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Thoraxchirurgie

Lungenkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen. An der Thoraxklinik in Heidelberg-Rohrbach werden jedes Jahr etwa 2300 Patienten mit diesem Leiden operiert. Der Medizin-Professor Hauke Winter ist dort als Chefarzt der Thoraxchirurgie tätig. Im Rahmen der Interviewserie „Medizin am Abend“ berichtet er, welche Vorteile neue Operationstechniken für Patienten haben, in welchen Fällen sie in Frage kommen und was bei der Früherkennung Hoffnung macht.

Die Behandlung von Lungenkrebs hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Woran liegt das, Herr Professor Winter?

Da spielen viele Faktoren hinein. Zum einen lassen sich heute Tumoren früher erkennen, aber auch die medikamentöse Behandlung in Form von Immuntherapien und gezielten Therapien bringt Fortschritte mit sich und kann das Leben der Patienten oftmals deutlich verlängern. Und auch die Operationstechniken sind deutlich besser geworden, sie bedeuten weniger Schmerzen infolge der Operation und einen kürzeren Krankenhausaufenthalt für die Patienten.

Sie sind Chefarzt der Thoraxchirurgie. Verbessern neue Operationsmethoden auch die Heilungschancen?

Die neuen minimalinvasiven Operationsmethoden sind besser verträglich. Viele Studien haben untersucht, ob sie auch die Heilungschancen verbessern, aber das ließ sich nicht belegen.

Trotzdem, so argumentieren Sie, bedeuten die Neuerungen im Operationssaal eine erhebliche Verbesserung für die Patienten.

Bei dem klassischen Operationsverfahren wird ein fünf bis zehn Zentimeter großer Schnitt unterhalb der Brust gesetzt. Dabei spreizt man die Rippen auseinander, was auch langfristig oftmals zu Schmerzen führt. Jeder vierte Patient erlebt den Eingriff auch lange danach noch als sehr unangenehm.

Und das ändern die neuen Methoden?

Minimalinvasive Methoden gibt es seit drei Jahrzehnten. In der Thoraxchirurgie wurden sie in Deutschland vor Jahren eingeführt. Sie bedeuten kleinere Narben und in der Folge auch deutlich weniger Schmerzen für die Patienten. In den letzten Jahren wird zunehmend roboterassistierte operiert. Ein Roboter hält in Anwesenheit eines Operateurs Kamera und Instrumente, er zittert nicht. Bei minimalinvasiven Operationsverfahren kann man auch die Drainagen, die Wundflüssigkeit ableiten, schneller ziehen. Und auch die Wunden im Körperinneren, die wir mit Klammer-Naht-Geräten verschließen, sind kleiner.

Das heißt, die minimalinvasiven Methoden haben nur Vorteile für die Patienten?

Sie haben definitiv viele Vorteile, es ist ein tolles Verfahren. Einziger Nachteil für Patienten ist, dass der Roboter kein taktiles Gespür hat, um kleinere Tumorherde in der Lunge zu ertasten. Das könnte aber in Zukunft möglich werden; momentan ziehen wir zu den Aufnahmen der Kamera CT-Bilder hinzu, um das zu kompensieren. So können wir anatomische Strukturen bildlich darstellen und auch kleinere Herde finden. Ein weiterer Nachteil ist, dass diese robotergestützte OP-Technik sehr teuer in der Anschaffung und im Unterhalt ist.

Kommt das Verfahren für jeden Patienten infrage?

Wir wenden es auch bei Kassenpatienten an, da machen wir keinen Unterschied. Allerdings ist es nicht bei allen Patienten medizinisch indiziert. Nur bei Tumoren, die nicht größer als vier bis fünf Zentimeter sind, ist minimalinvasives Operieren sinnvoll. Bei größeren Tumoren nutzen wir klassische Methoden.

Was wird bei einem Lungenkarzinom denn genau operiert?

Wir entfernen in der Regel eine anatomische Einheit, das ist meistens ein Lungenlappen. Insgesamt haben wir fünf Lungenlappen, rechts drei und links zwei. Bei fortgeschrittenen Tumoren erfolgt zusätzlich zur Operation eine Chemotherapie. Man muss dazu sagen, dass von Patienten mit Lungentumor rund ein Viertel überhaupt operabel ist. Derzeit untersuchen wir an der Thoraxklinik, ob eine Immuntherapie, die bisher ebenfalls vor allem bei weit fortgeschrittenen Tumoren eingesetzt wird, beziehungsweise eine Kombination von Immuntherapie und Chemotherapie die Heilungschancen erhöht, wenn man sie vor der Operation gibt.

Noch eine Frage zur Früherkennung. Eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums förderte unlängst zutage, dass RNA-Schnipsel im Blut Aufschluss über das Risiko von Lungenkrebs geben. Bisher wird der Raucherstatus zur Risikoabschätzung herangezogen. Was denken Sie, kommt die Blutuntersuchung bald in die Anwendung?

Im Blut kann man schon sehr viel sensitive Information ablesen. Diese Studie, an der wir übrigens beteiligt waren, liefert weitere Hinweise darauf, dass das Blut sehr aufschlussreich ist. Aber es sind weitere Studien hierzu erforderlich – und dann stellt sich die Frage, wen man überhaupt testet. Aber nicht nur das Blut ist vielversprechend. Als eine der größten, wenn nicht sogar als die größte Lungenklinik in Deutschland suchen wir auch in der Luft, die ausgeatmet wird, nach Molekülen, die auf einen Lungentumor schließen lassen. In China habe ich auf einem Kongress einmal gesehen, wie Hunde in der Ausatemluft erschnüffeln, ob jemand Tumoren in der Lunge hat. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier in Zukunft fündig werden. Aber so weit sind wir momentan leider noch nicht.

 

Das Interview führte Julia Lauer, RNZ

 

Das Interview führte Julia Lauer, RNZ

Referent

Professor Hauke Winter
Chefarzt der Thoraxchirurgie, Thoraxklinik Heidelberg am UKHD