Heparininduzierte Thrombozytopenien

Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie

Definition der Erkrankung

HIT Typ I

Typisch für die HIT I ist ein früh auftretender, relativ milder Abfall der Thrombozytenzahl (selten <100/nL), die allerdings unter fortlaufender Heparingabe nach 1 bis 2 weiteren Tagen wieder ansteigt! Als Ursache vermutet man eine Hemmung der thrombozytären Adenylatzyklase durch Heparin, was eine erhöhte Aggregationsbereitschaft und Sequestration bzw. Verbrauch der Thrombozyten zur Folge haben kann.

HIT Typ II

Typisch für die HIT II ist ein, i.d. Regel 4 bis 14 Tage nach Beginn der Heparintherapie auftretender, deutlicher Abfall der Thrombozytenzahl (auf weniger als die Hälfte des Ausgangswerts oder auf <80-100/nL). Im Median fiel die Plättchenzahl auf 60/nl in einer Studie mit 142 HIT-Patienten (Warkentin TE, Semin Hematol 1998; 35 (suppl 5):9-16). Medikamentenassoziierte Thrombozytopenien haben dagegen typischerweise einen niedrigeren Plättchennadir von etwa 15/nl und verursachen Blutungen.

Bei bereits vorhandenen HIT-Antikörpern (bis zu 3 Monate nach Erstnachweis) kann die Plättchenzahl nach Re-Exposition mit Heparin bereits innerhalb weniger Stunden deutlich fallen (Rapid-onset HIT II). Die Plättchenzahl kann sogar mehrere Tage nach Heparin-Absetzen fallen. Dies wird als Delayed-onset HIT II (mind. 3-5% der Fälle) bezeichnet (Warkentin TE, Curr Hematol Rep 2002;1:63-72).

Für die Diagnosewahrscheinlichkeit wurden Scores beschrieben (Warkentin TE, Br J Hematology 2003;121:535-555, Lo GK, J Thromb Haemost 2006;4:759-765).

Als weitere Hinweise auf eine HIT II können eine "Heparinresistenz", Hautnekrosen an der Heparinapplikationsstelle oder systemische Reaktionen auf IV-Gabe gewertet werden. Klinisch imponieren arterielle und venöse Thrombembolien in kleinen und größeren Gefäßen (Bild links), die in 20 Prozent zur Amputation führen bzw. eine hohe Mortalität (30 Prozent) haben. Trotz niedriger Plättchenzahlen ist eine Spontanblutung i.d.R. nicht zu befürchten. In der Herz-Lungenmaschine lassen sich manchmal für die HIT II typische "white-clots" (plättchenreiche Thromben) beobachten.

Weitere Informationen

Diagnose

Das größte Problem der HIT-Tests ist ihre mangelnde Spezifität. Es gibt ELISA-Schnelltests (der relativ zuverlässige DIAMED-Test wird vom Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin durchgeführt) und Tests zum Nachweis einer heparininduzierten Serotonin-Ausschüttung aus Plättchen.

Zur Bestätigung wird i.d.R. ein funktioneller Test, der Heparininduzierte Plättchenaggregationsassay (HIPAA) eingesetzt. Für diesen werden Patientenserum, gewaschene Spenderplättchen und Heparin in einer Mikrotiterplatte auf einem Schüttler inkubiert. Durch Stahlkugeln wird der leicht trübe Ansatz kräftig durchmischt. Zeigen sich nach 45 min eine Klärung des Ansatzes und große, schwebende Plättchenaggregate, so ist der HIPAA positiv. Im HIPAA werden unfraktioniertes und niedermolekulares Heparin sowie Danaparoid in verschiedenen Konzentrationen untersucht.

Ablauf der Behandlung

Zunächst Heparin sofort absetzen und mit einer alternativen Antikoagulation starten. Sollte die Grunderkrankung des Patienten oder ein thrombembolisches Ereignis durch HIT eine therapeutische Antikoagulation erfordern, sollte auch eine therapeutische Dosierung der alternativen Antikoagulantien gewählt werden.

HIT-Schnelltest veranlassen und bei positivem Ergebnis HIPAA-Bestätigungsstest durchführen. Bei positivem HIPAA sollte eine tiefe Beinvenenthrombose mittels Dopplerultraschall-Untersuchung ausgeschlossen werden.

Sollten die Tests negativ, aber die klinische Symptomatik stark für ein HIT II sprechen, wird mit der alternativen Antikoagulation fortgefahren. Eine überlappende Umstellung auf eine orale Antikoagulation mit Marcumar sollte frühestens begonnen werden, wenn die Plättchenzahlen wieder auf Ausgangsniveau sind, da Marcumar die akute prokoagulatorische Phase paradoxerweise verstärken kann.

Sprechen sowohl HIT-Tests als auch Klinik gegen ein HIT, kann wieder mit Heparin begonnen werden. HIT-Ak sind übrigens nur transient (i.d.R. 3 bis 4 Monate) nachweisbar. Eine erneute Therapie mit unfraktioniertem Heparin (z.B. kurzfristig bei PCI oder Herzchirurgie) ist vertretbar, wenn nach >100 Tagen keine HIT-Ak mehr vorliegen (Warkentin & Greinacher, Chest 2004; 126:311S-337S). Für die periinterventionelle Thromboseprophylaxe sollten alternative Antikoagulantien verwendet werden.

Alternative Antikoagulation bei HIT Typ II

Für die alternative Antikoagulation bei HIT II können direkte Thrombininhibitoren (Refludan, Angiox, Argatra) und Präparate, die vorwiegend die Faktor Xa-Aktivität hemmen (Orgaran, Arixtra) verwendet werden. In bestimmten Fällen kann es auch vorteilhaft sein, einen kleinmolekularen GpIIbIIIa-Rezeptorblocker mit kurzer Halbwertszeit, wie Aggrastat (Tirofiban), einzusetzen (z.B. in der Herzchirurgie), obwohl der Hersteller das nicht empfiehlt. In der Herzchirurgie an der Herz-Lungenmaschine wurde neben Refludan auch das besser steuerbare und zudem überwiegend extrarenal (hepatisch) eliminierte Angiox (Bivalirudin) verwendet (Merry, Sem Thromb Hemost 2004; 30:337-46).

Das neue Argatra (Argatroban) weist gegenüber Refludan (Lepirudin) eine bessere iv.-Steuerbarkeit auf. Dadurch wird das Risiko schwerer Blutungen (bei NI) gesenkt. Das Monitoring der Wirkspiegel mit der aPTT ist bei Argatra möglich und sollte bei Refludan aber mit der Ecarin Clotting Time (ECT mit Umrechnung in Refludan Dosis-Einheiten) erfolgen, da beim Monitoring mittels aPTT eine nicht-lineare Dosis-Wirk-Beziehung besteht. Bei Refludan sollte die mit der ECT gemessene Dosis <1,5 µg/l bleiben.
Cave: bei Leberinsuffizienz ist die Halbwertszeit von Argatra stark verlängert. Lepirudin kann zur Ak-Bildung und anaphylaktischen Reaktionen bei wiederholter Anwendung führen (Greinacher et al. Circulation 2003; 108:2062-5).

Ist eine iv.-Antikoagulation bzw. -Steuerbarkeit nicht notwendig, so kann Orgaran (Danaparoid) mit einer längeren Halbwertszeit (Eliminationshalbwertszeit für die Anti-Xa-Aktivität 25h!) verwendet werden. Bei <10% der Patienten soll auch gegen Orgaran eine Kreuzreaktivität der HIT II-Ak bestehen, deren Relevanz fraglich ist (Cave auch bei Sulfitallergie!). Revasc kann ebenfalls s.c. verabreicht werden, hat aber als Hirudinoid prinzipiell ähnliche Probleme wie Refludan. Das synthetische Heparin bzw. Pentasaccharid Arixtra (Fondaparinux) ist zwar nicht für die Therapie der HIT II zugelassen, aber es wurden bislang keine Kreuzreaktivität der HIT-Ak gegen dieses Pentasaccharid oder HIT unter dieser Therapie in großen Studien berichtet. Die off label Anwendung bei Dialyse wurde bereits beschrieben (Haase et al., Nephrol Dial Transplant 2005;20:444-6).

Weitere Einzelheiten zur Anwendung dieser Medikamente entnehmen Sie bitte den entsprechenden Fachinformationen, die jeweils als link hinterlegt sind.

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