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Medizin Studieren in Heidelberg

Heidelberg ist international als Medizinstadt bekannt – und schon die Studenten schneiden gut ab. Im Rahmen der Interviewserie „Medizin am Abend“ erklärt Studiendekan Prof. Hans-Christoph Friederich, woran das liegt und was in der Lehre künftig noch besser werden soll. Clara Borlinghaus, fünftes Semester, berichtet aus studentischer Sicht.

An 38 Universitäten in Deutschland kann man Medizin studieren. In den Staatsexamina schneiden angehende Ärzte in Heidelberg im bundesweiten Vergleich besonders gut ab. Woran liegt das, Herr Professor Friederich?

Friederich: Bei vielen Bewerbern um einen Studienplatz steht Heidelberg an erster Stelle. Die Plätze werden zentral nach Quote vergeben. Da zählen das Abitur und der Medizinertest hinein, aber auch etwa die Bereitschaft, später auf dem Land ärztlich tätig zu werden. Nur die Besten haben eine Chance, in Heidelberg angenommen zu werden.

Inwieweit spielt die Qualität der Lehre mit hinein?

Friederich: Moderne und innovative Lehr- und Lernmethoden sind ebenso wichtig. In Heidelberg legen wir viel Wert auf eine intensive Zusammenarbeit der Fächer in der Lehre. Im Vorklinikum etwa – das ist der Studienabschnitt der ersten vier Semester – sind die einzelnen Fächer eng verzahnt und stellen gemeinsam klinische Bezüge her, wenn etwa Anatomie, Physiologie und Biochemie ihr Wissen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermitteln.

Hat Ihnen das geholfen, Frau Borlinghaus? Sie haben das erste von drei Staatsexamen, das Physikum, im Herbst hinter sich gebracht. 

Borlinghaus: Wir lernen all diese Dinge in der Vorklinik sehr detailreich. Der integrierte Aufbau hat mir dabei gut gefallen. Trotzdem sind die zwei Jahre herausfordernd und mental stressig, man steht schon unter Leistungsdruck. Hilfreich ist auch, dass wir in Heidelberg die Fächer Anatomie, Biochemie und Physiologie durchgehend ab dem zweiten Semester haben. So bleiben wir dauerhaft im Thema. 

Im schriftlichen Teil des Physikums beantworten die Studenten 320 Fragen an zwei Tagen. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Borlinghaus: Wir hatten in Heidelberg zwischen der letzten Klausur des vierten Semesters und dem Examen 65 Tage Zeit zum Lernen, das war relativ lang. Ich habe mir den Stoff auf die Tage aufgeteilt und dann überwiegend alleine gelernt. Für die mündliche Prüfung habe ich mich dann auch gemeinsam mit Kommilitonen und Kommilitoninnen vorbereitet.

Wie haben die Studierenden in Heidelberg abgeschnitten?

Borlinghaus: Der Heidelberger Durchschnitt der richtigen Antworten lag im letzten Physikum bei über 81 Prozent. Das sind acht Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt. 

Das Mainzer Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen entwickelt die Prüfungsfragen und veröffentlicht die Ergebnisse. Daraus geht auch hervor, dass der Anteil von Frauen und von ausländischen Studierenden höher ist als an vielen anderen Unis. Ist das der Schlüssel zum Erfolg?

Friederich: Heidelberg ist ein Magnet für leistungsstarke Studierende, auch aus dem Ausland. Und Schülerinnen machen oft ein besseres Abitur als Schüler, insofern bekommen sie auch eher einen Studienplatz. In diesem Zusammenhang ist noch wichtig zu erwähnen, dass sich die höheren Semester vielfach der jüngeren annehmen. Da haben wir in Heidelberg ein großes Engagement seitens der Fachschaft, und Studierende berichten uns, dass Formate des „Peer-Learning“ sehr nachhaltig sind.

Haben Sie damit auch Erfahrungen, Frau Borlinghaus?

Borlinghaus: Ja, höhere Semester bieten Tutorien an, die fester Bestandteil der Lehre sind. Erstsemester lernen von älteren Studierenden zum Beispiel, wie man CT-Bilder interpretiert. Ich bin selbst auch Tutorin für den CT- und den Ultraschall-Kurs und auch viele meiner Freunde sind motiviert, ihr Wissen weiterzugeben. Gerade um Bezüge zur klinischen Anwendung herzustellen, sind diese Tutorien wichtig.

2002 wurde die Zulassungsordnung für Ärzte geändert. Liegt es daran, Herr Friederich, dass sich die Lehre heute stärker am Patienten orientiert?

Friederich: Heidelberg war die erste Universität in Deutschland, die ihr Curriculum nach der geänderten Zulassungsordnung an das der Harvard Medical School angelehnt hat. Das haben wir hier schrittweise weiterentwickelt. Heute steht die Lehre in Heidelberg für Praxisnähe, Interdisziplinarität und Kompetenzorientierung. 

Damals bildeten die Universitätskliniken des Landes unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte. Tübingen beschäftigte sich etwa mit Medizindidaktik, Mannheim mit dem Praktischen Jahr. Stehen Sie im Austausch zu diesen Themen?

Friederich: Wir treffen uns mehrfach jährlich mit Vertretern der anderen Universitäten des Landes und tauschen uns zu gemeinsamen Strategien und Perspektiven der zukünftigen Lehre aus. Es ist übrigens derzeit wieder eine neue Approbationsordnung in Vorbereitung.

Worum geht es diesmal?

Friederich: Ein Thema ist, die wissenschaftliche Kompetenz während des gesamten Studiums zu stärken, um neue Studienergebnisse richtig einordnen zu können und gute wissenschaftliche Praxis von nichtwissenschaftlichem Vorgehen differenzieren zu können. Ein anderes Ziel ist, den vorklinischen und den klinischen Teil des Studiums – also Theorie und Praxis – noch stärker zu verbinden. Wir sind hier in Heidelberg schon sehr gut auf diese Themen vorbereitet.

Sie, Herr Friederich, sind seit Oktober Studiendekan der Medizin. Können Sie sich auf den guten Ergebnissen Ihrer Studenten ausruhen?

Friederich: Nein! Der Anspruch ist riesig, das gute Abschneiden aufrechtzuerhalten. Wir wollen die Digitalisierung vorantreiben und dazu eine Cloud aufbauen und sie mit Lehrfilmen und E-Learning-Angeboten füllen. Außerdem planen wir neuen Technologien, wie der Künstlichen Intelligenz den Stellenwert einzuräumen, der ihr in der Medizin von morgen zukommt. Und wir wollen die Interprofessionalität im Gesundheitswesen stärker in den Fokus nehmen. Es gibt also noch immer genug zu tun.

Das Interview führte Julia Lauer, RNZ

Im Interview

Clara Borlinghaus
Medizinstudentin an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg

Prof. Dr. Hans-Christoph Friederich
Studiendekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg