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Hautgesundheit

Wenn das Immunsystem den Körper vor Krankheiten schützt, sind daran viele Organe beteiligt: etwa das Lymphsystem, der Darm und die Mandeln – aber auch die Haut. Alexander Enk, Professor für Dermatologie am Heidelberger Universitätsklinikum, erklärt in der Interviewreihe „Medizin am Abend“, welche Rolle sie dabei spielt.

Herr Professor Enk, die Haut ist lebenswichtig und das größte Organ des Menschen. Was ist ihre erstaunlichste Fähigkeit?

Die Haut schützt uns vor vielem: vor Bakterien und Viren, vor Wärme und Kälte oder auch vor UV-Strahlen. Für mich als Immunologe ist die Immunfunktion der Haut besonders beeindruckend.

Das müssen Sie erklären.

Vor rund 200 Jahren impfte der englische Landarzt Edward Jenner einen kleinen Jungen mit Kuhpockenviren, um ihn so vor den echten Pocken zu schützen. Jenner fand heraus, dass leichtes Einritzen des Erregers in die Haut besser schützt als eine Injektion in den Muskel. Erst seit rund zehn Jahren wissen wir dank den Forschungen eines amerikanischen Dermatologen, warum das so ist und warum eine Impfung in die Haut so wirkungsvoll ist: Sie weist Gedächtniszellen auf, die der Immunabwehr dienen.

Wie genau funktioniert das?

Bei diesen Gedächtniszellen handelt es sich um bestimmte T-Lymphozytengruppen in der Haut. Wenn diese Zellen einen Erreger wiedererkennen, mit dem Sie bereits Kontakt hatten, rufen sie Helfer von der Haut und aus dem Blutkreislauf herbei und bekämpfen ihn gemeinsam. Die Helferzellen teilen sich und eliminieren die mit dem Virus infizierten Zellen. Die Gedächtniszellen verhindern also das Auftreten von Krankheiten wie in diesem Fall das der Pocken und ermöglichen so überhaupt erst den Impfschutz.

Warum werden die anderen Impfungen dann nicht in die Haut geritzt?

Weil es oft umständlich ist und Narben gibt. Das will man vermeiden, zumal die Zellen im Muskeln denen der Haut ähneln. Im Grunde könnte man aber alle Impfstoffe auch in die Haut ritzen.

Ist das derselbe Mechanismus, der uns vor Schädigungen durch Sonnenlicht schützt?

Auch hier findet in der Haut eine Immunüberwachung statt, aber hier sind es andere Zellen, die den Prozess steuern. UV-Licht ist karzinogen, eigentlich müssten wir alle viele Hauttumoren haben. Wenn das Immunsystem unterdrückt wird, etwa aufgrund von Medikamenten nach einer Organtransplantation, erleben wir das auch, dass sich Hauttumoren bilden. Ein funktionierendes Immunsystem schützt uns davor. Dies geschieht mit der Helfe von Sensorzellen. Sie sitzen ebenfalls in der Haut.

Wie läuft denn die Abstimmung zwischen der Haut und dem Körperinneren?

Die Immunzellen der Haut wandern in die Lymphknoten und sprechen mit den Zellen dort. Diese Kommunikation erfolgt unentwegt. Wir kommen schließlich auch so oft mit Erregern und Chemikalien in Kontakt, dass wir ständig eine entzündete Haut haben müssten. Aber auch davor schützt uns die Haut mit ihrer Immunfunktion.

Und was passiert, wenn die Haut Wunden aufweist oder aus anderen Gründen nicht intakt ist?

Bei der Neurodermitis zum Beispiel ist die Hautbarrierefunktion gestört, und die Haut ist auch oftmals wegen eines Gendefekts dünner. Dann haben es Erreger leichter, in den Körper zu gelangen, Staphylokokken etwa, die beispielsweise Lungenentzündungen hervorrufen können, oder auch Herpesviren. Menschen mit Neurodermitis haben ein verändertes Mikrobiom...

... das heißt, Sie haben andere Keime auf der Haut?

Ja, das Mikrobiom ist ein natürlicher Besatz an Bakterien, Pilzen und Viren, die uns vor schädlichen Erregern schützen. Es handelt sich um das physiologische Milieu der Haut, das sich von Geburt an kaum verändert – außer bei Krankheiten wie zum Beispiel Diabetes. Menschen mit Neurodermitis haben bereits vom ersten Tag an ein Mikrobiom, das sich von dem anderer Menschen unterscheidet. Es steuert sogar Prozesse im Darm mit. Diese Zusammenhänge fangen wir gerade erst an zu verstehen. Beide, Haut und Darm, spielen eine große Rolle für die Immunabwehr.

Wie wirkt sich das denn im Fall der Neurodermitis aus?

Menschen mit Neurodermitis haben nicht nur ein gestörtes Mikrobiom, sondern auch häufiger mit allergischem Asthma oder auch etwa mit Heuschnupfen zu kämpfen. Hier reagiert das Immunsystem über. Bei diesen Beschwerden ist die Lunge beteiligt. Sie hat eine epitheliale Oberfläche, also eine äußere Zellschicht, die beeinflusst wird durch die Haut. Auch der Darm hat solch eine epitheliale Oberfläche, und hier gibt es ähnliche Wechselwirkungen mit der Haut. So erklärt sich wohl, dass Menschen mit Neurodermitis auch öfter Lebensmittelallergien haben.

Untersuchen Sie diese Dinge auch im Sonderforschungsbereich zu Immunantworten der Haut?

Uns beschäftigt zum Beispiel die Frage, warum manche Menschen Schuppenflechte und andere eine Neurodermitis entwickeln – und wir vermuten das Mikrobiom dahinter. Wenn man genauer wüsste, was es steuert, könnte man versuchen, das Mikrobiom zu normalisieren. Wir kennen zum Beispiel das Molekül, das verhindert, dass Staphylokokken auf der Haut Überhand gewinnen, und inzwischen kann man es sogar künstlich produzieren. Eine Herausforderung ist, dieses Molekül in einem hohen Reinheitsgrad zu gewinnen und es Cremes beizufügen. Dafür braucht es jedoch Kooperationspartner aus der Industrie.

Und bei gesunder Haut: Kann man ihre Abwehrfunktion unterstützen?

Wenn man mit Neurodermitis auf die Welt kommt, ist die Haut trockener. In diesen Fällen können rückfettende Produkte die Struktur der Haut unterstützen. Bei Menschen mit normaler Haut ist das aber nicht nötig. Sie sollten eher darauf achten, ihre Haut nicht zu überpflegen. Fettige Cremes schaffen ein Treibhausklima auf der Haut, gerade bei Krankheiten wie Couperose verschärfen sie das Problem. Lotionen und wasserhaltige Cremes helfen hier besser. Oft ist weniger mehr.

 

Das Interview führte Julia Lauer, RNZ

Referent

Prof. Dr. med. Alexander Enk
Ärztlicher Direktor, Hautklinik am UKHD