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MIT DEM AUTO ZUM PATIENTEN

Voller positiver Kraft erzählt Marco Pumptow von seiner täglichen Arbeit: von kleinen Medikamenten-Anpassungen, die Schmerzen lindern, oder Aromaölen, die gegen Übelkeit helfen. Robin Krüger erfährt im Gespräch außerdem, wie Hausbesuche und die ständige Erreichbarkeit des Teams Patienten und Angehörigen Sicherheit und Vertrauen geben. Aufmerksamkeit, Fachkompetenz und Einfühlungsvermögen prägen diese Arbeit - und nicht zuletzt auch mal ein Lachen und das Wissen: das Leben ist schön.

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Mit dem Auto zum Patienten - ambulante Hilfe in den letzten Lebenstagen

Trotz des medizinischen Fortschritts ist nicht jede Krebserkrankung, schwere Herz- oder Lungenerkrankung heilbar. Zeichnet sich ab, dass ein Patient in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten versterben wird, können hochspezialisierte Pflegekräfte helfen, in dieser Zeit eine gute Lebensqualität zu erhalten - beim Patienten zuhause. In der vierten Episode spricht Moderator Robin Krüger mit Marco Pumptow. Dieser ist Fachkrankenpfleger Anästhesie und Intensivpflege und arbeitet im spezialisierten ambulanten Palliativ-Pflegeteam SAPHiR am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg. Das NCT Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums. Wie unterscheidet sich diese Arbeit von der Pflege auf Allgemein- und Intensivstation? Welches besondere Wissen benötigen die Pflegenden? Was können sie konkret für die Patienten tun?

 

Robin Krüger:
„Hallo und herzlich Willkommen zur neuen Folge unseres UKHD Pflege Podcast. Mein Name ist Robin Krüger. Ich bin die Leitung von der Neurologie 6,  dem Innovationsraum Pflege in der Kopfklinik und hab heute einen neuen Interviewpartner, nämlich Marco Pumptow. Er ist Fachkrankenpfleger im ambulanten Palliativ Team SAPHiR bei uns hier am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) der Universitätsklinik Heidelberg. Hallo Marco.“

Marco Pumptow:
„Hallo Robin. Grüß dich.“

Robin Krüger:
„Wir sprechen heute über die ambulante Palliativpflege bei SAPHiR und das ist ganz anders als wir das vielleicht sonst kennen hier im Universitätsklinikum; nämlich nicht die stationäre Pflege oder auch die Notfallpflege oder Akutpflege, was wir auch schon als wir besprochen hatten, sondern du arbeitest im ambulanten Team. Was bedeutet das denn?“

Marco Pumptow:
„Ja, ich bin jetzt bei SAPHiR, also dem Palliativ-Dienst von der Uni. SAPHiR heißt spezialisierte ambulante Palliativversorgung in Heidelberg und im Rhein Neckar Kreis. Wir betreuen Patienten zu Hause. Das heißt, wir sind gar nicht mehr in der Klinik, sondern wir fahren nach Hause zu den Patienten und schauen da, wie die Versorgung möglich ist.“

Robin Krüger:
„Das heißt von Heidelberg, Rhein Neckar Kreis, wo ungefähr noch?“

Marco Pumptow:
„Theoretisch von Weinheim bis Eberbach. Sinsheim könnten wir auch hinfahren, aber da ist auch ein anderes Team, die übernehmen relativ viel. Aber auch der Odenwald ist schon relativ groß, wenn man den befahren darf und muss. Insofern reicht das eigentlich schon fast.“

Robin Krüger:
„Wie sieht denn so ein ganz normaler Arbeitstag bei dir aus?“

Marco Pumptow:
„Wir haben so um die 45 Patienten momentan. Und dann gibt es noch Patienten, die in einer Art Pausierung sind. Das bedeutet, aktuell brauchen sie nicht unsere Hilfe, aber wenn sie unsere Hilfe bräuchten, könnten Sie jederzeit bei uns wieder anrufen. Das heißt, so über den Daumen gepeilt, sind es um die 60 bis 65 Patienten, die wir betreuen.“

„Morgens gibt es eine kurze Frühbesprechung und dann wird eingeteilt in verschiedene Bereiche. Wer macht den Odenwald Bereich? Wer macht den Heidelberger Bereich und wer den Rhein-Neckar-Raum, so Leimen und Wiesloch. Und dann wird geschaut: okay, wo ist ein Hausbesuch nötig? In der Regel werden die Patienten einmal in der Woche besucht von uns - sei es durch Arzt oder Pflegekraft. Oder wir telefonieren und fragen vielleicht wie das Wochenende war, gibt es momentan aktuelle Probleme? Ist vielleicht ein Hausbesuch heute notwendig? Und dann wird das soweit geplant und bearbeitet.“

Robin Krüger:
„Das heißt, es gibt auch gar keinen Frühdienst, Spätdienst, Nachtdienst, sondern es gibt diesen einen Tag-Dienst und da wird dann alles erledigt?“

Marco Pumptow:
„Aktuell ist es noch so, richtig. Wir haben jetzt einen neuen Chef bekommen, den Herrn Professor Alt-Epping, der den Palliativ-Lehrstuhl übernommen hat seit März diesen Jahres. Und da wissen wir nicht, welche großen Veränderungen kommen. Es gibt jetzt auch ein Support-Team, nennt sich das, also wo man auch in die Klinik gehen könnte. Da gibt es Konsile, die von den Oberärzten geleitet werden. Es ist ganz viel in Bewegung momentan und deswegen kann ich noch nicht genau sagen, ob es so bleibt. Aber aktuell ist es so: 8 bis 16 Uhr ist die Arbeitszeit und dann beginnen natürlich die Rufbereitschaften, die wir als Pflege auch ableisten.“

Robin Krüger:
„Und diese Rufbereitschaft, wie sieht die aus?“

Marco Pumptow:
„Im Grunde ist es eine Bereitschaft für unsere Patienten, die wir haben, dass sie sich im Notfall und in Krisen melden können. Das ist eine Handynummer, unter der sie uns erreichen können, jederzeit, auch nachts um zwei, um zu fragen: Meine Frau, mein Angehöriger hat Schmerzen - was kann ich tun? Also wir geben ganz viel Support übers Telefon. Und wenn aber Bedarf besteht, dann fahren wir auch nachts um zwei nach Eberbach, um eine Krise zu meistern mit dem Patienten zusammen.“

Robin Krüger:
„Das ist sicherlich eine schwere und belastende Arbeit, die ihr da hier der macht. Wie gehst du mit der Belastung und mit auf den sterbenden Patienten um?“

Marco Pumptow:
„Also dieses Thema Tod und Sterben hat mich schon schon in der Grundausbildung interessiert. Es ist klar, das ist ein Teil meines Jobs. In meiner Fachweiterbildung in der Anästhesie und Anästhesiepflege war damals meine Facharbeit über die Betreuung von Sterbenden und deren Angehörigen; also da schon großes Thema. Das war im Jahr 1999 - schon eine Weile her. Im Laufe der Jahre habe ich gesehen, das wird viel zu wenig in den Fokus gestellt. Ich war lange auf Intensiv, da wurde auch relativ steril gestorben, zumindest habe ich das so empfunden. Es wurde auf Monitoren angeschaut, wann jemand verstorben ist und dann war er tot. Aber dass jemand hingegangen ist und die Hand gehalten hat, das war sehr selten. Was man sich bewusst machen muss ist, dass es im Leben eigentlich nur zwei Dinge gibt, die wir nur einmal machen, das sind die Geburt und der Tod, das Sterben. Und alles andere machen wir vielleicht mehrmals. Ja, wir heiraten mehrmals, haben mehrere Jobs, fahren mehrmals in den Urlaub, aber dieses Sterben ist einmalig. Und ich glaub das zu begleiten, ist eine ganz wichtige Aufgabe, die wir als Gesundheits- und Krankenpfleger und -pflegerinnen wirklich auch leisten sollten und auch müssten. Aber viele drücken sich davor, weil es halt auch eine anstrengende und belastende Situation ist. Im Grunde kann ich mir hier keinen Fehler erlauben. Ich kann es nicht noch einmal machen, wenn ich es versemmel und der Patient ist tot, dann kann ich nicht sagen "beim nächsten Mal mache ich es besser". Vielleicht beim nächsten Patienten, aber nicht bei dem, der gerade verstorben ist.“

Robin Krüger:
„Das bedeutet, deine Arbeit ist natürlich auch komplett anders als z.B. bei uns in der Kopfklinik, wo wir gerade auch diesen Podcast aufzeichnen. Dort werden die Patienten morgens meistens beim Waschen oder Duschen unterstützt. Ich meine, du kommst auch von Intensivstation, ich komme auch von Intensivstation: Da ist morgens natürlich immer die ganz normale Grundpflege beim Patienten, Medikamente verabreichen. Das ist doch bei dir sicherlich ganz anders. Kannst du dann nochmal genauer auf deinen Arbeitsalltag eingehen?“

Marco Pumptow
„Sehr gerne. Im Großen und Ganzen ist das große Schlagwort immer Symptomkontrolle. Das ist das, was wir wollen beim Patienten. Also wir können die Erkrankung nicht behandeln und heilen, aber Symptome, die auftreten, die wollen wir soweit gut kompensieren, dass der Patient so lange Zeit wie möglich, daheim wirklich leben kann und gut leben kann. Die Lebensqualität wollen wir erhöhen. Das heißt, wir sind auch sehr viel beratend tätig zuhause. Und das ist für mich eine Besonderheit: Ich empfinde es so, dass wir als Gast zu den Patienten kommen. Ich gehe in sein Haus, in seine Wohnung, in sein Revier. In der Klinik ist es eher so, dass er zu mir kommt und er hat sich gewissen Gegebenheiten zu unterwerfen und dort ist es genau andersrum. Und meine Aufgabe ist dann zu Hause zu schauen: Welche Probleme sind da? Seien es Schmerzen, sei es Luftnot, Übelkeit, Erbrechen, Ödeme, Schlaflosigkeit. Und wie kann man das zuhause pflegerisch oder auch medizinisch behandeln? Wir arbeiten viel mit Aromaöl. Unsere Chefin ist Aromatherapeutin und hat da relativ viele Mischungen zusammengestellt. Die auch wirklich dankend von den Kollegen und auch von den Patienten angenommen werden. Sei es  Bauchmassage-Öl, zum Schlafen, bei Übelkeit mit Riechstiften. Ein einfaches Konzept, aber was ganz, ganz viel wirklich bewirkt. Und diese Psyche, die man da wirklich hat, also das Dasein, dass zu wissen sie haben jederzeit die Möglichkeit, sich bei uns zu melden. Da ist relativ viel Vertrauen von den Patienten in uns. Wir helfen auch bei Anträgen für Hilfsmitteln, die zu bestellen. Ja zu schauen, wo kann man sich mal melden, was braucht er wirklich?“

Robin Krüger:
„Und sicherlich ist Kommunikation auch die Hauptaufgabe: einfach beim Patienten direkt für ihn da zu sein.“

Marco Pumptow:
„Ja, und was noch schön ist: man kann ganz offen reden. Nicht um den heißen Brei, man kann wirklich sagen, wir wissen, dass er stirbt, wir wissen die große Erkrankung und wir müssen nicht sagen “mal gucken, das sie wird wieder”. Ich kann ganz klar sagen: Wir können nicht heilen, aber wir können gucken, dass die Qualität gut ist und das ist schon ganz viel. Da kommen Leute, die sind ganz ehrlich und sagen, so machen wir das und so können wir das vielleicht machen, oder so bekommen wir es hin. Das heißt aber nicht, dass wir jedes Symptom immer wirklich zu hundert Prozent kontrollieren können, auch das muss man wirklich sagen. Manchmal sind uns die Hände gebunden zuhause.“

Robin Krüger:
„In dem Vorgespräch, das du mit uns hattest, hast du davon berichtet, dass es auch sehr, sehr viele schöne Momente gibt in deiner Arbeit. Kannst du vielleicht davon noch was erzählen?“

Marco Pumptow:
„Ganz banal muss man wirklich sagen. Aber es ist wirklich: du gehst zum Patienten hin, er hat stärkste Schmerzen, du stellst ein bisschen was an der Medikation und am nächsten Morgen ruft die Ehefraue  an und sagt: “Wir haben fünf Stunden lang mal durchschlafen können ohne Schmerzen”. Also erstmal dieses “wir haben schlafen können”, das impliziert ja der andere - der Ehemann war der Patient - hat auch die ganze Zeit nicht schlafen können. Das heißt, jetzt hat er was bekommen, die Dosis ist erhöht worden und plötzlich konnten beide wirklich mal wieder schlafen. Eine ganz kleine Schraube zu drehen, da schon zu helfen, das ist irgendwie schon schön zu sehen. Man kann ganz viel bewirken, auch nur mit Kleinigkeiten. Oder auch wenn Angehörige uns schreiben, um zu sagen: Mensch, ihr habt uns so geholfen. Wir haben immer eine Nummer gehabt, wo wir anrufen konnten. Die Sicherheit wirklich zu wissen, es ist immer jemand da. Vielleicht  brauchen sie uns uns nicht für ein, zwei oder drei Tage, aber zu wissen ich kann jederzeit anrufen und man versucht mir so gut wie möglich zu helfen. Ja, ansonsten die Kleinigkeiten, Robin. Das ist jetzt, sag ich mal ein Lächeln. Das ist, dass man Spaß mit den Patienten hat. Man kann auch lachen! Das heißt nicht, dass es ein todtrauriger Verein ist, wo ich arbeite. Ja, also es gibt wirklich auch viele schöne Momente. Eins vielleicht noch: eine der letzten Patientinnen, die verstorben ist, hat ihren Mann beauftragt, wenn sie verstorben ist, muss er uns Geld geben, damit wir Pizza essen gehen können. Das war ganz wichtig für sie: dieses Team muss zusammen essen gehen. Ja, also die Patienten, denken auch an uns, dass es uns gut geht. Eigentlich sind wir für den Patienten da. Das wird zur Symbiose manchmal, ein Großes.“

Robin Krüger:
„Jetzt gibt es natürlich sicherlich neben dem ganzen Schönen, was du da erlebst, auch viele traurige Momente. Hast, du da vielleicht ein besonderes Erlebnis, was du gehabt hattest, wenn du davon erzählst möchtest, das dich vielleicht auch besonders berührt hatte?“

Marco Pumptow:
„Es ist schwierig, wenn man selbst die Person kennt, die dann plötzlich im Team aufgenommen wird. Junge Menschen auch. Also die auch Kinder haben, vielleicht grade ein Haus gebaut haben, gerade einen neuen Job angefangen haben und dann kommt die Diagnose “unheilbarer Krebs”. Und dann denkt man sich auch: Also wo ist es fair? Fair ist es nie, aber man will sich was aufbauen und das klappt nicht.“

Robin Krüger:
„Wie bist du denn zu deiner Stelle hier im ambulanten Palliativ-Team SAPHiR gekommen?“

Marco Pumptow.
„Blinder Zufall. Muss man wirklich sagen: Ich selbst habe nicht gewusst damals, dass es ein SAPV Themen gibt an der Uni. Ich hab 2014 /15 meinen Palli-Kurs gemacht, die Palliativweiterbildung. Hab dann den Kurs gehabt und habe gesagt, gut, es wäre schön den Pain Nurse Kurs noch nach zu machen, weil sich das doch sehr gut ergänzt. Und während dieses Pain Nurse Kurses muss man ja eine oder sollte man eine Hospitation von 24 Stunden ableisten. Und ich habe lange überlegt, wo kann ich das machen? Und irgendwie sagte ein Kollege, Mensch, da gibt es doch diese Saphir-Team, wäre das nicht was für dich? Da reinzuschauen, zu gucken, was da zu machen, schmerzkontrolliert zu arbeiten. Ja, ich habe mich dort vorgestellt, gefragt, ob das möglich sei. Und da ich auch den Background hatte, Palliativ Care, war das überhaupt kein Problem. Und hab dann gesehen, dass das alles, was ich gelernt habe im Palliativ Care Kurs, wirklich zu Hause anwendbar ist, also wirklich eine eins zu eins Übertragung: ich hab was gelernt und das wird jetzt wirklich so auch gemacht. Das habe ich gefühlt selten gehabt bei vielen Fortbildungen. Ich hatte immer ganz viel Theorie, aber wenig, was ich für die Praxis rausziehen konnte. Und da war es wirklich gefühlt eins zu eins. Und dann habe ich mich gefragt, gewundert, will ich das? Ich war 20 Jahre lang Intensivler auf Intensivstation auf der Neurologischen Intensivstation der Kopfklinik. Kann ich mir es wirklich vorstellen, ambulant zu arbeiten? Aber ich habe wirklich keinen Tag bereut.“

Robin Krüger:
„Was unterscheidet jetzt den ambulanten Palliativ-Pflegedienst der Uniklinik, zum Beispiel zu anderen privaten ambulanten Palliativ-Teams?“

Marco Pumptow:
„Dieses SAPV, diese spezialisierte ambulante palliative Versorgung. Das heißt immer dann, wenn ein Patient palliativ wird, ist die Frage: braucht er eine speziellere, eine intensivere Unterstützung? Oder reicht auch eine allgemeine palliative Unterstützung, was es nämlich auch gibt. Das machen häufig Pflegedienste. Wenn aber noch ein Symptom hinzu kommt, mehr Schmerzen, was nicht kontrollierbar ist oder Übelkeit, was nicht kontrollierbar ist, dann wird häufig auch eine SAPV-Team eingeschaltet, die sich noch spezieller um gewisse Sachen kümmern können und auch schneller eingreifen können.“

Robin Krüger:
„Wir haben jetzt viel gesprochen über deine Arbeit und Arbeitsalltag in unserem Palliativ-Pflegeteam. Gibt es denn eine spezielle Ausbildung, die man machen muss oder die ihr auch vielleicht bei euch anbietet für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die große Lust haben, vielleicht mal bei euch  zu arbeiten? Kann man bei euch mal ein Praktikum machen? Kann man  mal reinschauen? Wie es da aussieht bei euch? Weil ich denke, das interessiert sicherlich viele Leute und mich persönlich natürlich auch.“

Marco Pumptow:
„Also man braucht wirklich, um bei uns arbeiten zu wollen oder zu dürfen, diesen Palliativ Care Kurs. Der ist mit 160 Stunden veranschlagt. Das ist die Grundvoraussetzung, um bei uns arbeiten zu dürfen. Und dann ist es so, dass man innerhalb eines Jahres eine gewisse Anzahl von Patienten gesehen haben muss. Das wird dann von den Krankenkassen zertifiziert. Und dann darf man offiziell in einem SAPV-Team wirklich arbeiten. Ja und deswegen: hospitieren ist bei uns immer kein Problem. Das kann man jederzeit. Wir freuen uns, wenn Leute Interesse haben an dieser Arbeit, die wirklich anders und außergewöhnlich ist. Aber arbeiten kann man bei uns nur mit diesem Kurs, weil wie gesagt das Wissen, das man dabei vermittelt bekommt, die Symptomkontrolle, das Spirituelle über das man redet, die verschiedenen Schmerzarten, die es da wirklich gibt, das hat man glaube ich zeitweise nicht so in der Klinik oder nicht zu intensiv.“

Robin Krüger:
„Habt ihr so ein spezielles Einarbeitungskonzept? Wenn ich überlege, dass ich jetzt vielleicht drei Jahre auf Intensiv gearbeitet habe, dann nochmal zwei Jahre auf Allgemeinstation, dann bringt mir das nicht so viel, um dann bei euch zu arbeiten. Da braucht man doch sicherlich auch eine gewisse Einarbeitungszeit? Und ihr habt da bestimmt auch ein Konzept?“

Marco Pumptow:
„Ja, richtig. Das Konzept  für die neuen Kollegen habe ich selbst entwickelt als Praxisanleiter. Es ist wirklich ein wenig erschreckend: ich hab 20 Jahre auf Intensiv gearbeitet und im ambulanten Bereich ist alles komplett anders. Du hast keinen Kollegen, den du kurz mal anrufen kannst und der zu Hilfe kommt. Du hast im häuslichen Umfeld keinen Sauerstoff, keine Notfallspritzen, keinen Monitor. Du musst alles sehen. Sehen, fühlen, schmecken nach dem Motto. Du musst darauf achten: Wie riecht es im Zimmer? Ist da irgendwas? Und das ist wirklich komplett spannend. Und deswegen: diese Erfahrung, die man hat -  manchmal habe ich gedacht, sie hilft mir gar nicht so im großen Bereich, weil man muss zu den Basics wieder kommen.“

Robin Krüger:
„Jetzt kommen wir schon fast zum Schluss. Die letzten Fragen, die ich immer unseren Interviewpartnerinnen und -partnern stelle, sind, was dich persönlich bei der Arbeit antreibt und auch wo du einen Ausgleich findest zu der belastenden Arbeit?“

Marco Pumptow:
„Was mich antreibt? Klingt komisch, aber die Freude an dem Beruf. Also trotzdem, obwohl es ein Tod und Sterben ist und wir mit ganz vielen Krebspatienten arbeiten und wir alle wissen, wir betreuen sie nur einen gewisse Zeitraum, macht es Spaß. Für mich ist eine sinnvolle Aufgabe, weil ich weiß, ich kann aktiv etwas tun. Mit kleinen Gesten, sei es Aromatherapie oder du stellst nur eine Tablette um und zack geht es dem Patienten wirklich besser. Also wenig Handgriffe oder auch wenig Aufwand mit viel Effekt. Das ist schön. Und dann muss man sich bewusst sein, jeder Besuch oder jeder Anruf kann der letzte gewesen sein, den ich gemacht habe. Also besonders aufmerksam zu sein dem Patienten gegenüber.“

Robin Krüger:
„Wenn ich jetzt Patient bin, der vielleicht eine Tumor-Erkrankungen diagnostiziert bekommen hat, kann ich mich dann explizit für SAPHiR entscheiden? Oder wird man dadurch, dass man vielleicht am NCT behandelt wurde, dementsprechend auch beraten, dass man hier das Palliativ-Team hat?“

Marco Pumptow:
„Das ist eine gute Frage, weil dieses spezielle heißt schon, es gibt Voraussetzungen, dass wir Patienten aufnehmen können. Eine Voraussetzung ist eine unheilbare Erkrankung, die in den nächsten Tagen, Wochen bis Monate zum Tod führt. Wenn die Diagnose gestellt wird und  der Patient soll einen Best Support Care bekommen, die bestmögliche palliative Versorgung, was das NCT auch manchmal stellt, dann wären wir dabei. Wobei man sagen muss, wir haben nicht nur Patienten mit Tumorerkrankungen. Wir haben auch Patienten mit neurologischen Erkrankungen oder auch Patienten mit schweren Herzerkrankungen, auch die sind SAPV würdig. Aber die Erkrankung muss lebenslimitierend sein. Das ist Diabetes auch, aber daran versterben ich in der Regel nicht. Aber an einer schweren Herzinsuffizienz oder einer schweren COPD versterbe ich dann schon. Und da sind auch ganz viele Ängste, weil du vorhin sagtest mit Gesprächstherapie. Viele haben Angst vor einem qualvollen Sterben, dass es lange ist. Sie wollen am liebsten eine Spritze haben und dann ist alles gut. Das können wir und wollen wir nicht leisten. Das brauchen wir auch nicht leisten, denn man kann mit ganz vielen kleinen Sachen Symptome wirklich lindern. Aber diese Angst zu ersticken oder Schmerzen zu haben, ist für ganz viele Leute ein großes Thema. Und wenn man das wirklich rausnimmt, dann nimmt das auch ganz viel Druck.“

Robin Krüger:
„Jetzt nochmal zurück zu meiner Anfangsfrage: neben diesem ganzen Emotionalen, das du sicherlich bei dir auf der Arbeit erlebst, wie findest du denn den Ausgleich für dich persönlich?“

Marco Pumptow:
„Freunde - dieser Klassiker. Wirklich gutes Essen. Ich hab ein Theaterabo, wo ich mich dann rausnehmen kann in Mannheim und Ludwigshafen, um ein bisschen rauszukommen aus dem Alltag. Perse glaube ich, braucht man eine gute Resilienz, diese Widerstandsfähigkeit. Ich glaub, die braucht man für diesen Job wirklich, um ihn machen zu können. Ja, aber zu sagen, dass ich jetzt irgendwie mehr Sport mache oder mehr dies oder jenes, das ist gar nicht so. Ich lebe, glaube ich, bewusster, weil ich weiß, dass jederzeit ein Anruf kommen kann und ich hab jetzt auch eine Erkrankung, weil ich bei der Vorsorgeuntersuchung war, wo es mir plötzlich schlecht geht. Ich kann jederzeit in diesen Zustand kommen. Insofern lebe ich bewusster - eigentlich ist das Leben schön.“

Robin Krüger:
„Wir kommen jetzt noch zur letzten Frage, die ich auch immer stelle und zwar, wo du die Pflege am Uniklinikum Heidelberg und vielleicht auch speziell bei dir im SAPV Team siehst?“

Marco Pumptow:
„Also was ich nun wirklich immer sagen muss, ich hab hier 1996 angefangen, also vor langer Zeit. Was in der Zeit wirklich passiert ist, also der Aufwand, den die Pflege wirklich hat, was sie mehr leisten muss: Die Anforderungen sind wirklich gewachsen. Das finde ich erstaunlich, erschreckend, aber auch schön in Anführungsstrichen, weil man sieht, dass wir uns immer weiterentwickeln. Man kann viele Erkrankungen schon viel besser behandeln und auch therapieren. Und da ein Teil von zu sein, finde ich erstmal schön. An der Uni wirklich arbeiten zu können und das zu sehen. Spezialisierung glaube ich sind auch wichtig. Dass man einen Wundmanager hat, dass man einen Schmerztherapeuten hat auf Station, dass man sich breitflächig aufstellt für die Kollegen oder für auch die Patienten. Und dass das auch angeboten wird, dass die Möglichkeit besteht, wirklich an der Uni dies zu machen. Bewusst zu sein, dass Wissen wirklich ganz wichtig ist. Wir müssen das Wissen aber auch anwenden können und dürfen. Da sind wir, glaube ich, auch auf einem ganz guten Weg.“

Robin Krüger:
„Vielen, vielen Dank, Marco, für dieses Interview. Es hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Das ist ein unfassbar spannendes und natürlich auch emotionales Thema, was wir heute besprochen hatten. Aber auch das gehört zu unserem tollen Beruf, den wir hier ausleben. Und ansonsten gibt es noch weitere Informationen zum Universitätsklinikum Heidelberg auf der Internetseite www.wir-sind-intensiv.de. Und wenn euch das Format gefallen hat, dann abonniert uns gerne bei Spotify und bei iTunes und verpasst keine weitere Folge.“