Newsroom Events Medizin am Abend 2023 95.…

Robotik in der Chirurgie

Die Schlüsselloch-Chirurgie gilt als schonend für Patienten, weil hier nur kleine Schnitte gesetzt werden. Operationsrobotern kommt dabei immer mehr Bedeutung zu. Christoph Michalski, Professor für Chirurgie am Heidelberger Universitätsklinikum, erklärt im Rahmen der Interviewserie „Medizin am Abend“, wie die Arbeit mit Robotern funktioniert, wo sie zum Einsatz kommen und wo noch immer offen operiert werden muss.

Herr Professor Michalski, schon seit über 30 Jahren kommen minimalinvasive Techniken bei Bauch-OPs zum Einsatz. Damit erspart man den Patienten teils 30 Zentimeter lange Schnitte. Was hat sich in dieser Zeit getan?

Bei minimalinvasiven Operationstechniken setzen wir vier bis fünf jeweils ein Zentimeter lange Schnitte, blähen den Bauch auf und führen eine Kamera ein, sodass wir unter Sicht operieren. In der Anfangszeit wurden mit Hilfe der minimal-invasiven Chirurgie vor allem Gallenblasen oder der Wurmfortsatz operiert. Heutzutage haben wir jedoch unsere Expertise deutlich erweitert und können auch komplexe Eingriffe an anderen Organen durchführen. Neu ist, dass uns bei einigen dieser Eingriffe seit wenigen Jahren ein Roboter assistiert.

Wie kann man sich das vorstellen?

Der Arzt steht hier nun nicht mehr am Patienten, sondern an einer Konsole und bedient die Arme des Roboters mit seinen Händen und Füßen, ein Bildschirm bildet alle Bewegungen ab. Hierbei sind die Instrumente nicht starr, sondern sehr frei beweglich. Zudem ermöglicht der Roboter ein deutlich besseres räumliches Sehen als die herkömmliche minimal-invasive Technik. Dadurch können die Patienten noch schonender operiert werden. Für den Operateur ist die Arbeit an der Konsole weniger mühsam, weil er nicht gebeugt stehen muss.

Das klingt nach einer Art Roboter, wie ihn inzwischen viele Kliniken haben.

Die erste Generation von Da-Vinci-Robotern kam bereits vor 20 Jahren auf den Markt, in manchen Bereichen wie etwa bei Eingriffen an der Prostata haben sie in Deutschland in der Breite Fuß gefasst. In der Bauchchirurgie kamen sie jedoch erst später an, vor drei oder vier Jahren. Das hängt mit den hohen Kosten dieser Technik zusammen, die die Krankenkassen lange nicht übernehmen wollten, zum anderen müssen in der Bauchchirurgie häufig Organe und Gefäße wieder zusammengenäht werden, sodass die Lernphase hier länger war. Wir haben am Uniklinikum zwei dieser Roboter, die wir ausschließlich in der Bauchchirurgie einsetzen. Auch das Salem-Krankenhaus hat einen solchen Da-Vinci-Roboter, den wir gemeinschaftlich nutzen, unter anderem in der Bauchchirurgie.

Dass minimalinvasive Verfahren schonend ist, haben Sie schon erwähnt. Profitieren Patienten auch anderweitig von der neuen Technik?

Für sie macht es kaum einen Unterschied, roboterassistierte Operationen sind ebenso sicher wie die laparoskopischen Verfahren. Daten zur Sicherheit werten wir derzeit aus, sodass wir hier bald noch genauere Aussagen machen können. Die Roboter sind auch vergleichsweise leicht zu steuern. Das ist gerade bei komplexen Eingriffen von Bedeutung, bei denen bisher ausgewiesene Spezialisten das Messer führten. Es gibt mehr Personal, das einen Roboter bedienen kann.

In welchen Fällen setzen Sie den Roboter ein?

An unserer Klinik nutzen wir ihn in der klassischen Tumorchirurgie. Er kommt an allen Organen zum Zug, und das auch bei komplexen Eingriffen an Leber, Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre und Darm.

Als ein Nachteil von minimalinvasiven Operationen aller Art gilt, dass das Fingerspitzengefühls eines Arztes nicht zum Tragen kommt und die Einschätzung mancher Fragen erschwert ist. Etwa wenn unklar bleibt, ob Nähte halten. Wie gehen Sie damit um?

Die Robotik hat keine Haptik, und sie gibt auch keine Rückmeldung zur Stärke und Härte, mit der man das Instrument anwendet. Doch nach einiger Zeit, wenn man sich an das Operieren vor dem Bildschirm gewöhnt hat, bekommt man ein sicheres Auge dafür, ob die Nähte halten. Die Sicht auf dem Monitor ist so gut, dass sie die Haptik ersetzen kann.

Wenn jetzt die Roboter die Instrumente führen, die zuvor Ihre Kollegen hielten: Sind Sie dann inzwischen alleine im Operationssaal?

Das wäre denkbar, aber es steht neben dem Anästhesisten auch immer ein noch Facharzt mit am Tisch. Er assistiert und hält gegebenenfalls Zusatzinstrumente wie Klammernahtgeräte oder Kompressen.

Zu der Klinik, die Sie leiten, gehört auch die Transplantationsmedizin. Kann man auch schon Organe minimalinvasiv verpflanzen?

Ja, das gibt es auch. Bei Nierenspenden entnehmen wir das Organ mit Hilfe von Schlüsselloch-Verfahren, also entweder laparoskopisch oder roboterassistiert. Der Roboter soll uns bald auch dabei unterstützen, die Niere beim Empfänger einzusetzen. Darauf bereiten wir uns gerade vor.

[Eingefügt:]  Eine Niere misst etwa sechs bis elf Zentimeter. Für eine Transplantation brauchen Sie die Niere doch als Ganzes. Wie soll das minimalinvasiv gehen?

Für das Bergen der Niere vom Spender muss man nach der minimal-invasiven Präparation und Freilegung tatsächlich noch einen etwas größeren Schnitt von fünf bis zehn Zentimetern machen.  Das gleiche gilt, wenn man die Niere wieder im Empfänger einpflanzen möchte. Der dafür notwendige Schnitt ist aber deutlich kleiner als ein für die offene Implantation notwendiger Schnitt von 30 bis 40 Zentimetern.

Wenn Sie sagen, Sie bereiten sich auf diesen neuartigen Eingriff vor: Wie machen Sie das?

Man stellt sich an anderen Universitätskliniken, die hier bereits Erfahrungen haben, mit an den Operationstisch. Wir haben beispielsweise in Halle und im belgischen Gent den Kollegen über die Schulter gesehen. Dann liest man die Protokolle der Kollegen über die Eingriffe und trainiert vor Ort sein Pflegeteam. Für häufige Eingriffe an Speiseröhre, Darm oder auch beispielsweise Leber gibt es Schulungen, aber bei der vergleichsweise seltenen Nierentransplantation nicht. Da muss man das Vorgehen selbst entwickeln. Auch dabei steht das Patientenwohl stets über allem.

Finden denn an Ihrem Haus überhaupt noch offene Operationen statt?

Oh ja, durchaus, sogar zwei Drittel der Eingriffe operieren wir noch offen. Minimalinvasive laparoskopische oder roboterassistierte Eingriffe sind nicht das Ende der klassischen Chirurgie. Große Tumoren sowie Tumoren, die mehrere Organe angegriffen haben, sowie sämtliche Eingriffe, die einen großen Überblick des Arztes und eine breite Zugriffsmöglichkeit erfordern, operieren wir nach wie vor offen.

Das Interview führte Julia Lauer, RNZ

Referent

Professor Christoph Michalski
Ärztlicher Direktor Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie