Sichelzellenerkrankung

Klinisches Beratungszentrum für Anämien Pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Immunologie

Definition der Erkrankung

In Deutschland leben derzeit (2012) möglicherweise über 1000 Kinder und Erwachsene mit Sichelzellkrankheit. Es sind Migranten aus Zentral- und West-Afrika, den Ländern des östlichen Mittelmeerraumes (Türkei, Libanon, Palästina, Syrien, Süd-Italien, Griechenland, Nord-Afrika), dem Mittleren Osten (Iran, Irak), Asien (Indien, Afghanistan) und Amerika. Da in Deutschland im Gegensatz zu anderen Einwanderungsländern wie beispielsweise Großbritannien kein flächendeckendes Neugeborenenscreening für die Sichelzellkrankheit angeboten wird, liegen keine genauen Daten zur Prävalenz vor.

Was ist die Sichelzellkrankheit?

Die Sichelzellkrankheit ist eine erbliche Erkrankung des Blutes, die die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) betrifft. Der rote Blutfarbstoff (Hämoglobin) ist krankhaft verändert, die Blutkörperchen von Menschen mit Sichelzellkrankheit enthalten vorrangig Hämoglobin S, eine Variante des normalen Blutfarbstoffes.

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Symptome

Wie äußert sich die Sichelzellkrankheit?

Sichelzellen zerfallen schneller als gesunde rote Blutkörperchen, dies führt zur Blutarmut (Anämie). Die Sichelzellen sind nicht so rund und beweglich wie normale Blutkörperchen und können daher in Gefäßen vieler Organe hängen bleiben und die Gefäße verstopfen. In die Gefäße, die durch Sichelzellen verstopft werden, kommt kein Sauerstoff mehr. Der Sauerstoffmangel führt zur Gewebszerstörung und es werden Stoffe freigesetzt, die Schmerzen auslösen.

Besonders häufig verstopfen Sichelzellen die Gefäße der Milz, die dann ihre Abwehrfunktion gegen bekapselte Erreger nicht mehr richtig ausüben kann. Besonders Kinder in den ersten Lebensjahren sind gefährdet durch Infektionen, insbesondere Pneumokokken-Infektionen, die lebensgefährlich sein können.

Deshalb müssen alle Kinder ab dem 3. Lebensmonat gegen Pneumokokken geimpft werden und ab dem 3. Lebensmonat bis mindestens zum 6. Lebensjahr eine Penizillin-Prophylaxe einnehmen.

Auch in anderen Organen können die Sichelzellen zu einer Verstopfung der Blutgefäße führen. Besonders gefährlich sind Gefäßverschlüsse im Gehirn (Schlaganfall), in der Lunge (Thoraxsyndrom) und im Darm (Darmlähmung).

Ursachen

Die Sichelzellkrankheit wird vererbt. Wenn man von Vater und Mutter das Gen für das HbS, den veränderten Blutfarbstoff geerbt hat, erkrankt man an der Sichelzellanämie.
Wird nur von einem Elternteil das Gen für die Sichelzellkrankheit vererbt, vom anderen Elternteil das Gen für den normalen Blutfarbstoff, das Hämoglobin A, ist der Betroffene Träger der Sichelzellkrankheit ohne Krankheitssymptome.

Die Sichelzellmutation ist innerhalb Afrikas mindestens dreimal und in Asien mindestens einmal unabhängig voneinander entstanden und hat sich nach allen Richtungen ausgebreitet.

Heute finden wir die Sichelzellerkrankungen im östlichen Mittelmeerraum (Griechenland, Süditalien, Türkei), im Mittleren Osten (Libanon, Syrien, Iran, Irak, Arab. Halbinsel), Indien, Afghanistan, Pakistan, Nord-und Südamerika. In Nordeuropa, d. h. in Deutschland, Frankreich, England, Holland, Belgien, Skandinavien gab es die Erkrankung früher nicht. Sie ist durch Einwanderer aus dem Mittelmeerraum, Afrika und Asien zu uns gekommen.

Diagnose

WIE UNTERSCHEIDET SICH DAS HÄMOGLOBIN S VON DEN NORMALEN HÄMOGLOBINTYPEN?

Blutausstrich mit Sichelzellen

Das HbS ensteht aufgrund einer Punktmutation im ß-Globinkomplex des Chromosom 11. Diese Mutation führt in der 6. Aminosäurenposition der ß-Kette zum Austausch der Aminosäure Glutamat (HbA) gegen Valin (HbS). Dieser veränderte rote Blutfarbstoff, das HbS,  macht aus den runden, glatten, weichen und gut im Blutstrom beweglichen roten Blutkörperchen spitze, harte, lange Zellen, die wie Sicheln aussehen und die deshalb den Namen Sichelzellen bekommen haben.    

Krankheitsverlauf

Schmerzkrisen können durch Unterkühlung, zu wenig Flüssigkeit und Infektionen ausgelöst werden. Daher sollten sich Patienten mit Sichelzellerkrankung folgendermaßen verhalten: Nicht in kaltem Wasser schwimmen; sich bei Kälte entsprechend warm anziehen; Sichelzellpatienten müssen immer mehr trinken als die anderen: vor allem bei warmem Wetter, Sport, körperlichen Anstrengungen; Sport darf betrieben werden, allerdings kein Leistungssport und die Patienten sollten sich nicht körperlich überanstrengen. Die Penizillin-Prophylaxe muss regelmäßig eingenommen werden. Bei Fieber > 38,5°C muss der Arzt aufgesucht werden, damit festgestellt wird, ob es sich um eine Infektion handelt, die mit Antibiotika behandelt werden muss.

Neben den von der STIKO (ständigen Impfkommission) empfohlenen Impfungen sind weitere Impfungen zu empfehlen:

  1. Pneumokokken Auffrischungsimpfungen ab dem 3. Lebensjahr alle 5 Jahre
  2. Meningokokken:  ab dem 2. Lebensmonat
  3. Hämophilus influenzae b: Einmalige Auffrischungsimpfung ab dem 7. Lebensjahr
  4. Influenza-Impfung: jährlich ab dem 6. Lebensjahr

Äußerst wichtig ist die regelmäßige Einnahme der Penicillin-Prophylaxe bei Kindern ab dem 3. Lebensmonat bis mindestens zum 5. Lebensjahr, bei Kindern, bei denen die Milz entfernt wurde bis mindestens zum 11. Lebensjahr. Alle Patienten mit Sichelzellkrankheit sollten von ihrem Arzt mit Schmerzmitteln ausgestattet sein, die bei Schmerzkrisen eingenommen werden sollten.

Zusätzlich zu den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen, die in einem pädiatrisch-hämatologischen Zentrum erfolgen sollten, muss ein Arzt bei folgenden Beschwerden aufgesucht werden:

  1. Fieber >38,5°C
  2. gespanntem „ dicken“ Bauch
  3. plötzliche Blässe, Kreislaufbeschwerden und Bauchschmerzen
  4. Brustschmerzen, Kurzatmigkeit
  5. jeglicher Schmerz, der nach Anwendung der üblichen Schmerzmittel weiterhin besteht
  6.  plötzliche Sehveränderungen
  7. Priapismus (schmerzhafte Erektion, die andauert)

Ablauf der Behandlung

Wie kann die Sichelzellkrankheit behandelt werden?

Zur Festlegung des therapeutischen Vorgehens sollte der Patient in einem pädiatrisch-hämatologischen Zentrum vorgestellt werden.

Präventive Maßnahmen:

Vermeidung von Unterkühlung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, vorgesehene Impfungen, Penizillin- Prohylaxe (siehe oben). Bei manchen Patienten kann durch die Gabe eines Medikamentes (Hydroxycarbamid, Siklos®) sowohl Schmerzkrisen als auch anderen Komplikationen der Sichelzellkrankheit vorgebeugt werden.

Behandlung der Schmerzkrisen:

Alle Patienten sollten ausreichend Schmerzmittel zu Hause haben, um ihre Schmerzkrisen zu behandeln. Genügt die Einnahme dieser Schmerzmittel nicht, ist die stationäre Behandlung, oft mit starken Schmerzmitteln aus der Gruppe der Opioide, notwendig.

Auch andere, schwerwiegende Komplikationen wie das Thoraxsyndrom bedürfen der stationären Behandlung.

Kurative Behandlung:

Die einzige Behandlung, die die Sichelzellkrankheit heilen kann, ist die Knochenmarkstransplantation. Da dieser Eingriff jedoch meist mit hohen Komplikationen verbunden ist, bleibt er wenigen Patienten vorbehalten, die sehr stark von der Krankheit betroffen sind.

Weitere Informationen

Informationen für Medizinisches Personal

Selbsthilfegruppe IST e.V.

Information en francais (PDF)