„Ich bin stolz wie Bolle“
Die HIT-Direktoren Prof. Thomas Haberer und Prof. Jürgen Debus im Gespräch
Mit welchen Gefühlen sehen Sie der offiziellen Eröffnung der Gantry am Montag entgegen?
Debus: Das war schon ein gewaltiger Stapellauf. Es ist für mich wie die Geburt eines Kindes, nur mit einer deutlich verlängerten Schwangerschaft.
Haberer: Ich bin stolz wie Bolle, zumal wir ja zusammen mit der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt 15 Jahre an der Entwicklung der Gantry mitgearbeitet haben und in unserem Budget von 119 Millionen Euro geblieben sind.
Warum hat es von der Eröffnung des HIT im November 2009 noch fast drei Jahre gedauert, bis die Gantry jetzt in Betrieb geht?
Debus: Das war von Anfang an so geplant, das HIT wurde ja nicht schlüsselfertig übergeben wie ein Haus. Bis ein technisch und medizinisch so komplexes System läuft, braucht es Zeit. Wir mussten auch die Mitarbeiter schulen und die Qualität sicherstellen.
Haberer: Da wir das HIT technisch selbst mitentwickelt haben, konnten wir die Abläufe weiter verbessern, seit die ersten beiden Behandlungsplätze vor zwei Jahren in Betrieb gegangen sind. Parallel dazu haben wir den dritten Behandlungsplatz in der Gantry optimiert.
Wann wird der erste Patient in der Gantry behandelt?
Debus: Die ersten drei Patienten mit Hirntumoren waren schon da und sind je sechsmal bestrahlt worden. Die Bestrahlung ist damit erst einmal abgeschlossen. Ein Patient hat einen Tumor an einer sehr kritischen Stelle, zwischen den Sehnerven der Augen. Da ist es besonders wichtig, den Strahl präzise auszurichten. Das ermöglicht uns die Gantry, die sich um den Patienten dreht.
Wie viele Patienten sollen in der Gantry in Zukunft behandelt werden?
Debus: Dieser dritte Platz hat genau so viel Potenzial wie die beiden anderen Horizontalplätze. Wir können hier also knapp 300 Patienten jährlich behandeln. Insgesamt haben wir am HIT bisher rund 1000 Patientenbehandelt.
Haberer: Die Bestrahlungen an den drei Plätzen laufen täglich 16 Stunden an 300 Tagen im Jahr.
Profitieren auch Kinder von dem neuen Bestrahlungsplatz?
Debus: Gerade für Kinder, beispielsweise mit einem Rückenmarkstumor oder einem Hirntumor, ist diese Art der Bestrahlung sehr geeignet, weil der Strahl den kürzesten Weg zum Tumor nimmt und das Gewebe optimal schont. Wir kommen auch mit einer geringeren Strahlendosis aus, der Patient spürt also weniger Nebenwirkungen.
Als weltweit erste Anlage hat das HIT eine drehbare Gantry, das ist auch für die Forschung interessant. Welche Studien sind geplant?
Haberer: Wir werden viele Studien durchführen – die Gantry ist ja weltweit einmalig – und die Behandlungsergebnisse mit einer konventionellen Strahlentherapie vergleichen. Natürlich werden wir auch eine Kosten-Nutzen-Analyse machen. Wir können hier an allen drei Plätzen mit Protonen, Helium-, Sauerstoff- und Kohlenstoff-Ionen bestrahlen. Zur Zeit untersuchen wir beispielsweise, wie Zellkulturen reagieren, wenn man sie mit Sauerstoff-Ionen bestrahlt.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft der Gantry?
Haberer: Wir wollen Qualität und Geschwindigkeit der Bestrahlung weiter verbessern.
Debus: Daran arbeiten wir ständig, und alle Ergebnisse kommen sehr schnell den Patienten zugute, weil das HIT ja direkt in das Klinikum integriert ist.
Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung vom 27. Oktober