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Diagnostische Möglichkeiten im forensischen Labor zur Erkennung des Alkoholmissbrauchs

Alkoholismus zählt zu den schwerwiegendsten Suchtkrankheiten unserer Gesellschaft, sowohl hinsichtlich seiner sozialen, ökonomischen als auch medizinischen Konsequenzen. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) gibt es in Deutschland etwa 1,6 Millionen Menschen, die als alkoholabhängig gelten.​ Bei der Diagnose einer Alkoholabhängigkeit gemäß ICD-10 oder DSM-5 können verschiedene direkte und indirekte Biomarker verwendet werden, um den Alkoholkonsum zu quantifizieren und die Diagnose zu unterstützen. 

  • Blutalkoholkonzentration (BAK): Die Menge an Ethanol im Blut, die den aktuellen Alkoholkonsum anzeigt. Allerdings wird Ethanol mit Abbauraten von 0,1 bis 0,2 Promille/Stunde vergleichsweise schnell abgebaut, sodass zumeist ein Nachweisfenster im ein- bis zweistelligen Stundenbereich angenommen werden kann.

Direkte Biomarker entstehen spezifisch durch den Konsum von Ethanol. Dadurch sind sie hochspezifisch für Alkoholkonsum und können selbst geringe Mengen von Alkohol nachweisen, was zu einer höheren Sensitivität führt.

  • Ethylglucuronid (EtG): Ein direktes, nichtoxidatives Stoffwechselprodukt von Ethanol, das im Blut, Urin und Haar nachgewiesen werden kann. EtG kann im Urin den Alkoholkonsum auch noch mehrere Tage nach dem Konsum anzeigen. Im Haar kann zudem eine Aussage zum Konsumverhalten über die letzten 3 Monate getroffen werden.
  • Ethylsulfat (EtS): Ein weiterer Metabolit von Ethanol, der in ähnlicher Weise wie EtG verwendet wird und eine ähnliche Nachweisfenster hat.
  • Phosphatidylethanol (PEth): Ein Phospholipid, das nur in Anwesenheit von Ethanol gebildet wird. PEth kann bis zu mehreren Wochen im Blut nachgewiesen werden und ist besonders nützlich für die Langzeitüberwachung des Alkoholkonsums.

Indirekte Biomarker

  • Carbohydrat-defizientes Transferrin (CDT): Ein spezifischer Marker für chronischen Alkoholkonsum. CDT misst die Veränderung in der Glykosylierung von Transferrin, einem Transportprotein für Eisen im Blut. Erhöhte CDT-Werte können auf einen hohen und kontinuierlichen Alkoholkonsum hindeuten.
  • Gamma-Glutamyltransferase (GGT): Ein Enzym, das bei übermäßigem Alkoholkonsum vermehrt in der Leber gebildet wird. Erhöhte GGT-Werte können auf chronischen Alkoholmissbrauch hinweisen, sind jedoch nicht spezifisch und können auch bei anderen Lebererkrankungen erhöht sein.
  • Mittleres korpuskuläres Volumen (MCV): Ein erhöhter MCV-Wert kann auf chronischen Alkoholkonsum hinweisen, da Alkohol die Produktion von roten Blutkörperchen beeinflusst. Auch dieser Marker ist nicht spezifisch für Alkohol und kann durch andere Faktoren beeinflusst werden.
  • Aspartat-Aminotransferase (AST) und Alanin-Aminotransferase (ALT): Enzyme, die bei Leberschädigung freigesetzt werden. Erhöhte Werte können auf Alkoholmissbrauch hinweisen, sind aber ebenfalls nicht spezifisch und können bei verschiedenen Lebererkrankungen auftreten.

Diagnostische Anwendung:

  • Kurzzeitmarker: Diese Marker wie Ethanol (BAK), EtG und EtS werden verwendet, um einen kürzlich erfolgten Alkoholkonsum zu bestätigen. Sie sind hilfreich, um einen akuten Alkoholkonsum oder einen zeitnahen Rückfall nachzuweisen.
  • Langzeitmarker: Marker wie PEth, CDT, GGT und MCV und sind nützlich, um chronischen oder langfristigen Alkoholkonsum zu überwachen. Diese Marker helfen, die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit zu unterstützen, indem sie den längerfristigen Konsum aufzeigen.

Die Bestimmung dieser Biomarker ergänzt die klinischen Diagnosekriterien und kann die Genauigkeit und Objektivität der Diagnose einer Alkoholabhängigkeit nach ICD-10 oder DSM-5 erhöhen.

Insbesondere die direkten Alkoholbiomarker (EtG, EtS und PEth) bieten eine spezifische, empfindliche und längerfristige Überwachung des Alkoholkonsums, was sie zu wertvollen Werkzeugen bei der Diagnose und Überwachung von Alkoholabhängigkeit macht. Ihre Verwendung kann helfen, das Konsumverhalten genauer zu bestimmen, Rückfälle zu erkennen und die Behandlung und Überwachung von Patienten effektiver zu gestalten. Direkte Biomarker können zusammen mit indirekten Markern (wie GGT, CDT und MCV) verwendet werden, um ein umfassenderes Bild des Alkoholkonsums und dessen Auswirkungen auf den Körper zu erhalten. Dies kann die diagnostische Genauigkeit erhöhen.