Newsroom Events Medizin am Abend 2022 86. Brustkrebs

Brustkrebsmonat Oktober: Rekonstruktion aus einer Hand für mehr Lebensqualität

Im Laufe ihres Lebens erkrankt eine von acht Frauen an Brustkrebs. Dr. Stefanie Buchen setzt sich als Leiterin des Brustzentrums am Heidelberger Universitätsklinikum nicht nur für die Genesung der Frauen ein, sondern baut in manchen Fällen auch ihre Brust neu auf. Im Rahmen der Interviewserie „Medizin am Abend“ beantwortet die Gynäkologin mit Schwerpunkt plastische Chirurgie wichtige Fragen zur Behandlung.

Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Gibt es Fortschritte bei seiner Bekämpfung, Frau Dr. Buchen?

Ja. Sofern sie früh erkannt werden und lokal begrenzt sind, sind heute 90 Prozent der Brustkrebserkrankungen heilbar. Fortschritte gibt es in der zielgerichteten medikamentösen Therapie sowie bei der Weiterentwicklung von Gensignaturen. Das bedeutet, dass man Tumorgewebe untersucht, um unter anderem den Erfolg von Chemotherapien einzuschätzen. Auch die Radikalität der Operationen haben sich vermindert. Beispielsweise müssen meist nur gezielte Lymphknoten in der Achselhöhle entfernt werden.

Viele Frauen fürchten nicht nur den Brustkrebs, sondern auch die Abnahme der Brüste und den Verlust ihrer Weiblichkeit. Können Sie diesen Ängsten etwas entgegensetzen?

Brustkrebs ist eine niederschmetternde Diagnose, dazu kommt die Sorge um das Selbstbild und die Attraktivität. Heute können wir in 80 Prozent der Fälle brusterhaltend operieren. Dabei geht die onkologische Sicherheit immer vor. Ist dennoch eine Brustentfernung notwendig, haben wir exzellente Operationsverfahren zur Wiederherstellung, entweder sofort oder später. Eine Besonderheit der Behandlung am Heidelberger Brustzentrum ist, dass wir hier die ganze Palette an plastischer Rekonstruktion auf hohem Niveau und aus einer Hand beherrschen, um die Lebensqualität der Frauen zu verbessern.

Eine Bostoner Untersuchung förderte vor Kurzem zutage, dass Frauen oft zur Entfernung der gesamten Brust geraten wird, obwohl das gar nicht nötig wäre. Wie gehen Sie damit um?

Am Anfang steht eine ausführliche Aufklärung. Sollte eine brusterhaltende Therapie mit Bestrahlung möglich sein, ist eine Entfernung der Brust onkologisch nicht sicherer. Beide Behandlungsformen einschließlich der Rekonstruktion gehen in dieser Hinsicht mit einem gleich hohen Risiko einher.

In welchen Fällen ist eine brusterhaltende Behandlung denn keine Option?

Immer dann, wenn beispielsweise ein ungünstiger Tumor oder ein ungünstiges Brustvolumenverhältnis vorliegt oder wenn dies der Wunsch der Patientin ist.

Bei der Rekonstruktion der Brüste gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: einen Wiederaufbau mit Eigengewebe, das an anderen Körperstellen entnommen wird, oder mit einem Implantat. Ziehen Sie eine Variante vor?

Beide Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile. Die jeweils geeignete Rekonstruktionsmethode muss individuell für jede Patientin geplant werden. Allgemeine und persönliche Risikofaktoren spielen dabei eine Rolle. Bereits die erste Operation muss strategisch so geplant werden, dass ein eventueller Wiederaufbau beziehungsweise Folgeoperationen berücksichtigt werden. Nur so können wir auch medizinisch ein kosmetisch exzellentes Ergebnis erzielen.

Wie sicher sind denn Implantate? Mitunter sind sie in der Vergangenheit wegen minderwertiger Qualität in Verruf geraten.

Grundsätzlich sind Implantate eine gute Option für den Aufbau, wenngleich allgemeine und persönliche Risikofaktoren zu berücksichtigen sind. Die Hülle besteht aus Silikon, Gleiches gilt für die Füllung. Wir verwenden hier an der Universitätsklinik Heidelberg nur Implantate, die von der amerikanischen Aufsichtsbehörde FDA zugelassen sind. Ein Implantat ist immer ein Fremdkörper, das umliegende Körpergewebe kann sich verhärten. Das nennt sich Kapselfibrose. In diesen Fällen können ein Implantataustausch oder eine Eigengewebsrekonstruktion eine gute Option sein.

Wie lange kann ein Implantat halten?

In der Regel etwa 15 bis 20 Jahre.

Bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen werden die Brüste oftmals verkleinert. Woran liegt das?

Im Falle von Brustkrebs muss bei jeder brusterhaltenden Operation die Brust nachbestrahlt werden, da sonst ein 40 -prozentiges Risiko eines erneuten Krebses besteht. Bei größeren Brüsten stellt die Bestrahlung ein langfristig großes Problem dar. Daher sollte vor der Bestrahlung mit der Krebsentfernung gleichzeitig eine Brustverkleinerung angeboten werden, um das Strahlenrisiko zu senken.

Wenden sich auch Frauen an Sie, die sich die Brüste vorsorglich abnehmen lassen wollen, so wie vor einiger Zeit die Schauspielerin Angelina Jolie?

Etwa fünf Prozent der Brustkrebserkrankungen sind erblich bedingt. Die höchste Wahrscheinlichkeit an der erblichen Form des Brustkrebses zu erkranken, besteht bei Frauen mit Mutation in den Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA2. Hierbei besteht ein lebenslanges Risiko von 60 bis 85 Prozent, an Brustkrebs zu erkranken. In diesen Fällen können Frauen ein intensiviertes Früherkennungsprogramm in Anspruch nehmen oder die vorsorgliche Entfernung der Brüste. Durch die prophylaktische Brustentfernung bei dieser Mutation kann eine 98-prozentige Risikoreduktion erreicht werden. Diese Operation ist eine Kassenleistung – genauso wie in all den anderen Fällen, über die wir hier sprechen.

Wie alt sind die Frauen, wenn sie sich dafür entscheiden?

Das ist unterschiedlich, es gibt aber auch junge Frauen, die diese Möglichkeit aufgrund ihrer Veranlagung in Betracht ziehen. Wir führen diese Operation ab dem 25. Lebensjahr durch.

Wenig bekannt ist, dass auch Männer Brustkrebs erkranken können. Sind auch Männer ein Fall für Sie?

Auch Männer können Brustkrebs bekommen, wenngleich das selten ist: Sie machen weniger als ein Prozent der Brustkrebs-Fälle aus. Oft werden die Männer auf einen Tumor aufmerksam, weil sie ihn ertasten. Am Brustzentrum behandeln wir das gesamte Spektrum an Brusterkrankungen, dazu zählen Krebserkrankungen von Männern ebenso wie zum Beispiel auch Anlagestörungen der Brüste von Frauen sowie die Ästhetik.

Kann man sein Brustkrebsrisiko senken, indem man beispielsweise nicht raucht oder auf Deodorants mit Aluminiumsalz verzichtet?

Frauen, die nie geraucht haben, haben ein verringertes Lebenszeitrisiko für Brustkrebs. Für die Deodorants mit Aluminium liegen keine ausreichenden Daten vor. Regelmäßige Bewegung und ausgewogene Ernährung sind präventiv. Das größte Risiko für Brustkrebs ist und bleibt das Alter.

Das Interview führte Julia Lauer, RNZ

Referentin

Dr. Stefanie Buchen
Leiterin Brustzentrum / Senologie am UKHD