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Die Bauchspeicheldrüse, ihre Aufgaben und was passiert, wenn sie erkrankt

15 bis 20 Zentimeter misst die Bauchspeicheldrüse, die quer hinter dem Magen liegt. Sie ist das Schwerpunktthema von Patrick Michl, Professor für Gastroenterologie am Heidelberger Universitätsklinikum. Er erklärt im Rahmen der Interviewserie „Medizin am Abend“, wofür wir die Drüse brauchen und was passiert, wenn sie krank wird.

Drüsen produzieren Stoffe, die der Körper benötigt. Die Bauchspeicheldrüse ist lebensnotwendig. Ist sie so etwas wie eine geheime Schaltzentrale, Herr Professor Michl?

Eigentlich sind es sogar zwei Schaltzentralen. Denn die Bauchspeicheldrüse produziert zum einen das Hormon Insulin, zum anderen stellt der größere Teil des Organs Verdauungsenzyme her und schleust sie in den Darm ein. Wir brauchen diese Enzyme, um Fette, Kohlenhydrate und Eiweiße zu verdauen.

Von der Bauchspeicheldrüse bekommt man bestenfalls gar nichts mit. Aber wenn sie nicht funktioniert, wird es oftmals gefährlich. Woran liegt das?

Auf der hormonellen Seite führt ihr Versagen zu Typ-1-Diabetes. Darum kümmern sich die Endokrinologen. Wenn der Verdauungsteil der Drüse nicht funktioniert, beschäftigt das uns Gastroenterologen. Dann kann der Körper bestimmte Nahrungsbausteine nicht aufnehmen.

Die Folge ist also Mangelernährung?

Genau. Oft sind es Gewichtsverluste und Durchfälle, die darauf hinweisen, dass etwas mit der Bauchspeicheldrüse nicht stimmt.

Welche anderen Erkrankungen kann das Organ bekommen?

Wir Gastroenterologen beschäftigen uns bei der Bauchspeicheldrüse hauptsächlich mit akuten und chronischen Entzündungen, außerdem mit verschiedenen Krebserkrankungen dieser Drüse.

Wie kommt es dazu, dass sich die Bauchspeicheldrüse entzündet?

Oft ist exzessiver oder chronischer erhöhter Alkohol der Auslöser. Aber auch Gallensteine können ein Verursacher sein, wenn sie den Gallengang entlangwandern und sich vor den Ausgang zum Zwölf-Finger-Darm legen. Dort verstopfen sie gemeinsame Mündung mit dem Bauchspeicheldrüsengang. Durch den Rückstau von Galle und Pankreassaft kann es passieren, dass sich die Bauchspeicheldrüse selbst verdaut.

Und dann?

Dann stirbt Gewebe ab, und das kann das sehr unangenehm werden. Während sich mildere Formen einer Bauchspeicheldrüsenentzündung oft zurückbilden können, kann diese Entzündung auch  sehr ernst werden. Wenn Baktrien in das abgestorbene Gewebe eindringen und Infektionen hervorrufen, liegen die Patienten sogar oft auf der Intensivstation.

Wie behandeln Sie das?

Die Gastroenterologie arbeitet vielfach minimalinvasiv, wodurch man oftmals größere chirurgische Eingriffe vermeiden kann. Für diese Eingriffe, die relativ neu sind, müssen wir nicht einmal durch die Haut. Bei einer dieser speziellen Endoskopien schieben wir einen Gummischlauch durch den Mund bis in den Magen. Dort können wir mit einem Ultraschallkopf am Endoskop vom Magen aus das benachbarte abgestorbene oder entzündete Gewebe beurteilen. Wenn nötig, können wir durch die Magenwand hindurch eine kleine Öffnung schaffen und auf diesem Weg das abgestorbene Gewebe abtragen.

Woran merkt man, ob man eine entzündete Bauchspeicheldrüse hat?

Oft berichten Patienten von einem gürtelförmigen, häufig starken Schmerz, der vom Oberbauch bis in den Rücken zieht. Bei der chronischen Form lassen sich auch Funktionsverluste bei der Verdauung beobachten: Patienten verlieren Gewicht, haben fettreichen Stuhlgang oder werden zu Diabetikern, weil auch die hormonelle Funktion der Drüse versagt. Bei chronischen Entzündungen der Bauchspeicheldrüse steigt auch das Risiko einer Krebserkrankung. Hier ist es häufig eine Gelbsucht, die darauf aufmerksam macht.

Ein Tumor an der Bauchspeicheldrüse ist sehr gefürchtet, weil er häufig tödlich ist. Tut sich etwas bei der Behandlung?

Bauchspeicheldrüsenkrebs wird oft spät entdeckt und hat oft schon gestreut. Auch ist aufgrund der zahlreichen Blutgefäße in der Umgebung eine Operation oftmals nicht möglich. Nach wie vor ist diese Krebsart sehr tödlich. Es tut sich jedoch etwas in der Behandlung. Chemotherapie kann man etwa dazu einsetzen, dass der Krebs kleiner wird, um ihn im Verlauf doch noch operieren zu können. Außerdem suchen wir aktuell sehr intensiv danach, ob es individuelle Therapieansätze durch eine beste molekulare Charakterisierung gibt.

Kann man denn ab und zu nach der Drüse sehen, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist?

Im frühen Stadium sind Tumoren fast immer ein Zufallsbefund. Tatsächlich gibt es im Gegensatz zu anderen Organen kein regelmäßiges Screening der Bauchspeicheldrüse. Stattdessen arbeiten wir daran, Risikopatienten zu identifizieren, bei denen die Untersuchung mit bildgebenden Verfahren wie MRT oder einer Magenspiegelung mit einem speziellen Ultraschallgerät sinnvoll ist.

Wer zählt dazu?

Das sind unter anderem Patienten mit Zysten an der Bauchspeicheldrüse. Die Mehrzahl von ihnen ist harmlos, aber aus einer kleinen Zahl von ihnen können sich Karzinome entwickeln. Diese Zysten können nicht so einfach entfernt wie etwa Polypen im Darm, denn eine Bauch-OP ist ein großer Eingriff, der Risiken birgt. Stattdessen untersuchen wir die Zysten über einen endoskopischen Ultraschall im Rahmen einer Magenspiegelung, mitunter nehmen wir eine kleine Probe. Zusätzlich zu Menschen mit bestimmten Zysten an der Bauchspeicheldrüse zählen auch neu an Diabetes Erkrankte mit plötzlichem Gewichtsverlust zu den Risikopatienten sowie Menschen mit chronischer Entzündung der Bauchspeicheldrüse oder bestimmten erblichen Veranlagungen.

Italienische Forscher haben einen Atemtest entwickelt, mit dem sie Aufschluss über den Gesundheitszustand der Drüse erhalten wollen. Was halten Sie davon?

Es gibt bereits verschiedene Funktionstests, die über die Atemluft oder über Stuhlproben die Verdauungsfunktion der Bauchspeicheldrüse einschätzen können. Allerdings sind alle diese Test noch nicht optimal. Auch wir suchen nach weiteren, verlässlicheren Markern, um zum Beispiel Bauchspeicheldrüsenkrebs früher erkennen zu können. Aber so weit ist die Forschung noch nicht. Auch deshalb gibt es aktuell keinen Test, den ich einem ansonsten gesunden Menschen zur Vorsorge empfehlen würde.

Kann man denn etwas für die Bauchspeicheldrüse tun, um sie aktiv zu schützen?

Alkohol nicht regelmäßig und nicht übermäßig zu konsumieren, wäre hier der wichtigste Ratschlag. Das schützt neben der Bauchspeicheldrüse auch die Leber. Nicht zu rauchen hilft auch bei chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung und gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs. Und wer Gallensteine hat, sollte fettreiche Nahrung meiden. Ansonsten gibt es leider kein Nahrungsmittel und keine Diät, die spezifisch der Bauchspeicheldrüse helfen.

Das Interview führte Julia Lauer, RNZ

Referent

Professor Dr. Patrick Michl
Ärztlicher Direktor der Klinik Gastroenterologie, Infektionen und Vergiftungen