Forschung Das UKHD im Forum… KIG BaWü

Forschungs- und Praxisinitiative KIG BaWü

Projekt im Forum Gesundheitsstandort

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Ärztinnen und Ärzte, Pflegende sowie Therapeutinnen und Therapeuten der baden-württembergischen Universitätsklinika und weiterer Kliniken in Baden-Württemberg haben sich zur Initiative „Komplementäre und Integrative Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg“, kurz KIG BaWü, zusammengeschlossen. Ziel ist es, die konventionelle Medizin durch naturheilkundliche und weitere komplementärmedizinische Behandlungskonzepte sinnvoll zu ergänzen und Patientinnen und Patienten somit „Hand in Hand“ zu versorgen.

Professorin Yvonne Samstag, Leiterin der Sektion Molekulare Immunologie am Institut für Immunologie des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) sowie Sprecherin des Konsortiums KIG BaWü und des Akademischen Zentrums für Komplementäre und Integrative Medizin (AZKIM), gibt Einblicke in das Projekt KIG BaWü, das innovative Grundlagenforschung mit klinischer Forschung und Versorgungsforschung verbindet.

KIG BaWü wird seit 2020 vom Land Baden-Württemberg im Rahmen des „Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg“ gefördert.

Steckbrief

Projektname: Forschungs- und Praxisinitiative KIG BaWÜ

Start: 1. Juni 2020

Fördersumme: 1.164.220 Euro
(Für 2020-22 - 1. Förderrunde)

Projektleitung: UKHD

Schnittthemen: PräzisionsmedizinInnovation und Translation, Bildungs-, Ausbildungs- und Studienmaßnahmen

Link: Projektseite 

Frau Professorin Samstag, was versteht man unter der integrativen Versorgung?

Professorin Samstag: Integrative Medizin heißt, dass sich die konventionelle, sogenannte Schulmedizin, und die Komplementärmedizin ergänzen. Ziel ist es, dass es letztlich eine gemeinsame Medizinrichtung gibt, die – wissenschaftlich untermauert – das Beste aus beiden „Welten“ vereint. Das geht natürlich nur auf der Basis guter Diagnostik, und wenn die verschiedenen Therapeuten und Ärzte die gleichen Unterlagen haben. Wichtig ist auch, die komplementäre und integrative Medizin in Aus-, Fort- und Weiterbildung des Gesundheitspersonals einzuschließen, um unterschiedliche Behandlungsmethoden kompetent einschätzen zu können.

 

Wie lassen sich die komplementäre und konventionelle Medizin vereinen?

Prof. Samstag: Indem konventionelle Behandlungsmethoden bei beispielsweise Krebserkrankungen, chronisch-entzündlichen Erkrankungen oder Atemwegs- und Harnwegsinfektionen mit pflanzlichen Präparaten, Nahrungsergänzungsmitteln, Akupunktur oder Bewegungstherapie ergänzt werden. Dadurch können die Lebensqualität der Betroffenen verbessert, Nebenwirkungen onkologischer Therapien gelindert und die Betroffenen zu einem gesundheitsfördernden Lebensstil angeregt werden. Unerlässlich dabei ist die ganzheitliche Betrachtung der Patienten und damit die individuelle Anpassung der Therapie. Hier spielen Motivation, Überzeugung und Vorerfahrungen der Patientinnen und Patienten eine wichtige Rolle, ebenso wie aktuelle Lebensumstände. Auch Allergien und Unverträglichkeiten sowie Wechselwirkungen mit anderen Therapiemaßnahmen oder Medikamenten müssen beachtet werden.

 

Können Sie das näher beschreiben?

Prof. Samstag: Nehmen wir die Behandlung von Krebserkrankungen: Die Komplementärmedizin kann grundlegende Behandlungsformen wie Operation, Chemotherapie und Immuntherapie nicht ersetzten. Jedoch kann sie die Nebenwirkungen dieser Therapien lindern. In Studien wurde beispielsweise bereits nachgewiesen, dass Mistelpräparate sowie Yoga und andere Bewegungstherapien die Lebensqualität von Brustkrebspatientinnen verbessern können. Bei Chemotherapien kann Akupunktur gegen die Übelkeit helfen. Darüber hinaus gibt es allgemeine Empfehlungen: Bei Diabetes wirkt sich eine Pflanzen-basierte Ernährung und mediterrane Kost positiv auf den Stoffwechsel aus. Ein weiteres Beispiel sind sogenannte Probiotika. Man kennt sie aus dem Joghurt. Sie können während einer Antibiotikabehandlung die typischen durch Antibiotika bedingten Durchfälle verringern.

 

Können durch den Einsatz komplementärer Behandlungen Antibiotika oder Schmerzmittel reduziert oder ersetzt werden?

Prof. Samstag: Es werden tatsächlich nach wie vor zu viele unnötige Antibiotika und Schmerzmittel eingesetzt. Das kann zu Problemen wie Antibiotikaresistenzen, Schmerzmittelabhängigkeit oder Nierenschäden führen. Es ist aber klar: Wo konventionelle Therapiemethoden unbedingt erforderlich sind und eine Heilung nur dadurch erreicht wird, können und sollen sie nicht ersetzt werden! Aber wo sie nicht zwingend eingesetzt werden müssen, sollten sie vermieden oder zumindest reduziert werden. Bei Atemwegsinfektionen und speziell bei produktivem Husten können zum Beispiel Thymian und Eukalyptusöle den Auswurf fördern, die Hustendauer verkürzen und eine Antibiotikagabe unnötig machen.