Einnässen bei Kindern

Urologische Klinik

Definition der Erkrankung

Die Enuresis (= Einnässen) ist eines der häufigsten urologischen Probleme. Es ist äußerst wichtig zu verstehen, dass das Einnässen ein Symptom und nicht keine Erkrankung darstellt. Verschiedene Ursachen können zu diesen Symptom führen und es kann zu einem frustrierenden Zustand für die betroffenen Kinder, die Familie und für die Ärzte werden.

Mit Übung und Geduld gelingt es aber in den meisten Fällen, eine effektive Therapie anzubieten. Die meisten Kinder erreichen im Alter von ca. 4 Jahren eine gewisse Kontrolle über ihre Blasenfunktion. Üblicherweise wird die Blasenkontrolle tagsüber eher erreicht als in der Nacht. Mit der Zeit werden die meisten Kinder dann auch nachts trocken.

Etwa 20% der 5-jährigen Kinder nässen jedoch noch nachts in das Bett ein. Etwa 15% dieser Kinder erlangen mit der Zeit eine spontane Kontrolle über das Einnässen.

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Ursachen

Obwohl manche Experten eine etwas höhere Inzidenz des Einnässens bei Jungen feststellen, gibt es dennoch keinen definitiven Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern. Ca. 25% aller Bettnässer haben eine sekundäre Enuresis. Das bedeutet, dass das Kind bereits über einen gewissen Zeitraum (typischerweise 6-12 Monaten) trocken gewesen ist. Dem gegenüber wird bei Kindern, die noch nie die vollständige Kontrolle über ihre Harnblase hatten bzw. niemals trocken waren, die Enuresis als primär bezeichnet.

Einige Fälle der sekundären Enuresis können auf bestimmte Traumata oder Stresssituationen zurückgeführt werden. Das Ansprechen auf die Therapie unterscheidet sich im Generellen nicht von den Kindern mit primärer Enuresis.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Ursache für alle Formen des Einnässens nicht wegen Faulheit oder Willkür des Kindes entsteht, so dass die Eltern immer unterstützend und verständnisvoll handeln sollten.

Harnwegsinfekte können zum Einnässen führen. Die Infektion irritiert die Harnblase, was zu gehäufter Miktionsfrequenz und einer Drangsymptomatik führen kann. Die Blase ist dann irritiert und kann beim Kind zum plötzlichen Einnässen führen. Hier ist die Abnahme einer Urinkultur notwendig, um eine Infektion mit entsprechendem Erregernachweis zu diagnostizieren. Wird eine Infektion gefunden, wird üblicherweise nach weiteren anatomischen Problemen des Harntrakts gesucht, die zu dieser Infektion geführt haben.

In den meisten Fällen des Einnässens, die mit anatomischen Missbildungen verbunden sind, wird man in der Anamnese auf Harnwegsinfekte oder persistierendes Harnträufeln tags und nachts, d. h. kindliche Harninkontinenz, stoßen. Sollte einer dieser Befunde festgestellt werden, sind weitere Untersuchungen notwendig, um die anatomische Missbildung festzustellen und zu klassifizieren.

Die Speicherung und Entleerung des Urins aus der Blase ist ein komplizierter Prozess, der durch das Nervensystem geregelt wird. Kinder mit einer Gehirnverletzung oder einer Verletzung des Rückmarks sowie Nervenverletzungen, können eine Enuresis haben. Dies ist der Fall z.B. bei Fehlbildungen des Gehirns oder Rückenmarks, bei Gehirn- oder Rückenmarkverletzungen, nach Operationen und nach Bestrahlungstherapie des Gehirns oder bei Spina bifida. Dies sind sehr komplizierte Fälle und bedürfen einer sehr sorgfältigen Abklärung durch einen speziell ausgebildeten Urologen.

Diagnose

Viele Kinder nässen tagsüber wie auch nachts ein, jedoch tritt die Problematik des Einnässens auch oft isoliert tagsüber oder nachts auf, wobei das nächtliche Einnässen häufiger auftritt. Bei manchen Kindern ist es von Vorteil, wenn die Problematik, die tagsüber auftritt, zuerst behandelt wird, da das Kind aktiv bei der Behandlung mitwirken kann. Tagsüber, wenn das Kind wach ist, kann man es aufmerksam machen und auffordern, zur Toilette zu gehen. Nachts, wenn das Kind schläft, kann es nicht aktiv mitarbeiten. Besteht das Einnässen tags und nachts, ist es notwendig, die Toilettengewohnheiten des Kindes zu erforschen. Das Einnässen tagsüber kann z. B. aufgrund unregelmäßiger Toilettengänge und Zurückhalten des Harns entstehen. Die Toilettengewohnheiten, auch bei Kindern ohne Enuresis, sind anders, als die von Erwachsenen. Viele Erwachsene miktionieren 3-4mal am Tag und es ist nicht ungewöhnlich, dass manchmal 8 Stunden zwischen den Miktionen vergehen. Toilettengewohnheiten von Kindern können nicht nach dem gleichen Standard betrachtet werden.

Bestimmte Studien haben gezeigt, dass Kinder normalerweise häufiger auf die Toilette gehen. Bei Kindern im Vorschulalter bis zur Grundschule ist oft eine Miktionsfrequenz von 10- bis 12-mal üblich. Einige jüngere Kinder (<8 Jahren) miktionieren 4-mal oder weniger am Tag. Bei diesen Kindern tritt auch gehäuft eine Stuhlproblematik, im Sinne des Stuhlschmierens, auf.

Viele Kinder haben zudem die Angewohnheit des Vermeidens. Dies sind wiederholte Handlungen, die das Kind durchführt, um einen akuten Harndrang zu unterdrücken, wie z. B. das Überkreuzen der Beine, das Abdrücken und Festhalten am Genitale sowie das Sitzen auf Fersen. Dabei versucht das Kind, den Harndrang zu unterdrücken. Dies gelingt leider nicht immer.

Kinder, die nur tagsüber einnässen, haben eine Form der kindlichen Inkontinenz. Da die Kontrolle tagsüber meist vor der Kontrolle nachts erreicht wird, muss angenommen werden, dass höchstwahrscheinlich ein einschneidendes Erlebnis zu dieser Situation geführt hat.

Wie oben bereits erwähnt, sind falsche Toilettenangewohnheiten der häufigste Grund für die Tagessymptomatik. Eine genaue Anamnese hilft in den meisten Fällen, das Problem zu klären. Manchmal ist es notwendig, ein Tagebuch zu führen, in dem die Flüssigkeitseinnahme sowie die Ausfuhr und das Auftreten des Einnässens genau zu notieren, damit das Schema des Einnässens erfasst werden kann. Zum Beispiel: bei einem Jungen der nur tagsüber einnässt und dessen Miktionstagebuch und die Anamnese genau untersucht wurden, wurde festgestellt, dass er nur einnässte, wenn er Videospiele spielte. Um länger spielen zu können, unterbrach er das Spiel nicht, unterdrückte alle Anzeichen einer vollen Harnblase, und ging erst zur Toilette als es bereits zu spät war. In dem man diese Angewohnheit korrigierte, hörte auch das Einnässen auf.

Dies ist die Bezeichnung für einen partiellen oder kompletten Harnverlust während das Kind lacht oder kichert. Am häufigsten wird die Giggle-Inkontinenz bei größeren Mädchen gesehen, kann aber ebenso bei Jungen vorkommen. Glücklicherweise ist dies ein Zustand, der mit dem Erwachsenwerden von selbst aufhört.

Es wird davon ausgegangen, dass die Ursache hierfür die Kombination folgender Eigenschaften ist:

  • Tiefer Schlaf, das Kind wacht nicht auf wenn die Blase voll ist.
  • Erhöhte Produktion von wässrigem Urin während des Schlafes. Das Kind produziert mehr Urin im Schlaf, den die kindliche Blase nicht speichern kann.
  • Dysproportion zwischen der Blasengröße und dem Volumen des produzierten Urins. Die kindliche Blase hat nicht genügend Kapazität, um die produzierte Urinmenge zu speichern.

Kinder, die an nächtlichem Einnässen leiden, entwickeln Ängste die damit verbunden sind, dass die Enuresis von Freunden entdeckt wird und dass sie deswegen gehänselt werden. In dieser Situation muss die Familie mit Verständnis und Unterstützung auf das Kind zugehen. Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen, dass das Kind nichts tun kann, um direkt auf die Blasenkontrolle während des Schlafes einzuwirken.

Obwohl die Entwicklung der Blasenfunktion bei manchen Kindern etwas länger dauern kann, wird dennoch eine große Anzahl der Kinder die Kontrolle über ihre Blase mit der Zeit erlangen. Soziale Stress-Situationen, wie z. B. neue Geschwister, alleine schlafen, Eintritt in die Schule, Krise in der Familie oder ein Unfall können die Enuresis auslösen. Kinder, die trocken gewesen sind, können beginnen, nachts einzunässen nachdem sie ein dramatisches Erlebnis in ihrem Leben hatten. Diese Situation muss nicht zwangsläufig wie eine bedrohliche Situation aussehen. Hatte das Kind zuvor eine gute Kontrolle über die Blase, wird sich häufig der Zustand in den kommenden Wochen oder Monaten spontan verbessern. Unterstützende Maßnahmen sowie Verständnis der Eltern sind bei diesem Prozess äußerst wichtig.

Ablauf der Behandlung

Es bestehen mehrere Möglichkeiten zur Behandlung der Enuresis. Sie beinhalten:

  • Umstellung der Flüssigkeitseinnahme und der Toilettenangewohnheiten
  • Verwendung von Klingelhosen/ Klingelmatten
  • Einnahme von Medikamenten.

Diese Maßnahmen können alleine, aber auch in Kombination angewandt werden.

Normalerweise reicht dies als alleinige Therapie nicht aus, aber sie ist der Bestandteil jedes weiterführenden Therapieprogramms. Flüssigkeiten, die reich an Zucker oder Koffein sind, führen zu einer größeren Harnproduktion. Indem man die Zufuhr solcher Getränke beschränkt, kann man den Kindern in den meisten Situationen helfen. Nahrung, die aufgenommen wird, besteht auch größtenteils aus Wasser. Früchte, Eiscreme oder Milchshakes werden manchmal dabei übersehen. Sie müssen ebenfalls als Flüssigkeitszufuhr angesehen und vor dem Schlafengehen eingeschränkt werden.

Vor dem Schlafengehen sollte das Kind immer auf die Toilette geführt und zur Miktion aufgefordert werden. Dies kann mehrmals in der Nacht durchgeführt werden. Viele Familien helfen sich auf diese Weise bereits bevor sie den Arzt aufsuchen. Diese Maßnahme kann auf kurze Sicht erfolgreich sein, die Durchführung aber langfristig schwierig. Zudem kann der unterbrochene Schlaf, in Familien mit beiden berufstätigen Eltern, problematisch sein. Manchmal nässt das Kind auch schon kurz nach dem letzten Toilettengang ein.

Bei Erwachsenen, die an verschiedenen Formen der Inkontinenz leiden, kann ein Training der Beckenbodenmuskulatur hilfreich sein. Normalerweise werden Patienten angehalten die volle Blase nicht gleich zu entleeren und sollten danach versuchen den Harnstrahl zu unterbrechen. Ein Beispiel hierfür ist eine Frau, die nach mehreren Geburten Urin verliert, während sie Lasten hebt oder während sie lacht. Diese Situation ist selbstverständlich nicht auf Kinder übertragbar. Kinder, die tagsüber den Urin halten, werden durch diese Maßnahmen keine Besserung der nächtlichen Enuresis erfahren. Vielmehr wird das Zurückhalten des Urins bei Kindern zu einer Überdehnung der Blase führen, und kann auch zu einer Tagessymptomatik beitragen.

Die Klingelhose und Klingelmatte sind kleine elektronische Geräte, die an den Pyjama oder an der Unterlage des Bettes angebracht werden. Der Sensor ist mit einem elektronischen Alarm verbunden, der sich in der Nähe der Schulter des Kindes befindet. Wenn der Sensor nass wird, wird ein Alarm ausgelöst. Manche von diesen Systemen haben auch einen Vibrationsalarm. Wird der Alarm ausgelöst, versuchen die Kinder zur Toilette zu gehen, so lange die Blase noch fast voll ist. Meistens wird noch die Hilfe eines Erwachsenen benötigt. Der Hauptvorteil dieses Alarmsystems ist, dass keine unerwünschten Nebenwirkungen auftreten. Des Weiteren ist die Rate der Kinder, die rückfällig werden, nach dem sie nachts trocken waren, gering. Der Nachteil dieser Methode ist, dass dieses Alarmsystem nur in häuslicher Umgebung angewandt werden kann und dass es Geschwister oft ebenfalls aufweckt. Diese Methode hilft dennoch nicht allen Kindern, vor allem nicht denjenigen, die einen sehr tiefen Schlaf haben.

Medikamentöse Behandlung des Einnässens

Mehrere Medikamente kommen zur Anwendung der Therapie des nächtlichen Einnässens. Manche von diesen Medikamenten haben ernsthafte Nebenwirkungen. Sie sollten deshalb niemals ohne ärztliche Aufsicht eingenommen werden. Die Medikamente können häufig auch in einer Kombination angewandt werden.

Desmopressin-Acetat

Der Körper produziert ein natürliches Hormon, welches Vasopressin heißt, und das dazu führt, dass der Körper weniger Urin ausscheidet. Dieses Hormon wird dann vom Körper produziert, wenn der Organismus Wasser sparen möchte. Athleten zum Beispiel, produzieren vermehrt Vasopressin während sie einer körperlichen Anstrengung ausgesetzt sind, da sie vermehrt Wasser durch Schwitzen verlieren. Es wurde ebenso herausgefunden, dass dieses Hormon vermehrt im Schlaf ausgeschüttet wird. Das ist auch der Grund, dass viele Menschen nachts durchschlafen, ohne Wasser lassen zu müssen. Der Urin ist daher morgens konzentrierter.

Bei vielen Kindern mit nächtlichem Einnässen fehlen diese Produktion und nächtliche Ausschüttung von Vasopressin. Dieses Hormon wurde analysiert und kann chemisch hergestellt werden und nennt sich dann Desmopressin, welches als Tablette oder Nasenspray auf dem Markt erhältlich ist. Da es auf dem Prinzip des Herabsetzens des Volumens des produzierten Urins funktioniert, muss die Therapie mit Desmopressin (Minirin®) zusammen mit der Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr durchgeführt werden. Dieses Medikament ist vor allem hilfreich, wenn die Kinder auswärts schlafen möchten. Es kann diskret angewandt werden. Bei Bedarf werden 2-3 Hübe des Nasensprays pro Nasenloch verabreicht. Der Hauptnachteil von Desmopressin ist, dass es nicht bei jedem Kind hilft und nachdem es abgesetzt wird, werden nahezu 50 % der Kinder rückfällig.

Andere Medikamente

Anticholinergika wie Oxybutinin oder Propiverin können ebenfalls zur Behandlung des nächtlichen Einnässens angewandt werden. Diese Medikamente wirken auf die glatten Muskelzellen der Blasenwand. Dadurch wird die Kontraktionsfähigkeit der Blasenmuskulatur gesenkt und entspannt. Nebenwirkungen wie z. B. Hautrötungen und Hitzewallungen, trockener Mund und Verstopfung sind gelegentlich zu beobachten. Alleine angewandt sind diese Medikamente zur Behandlung des nächtlichen Einnässens meistens wenig effektiv, können aber bei der Therapie der Tagessymptomatik sehr hilfreich sein. Bei Kindern werden vor allem Anticholinergika wie Mictonetten® oder Mictonorm® in Gewichtsadaptierten Dosen verabreicht.

Hierzu zählen in seltenen, vor allem Anticholinergika- Therapie- refraktären Fällen, die Injektion von Botulinum- Toxin (Botox) in die Harnblasenmuskulatur. Die Injektion wird im Zuge einer Blasenspiegelung durchgeführt, wofür es einer kurzen Narkose bedarf.

Akupunktur, homöopathische Medikamente, Chiropraktiken oder Hypnose werden häufig zusätzlich angewandt. Leider gibt es keine wissenschaftlichen Daten über die Effektivität dieser Maßnahmen bei der Therapie des Einnässens.