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Allergisches Asthma

Das Wort Asthma kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Keuchen“ – oft ist es eine Allergie, die die Atemnot auslöst. Felix Herth ist Professor für Lungenheilkunde an der Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg. Im Rahmen der Interviewserie „Medizin am Abend“ erklärt er, warum eine frühe Abklärung wichtig ist, was hilft – und warum immer mehr Menschen darunter leiden.

Mit der Blüte von Buche, Eiche und Akazie zählt der Mai noch immer zur Heuschnupfenzeit. Beschäftigt Sie das als Lungenarzt, Herr Professor Herth?

Viele Patienten mit Birkenpollen-Allergie haben mit Beschwerden in den oberen Atemwegen zu kämpfen, mit Schupfen oder Augenbrennen. Zu uns kommen sie, wenn das Problem die Etage wechselt und auf die Lunge übergeht. Dann sprechen wir von allergischem Asthma. Wenn es unbehandelt bleibt, besteht die Gefahr, dass es chronisch wird. Deshalb bläst man lieber einmal mehr im Lungenfunktionstest. Das tut nicht weh, und dann hat man Klarheit.

Wie kommt es überhaupt dazu, dass Heuschnupfen und Asthma oftmals zusammenkommen?

Die Zellen, die die Nase auskleiden, sind die gleichen wie in der Lunge. Allergene wie Pollen oder auch Katzenhaare finden dort dieselben Andockstellen vor. Deshalb tritt häufig beides zusammen auf.

Bei Heuschnupfen hilft oftmals eine Desensibilisierung. Ist man damit das allergische Asthma los?

Die Hyposensibilisierung bewirkt, dass das Problem nicht nach unten rutscht – vor allem, wenn sie früh erfolgt. Der Punkt ist: Gegen Birkenpollen kann ich problemlos desensibilisieren. Aber wenn Sie auch noch auf Eiche, Ambrosia und Akazie allergisch reagieren, wird es zu viel.

Allergisches Asthma nimmt in den Industrienationen zu. Woran liegt das?

Es gibt immer mehr Allergene. Ambrosia zum Beispiel ist aus Amerika zu uns gekommen, diese Pflanze gab es bei uns vor 25 Jahren noch gar nicht. Ein anderer Grund ist die Hygiene; Bergbauernkinder sind viel unempfindlicher gegen Allergene als die Stadtbevölkerung. Und Feinstaub ist zwar keine Allergen, aber er reizt die Lungen, und vor allem die Atmungsorgane von Frauen reagieren darauf oft mit Asthma. Und wir atmen ständig Feinstaub ein. Was schätzen Sie, wie viel Luft täglich durch unsere Lungen strömt?

Gute Frage, 5000 Liter vielleicht?

Von wegen: Es sind mindestens 10 000 Liter, oft sogar 15 000. Ein Luftfilter, wie wir sie in Corona-Zeiten kennengelernt haben, ist nach 10 000 Litern schwarz. Unsere Lunge schafft dieses Volumen Tag für Tag. Und wenn die Luft mit Schadstoffen belastet ist, leidet sie.

Was ist mit Übergewicht? Steckt das auch oft hinter Asthma?

Bekanntlich ist es so: Wer rastet, rostet. Das gilt auch für die Lunge. Bei Adipositas lastet nicht nur mehr Gewicht auf der Lunge, es leidet auch die körperliche Aktivität. Wenn man seiner Lunge etwas Gutes tun will, dann muss man sich bewegen, idealerweise macht man Ausdauertraining. Und Menschen mit einem Body-Mass-Index von mehr als 35 bewegen sich kaum mehr. Dann werden die Bronchien enger – das ist charakteristisch für Asthma.

Unterscheidet sich die Behandlung von allergischem und chronischem Asthma?

Wenn das Asthma einen eindeutigen Auslöser hat, versucht man, ihn loszuwerden: indem man den Hund weggibt, von den Kilos runterkommt oder man, wie gesagt, gegen Allergene hyposensibilisiert. Wenn das nicht wirkt, hilft inhalatives Kortison – so wie bei chronischem Asthma auch. In Mikrogrammdosen ist es nicht schädlich. Und bei manchen Pollen-Allergikern besteht das Problem ohnehin nur sechs Wochen im Jahr.

Es gibt alternative Therapieansätze, bei denen Asthmatiker zum Beispiel die Luft aus Bienenstöcken einatmen. Was halten Sie davon?

Primär behandeln wir mit Medikamenten. Von meinen Patienten weiß ich aber, dass sie nebenher vieles in der Art tun. Wenn es ihnen guttut, Bienenluft einzuatmen, will ich sie daran nicht hindern. Wichtig ist aber, dass sie ihrem Arzt sagen, was sie unternehmen. Denn manches kann auch schädigen, zum Beispiel das Inhalieren ätherischer Substanzen. Die Lunge ist ein wässriges Organ, Öle können die Lunge entzünden und zerstören. Das sollte man wissen.

Und woran forschen Sie?

80 Prozent der Asthma-Patienten können wir mit Ursachenbekämpfung und Kortison-Sprays so gut helfen, dass sie stabil und im Alltag auch kaum eingeschränkt sind. 20 Prozent der Patienten entwickeln ein schweres Asthma. Für diese Patienten bauen wir Antikörper, die die Kaskade an Informationen unterbrechen, die zu einer Verengung der Bronchien führt. Hier versuchen wir, zielgerichtete Therapien anzubieten. Es gibt schon ein paar Medikamente dieser Art, die zugelassen sind. Aber es gibt noch viele Subtypen, für die die Mittel fehlen. Wir arbeiten daran, dass es dafür künftig Arzneien geben wird.

 

Das Interview führte Julia Lauer, RNZ

Referent

Prof. Dr. Felix Herth
Medizinischer Geschäftsführer der Thoraxklinik am UKHD