Dr. med. Ruben Kuon Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Universitätsklinikum Heidelberg
- Prof. Dr. med. David Frommhold (ehemaliger Leiter der AG) Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Memmingen
Mitarbeiter
Arbeitsgruppenleiter
Project Owner
Projektmanagement
-
cand. BSc Franziska Arzt
Studienkoordinatorin
Alumni
Prof. Dr. med. David Frommhold (AG-Leiter)
Dr. rer. nat. Katinka Karenberg (abgeschlossene Promotion)
Dr. rer. nat. Natascha Braach (abgeschlossene Promotion)
Melitta Weissinger (MTA)
Emina Witt (Praktikantin)
Ausgewählte Publikationen:
Hudalla, H., Karenberg, K., Kuon, R.-J., Pöschl, J., Tschada, R. and Frommhold, D. (2018).
LPS-induced maternal inflammation promotes fetal leukocyte recruitment and prenatal organ infiltration in mice. Pediatr Res 84, 757–764.
Hudalla, H., Michael, Z., Christodoulou, N., Willis, G. R., Fernandez-Gonzalez, A., Filatava, E. J., Dieffenbach, P., Fredenburgh, L. E., Stearman, R. S., Geraci, M. W., Kourembanas, S. and Christou, H. (2019).
Carbonic Anhydrase Inhibition Ameliorates Inflammation and Experimental Pulmonary Hypertension. Am J Respir Cell Mol Biol rcmb.2018–0232OC.
Karenberg, K., Hudalla, H. and Frommhold, D. (2016).
Leukocyte recruitment in preterm and term infants. Mol Cell Pediatr 3, 35.
Chen, S., Tisch, N., Kegel, M., Yerbes, R., Hermann, R., Hudalla, H., Zuliani, C., Gülcüler, G. S., Zwadlo, K., Engelhardt, von, J., de Almodóvar, C. R. and Martin-Villalba, A. (2017).
CNS Macrophages Control Neurovascular Development via CD95L. CellReports 19, 1378–1393.
Buschmann, K., Tschada, R., Metzger, M.-S., Braach, N., Kuss, N., Hudalla, H., Poeschl, J. and Frommhold, D. (2014).
RAGE controls leukocyte adhesion in preterm and term infants. BMC Immunol 15, 53.
Frommhold, D., Kamphues, A., Hepper, I., Pruenster, M., Lukic, I. K., Socher, I., Zablotskaya, V., Buschmann, K., Lange-Sperandio, B., Schymeinsky, J., Ryschich, E., Poeschl, J., Kupatt, C., Nawroth, P. P., Moser, M., Walzog, B., Bierhaus, A. and Sperandio, M. (2010).
RAGE and ICAM-1 cooperate in mediating leukocyte recruitment during acute inflammation in vivo. Blood 116, 841–849.
Lajqi, T., Stojiljkovic, M. and Wetzker, R. (2019).
Toxin-induced hormesis may restrain aging. Biogerontology.