Osseointegration

Hals-, Nasen- und Ohrenklinik

Erklärung

Vater und Wegbereiter dieser Methode war der Schwede Per-Ingvar Brånemark, der die hervorragende Biokompatibilität von Titan bei direktem Kontakt mit vitalem Knochen entdeckte und dafür den Begriff der "Osseointegration" prägte. Lichtmikroskopisch lässt sich zeigen, dass an 60 bis 80 Prozent der Implantatoberfläche ein solcher direkter Kontakt besteht. Elektronenmikroskopisch findet man jedoch auch an diesen direkten Kontaktstellen eine 100 bis 400 nm dünne amorphe Schicht, die aus Proteoglykanen besteht. Aufgrund dieser Erkenntnisse empfahl Albrektsson folgende Definition für die Osseointegration: "Die Osseointegration ist ein Prozess, bei dem eine klinisch-asymptomatische, rigide Verbindung eines alloplastischen Implantats im vitalen Knochen erreicht wird und unter funktioneller Belastung erhalten werden kann". Die Methode wurde 1965 erstmals beim Menschen zur Stabilisierung eines implantatgestützten Zahnersatzes angewandt. Seit 1966 konnten in der Zahnheilkunde bei über 700.000 Patienten Erfahrungen mit den Brånemark-Titanimplantaten gewonnen werden. 1977 erfolgte erstmalig durch Tjellström eine Implantation im extraoralen Bereich, und zwar für ein knochenverankertes Hörgerät. Ab 1979 wurden auch kraniofaziale Defekte mit knochenverankerten Epithesen versorgt.

BAHA-Implantat

Die Operation wird in örtlicher Betäubung oder Vollnarkose durchgeführt. Der Eingriff setzt sich prinzipiell aus 2 Schritten zusammen:

Der 1. Schritt besteht im wesentlichen aus Knochenbohrung und Eindrehen der Titanschraube von 3 oder 4 mm Länge. Früher musste dazu noch ein Gewinde in den Knochen geschnitten werden. Heute steht aus dem Brånemark-System eine selbstschneidene Titanschruabe zur Verfügung.Der 2. Schritt beinhaltet die maximale Ausdünnung und Enthaarung der umgebendden Haut sowie das Durchführen des Implantates durch die Haut. Die Hautausdünnung in der Umgebung der Titanschraube, vermeidet Taschenbildungen und Hautbewegungen um das Implantat, die zu Entzündungen führen könnten. Auf das eigentliche Titanimplantat wird ein Aufsatzes (perkutaner Pfeiler oder "Abutment" genannt) geschraubt, der dann durch die Haut nach außen ragt.Diese beiden Schritte werden klassischerweise zweizeitig in einem Abstand von 3 Monaten durchgeführt. Heute können jedoch auch beide Schritte in einer einzigen Operation furchgeführt werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • der Patient ist erwachsen
  • der Knochen ist dicker als 3 mm
  • es ist keine Strahlentherapie erfolgte oder geplant

Da eine zu frühe Belastung die Gefahr der Bildung fibrösen Gewebes um die Implantate mit sich bringt, was einer fehlgeschlagenen Osseointegration beziehungsweise einem Implantatverlust gleichkommt, muss mindestens eine 6wöchige belastungsfreie Einheilungsphase eingehalten werden. Das bedeutet, auch bei einzeitigem chirurgischen Vorgehen darf das BAHA erst nach 6 Wochen aufgesetzt werden.Bei Kindern und bestrahlten Erwachsenen gehen wir immer zweizeitig vor. Die Einheilungsphase beträgt dann 6 Monate!Es wird ein spezielles Instrumentarium benötigt. Wichtig ist, das operative Trauma für den Knochen zu minimieren. Da nachgewiesen wurde, dass die kritische Temperatur zur Erzeugung eines Hitzeschadens am Knochen bei 47 °C während einer Minute liegt, gilt es, die von der Brånemark-Technik geforderten strengen Regeln zu beachten, um so die Temperatur bei nur 34 °C zu halten:

  • niedrige Bohrgeschwindigkeit
  • intermittierend auszuübendem Druck
  • ausgiebiger Spülung zu beachten.

Neben dem Gebot höchster Sterilität dürfen auch die Titanimplantate nach Entfernung ihrer Verpackung zur Erhaltung der Oberflächenenergie und Vermeidung von Verunreinigungen nur mit Titaninstrumenten angefasst werden. Der Ohrknochen ist ein relativ kompakter Knochen, der deshalb gute Voraussetzungen für eine Osseointegration bietet. Hier reicht in der Regel ein Titanimplantat aus. Bei Kindern oder bei unsicherer Knochensituation kann es sinnvoll sein ein zusätzliches Implantat als Reserve zu setzen.

Siehe auch: Das knochenverankerte Hörgerät BAHA

1 Woche nach dem 2. Schritt wird die Mullstreifentamponade um das Abutment entfernt. Sinn dieser Tamponade ist es, die ausgedünnte Haut an den Wundgrund mit der Knochenhaut (Periost) anzutamponieren, um einen Bluterguss zu vermeiden. In der Regel ist es sinnvoll bis zur vollständigen Abheilung 2 - 3 Wochen nach der Operation noch eine antibiotikahaltige Salbe dünn aufzutragen.

Jeden 2. Tag sollte die Haut um das Implantat mit einer milden Seife gereinigt werden. Hierzu kann eine von entific / cochlear mitgelieferte sehr weiche Zahnbürste benutzt werden. Bewährt haben sich auch dünnste Wattestäbchen, die über die Apotheke bezogen werden können. Leider sind herkömmliche Ohrstäbchen zu dick. Auch weiche Zahnseide ("super floss") kann hilfreich sein. Zu viel Reinigung kann die Haut reizen. Bei entzündlichen Veränderungen ist oft eine Salbe mit einem Antibiotikum und Kortison hilfreich. Sauna- und Schwimmbadbesuche können unverändert durchgeführt werden. In der Regel ist eine halbjährliche Kontrolle des Implantates empfehlenswert.

Bei Erwachsenen liegt die Einheilungsrate im Ohrknochen um 99%. Bei Kindern ist die Erfolgsrate aufgrund des altersentsprechend dünneren Knochens mit ca. 90% zu beziffern.

Komplikationen nach Implantation für ein BAHA sind generell sehr selten. Beruhigend ist, dass für das Gehör auf keinen Fall eine Gefährdung besteht. Am häufigsten treten leichtere entzündliche Reaktionen um das Implantat auf. Diese sind in der Regel harmlos und können lokal mit einer Salbe behandelt werden. Ernsthafte Entzündungen, oder sogar eine Knochenentzündung sind Raritäten. 

Erwachsene können in der Regel jederzeit versorgt werden. Ausnahme bildet eine Strahlentherapie in diesem Bereich, die dann am günstigsten zwischen 1. und 2. Schritt bei verlängerter Einheilungsphase durchgeführt werden sollte. Wie eingangs erwähnt, besteht bei Kindern mit beiderseitiger Ohrfehlbildung durch die funktionelle Taubheit trotz intaktem Innenohr ein dringender Handlungsbedarf in der Weise, dass diese Kinder zur Gewährleistung einer normale Sprachentwicklung so früh wie möglich (innerhalb des ersten Lebenshalbjahres) mit herkömmlichen Knochenleitungshörgeräten versorgt werden müssen. Eine spätere Umstellung auf knochenverankerte Hörgeräte ist aufgrund der deutlichen Vorteile derselben gerade auch im Kindesalter vorbehaltlos zu empfehlen. Als Alter bietet kann etwa 5 Jahre angegeben werden. Die Entschiedung kann auch von der Sprachentwicklung abhängig gemacht werden: Wenn hier eine Entwicklungsverzögerung besteht sollte eine fühe Implantation erwogen werden. Bisher liegt für uns die untere Altersgrenze für diese Versorgung bei 2 ½ Jahren. Der weltweit jüngste bisher versorgte Patient war ein 18 Monate alter Junge mit Franceschetti-Syndrom.