Hämangiome und Gefäßmalformationen

Sektion Kinderchirurgie

Definition der Erkrankung

Hämangiome (Blutschwämmchen) sind gutartige Gefäßtumore im Neugeborenen- und Säuglingsalter. Sie treten mit einer Häufigkeit von 10 Prozent bei reifgeborenen Kindern und bis zu 30 Prozent bei Frühgeborenen auf. Bei Mädchen treten Hämangiome drei Mal häufiger auf als bei Jungen, des Weiteren ist eine familiäre Häufung beschrieben. Der genaue Entstehungsmechanismus der Hämangiome ist bisher noch nicht geklärt.

Weitere Informationen

Symptome

Einteilung

Man unterscheidet die kongenitalen und die infantilen Hämangiome. Die infantilen Hämangiome sind wesentlich häufiger als die kongenitalen.

Infantile Hämangiome

Infantile Hämangiome treten in den ersten vier Lebenswochen als kleiner rötlicher Punkt oder Fleck auf. In den darauffolgenden Wochen kommt es zu einem raschen Wachstum, das sich zum sechsten Lebensmonat hin zunehmend verlangsamt. Um den sechsten Lebensmonat herum tritt dann ein Wachstumsstopp ein. Im Anschluss beginnt noch innerhalb des ersten Lebensjahres die natürliche Rückbildung. Die Phase der Rückbildung dauert Jahre. Bei kleinen Befunden wird häufig eine komplette Regression beobachtet, bei größeren Ausgangsbefunden bleiben teilweise Überbleibsel wie Hautausdünnungen, Pigmentveränderungen, Narben oder Schwellungen zurück.
 
Infantile Hämangiome treten meist lokalisiert auf, allerdings können sie teilweise ein ganzes Körpersegment betreffen und mit syndromalen Erkrankungen assoziiert sein.

Kongenitale Hämangiome

Im Gegensatz dazu sind kongenitale Hämangiome bereits bei Geburt ausgereift. Hier gibt es die NICH ("non-involuting congenital haemangioma"), bei denen die Regression komplett ausbleibt und die RICH (rapidly-involuting congenital haemangioma"), bei denen schon kurz nach der Geburt die Rückbildung einsetzt.

Beim Auftreten von über zehn Hämangiomen, liegt eine sogenannte Hämangiomatose vor. Eine von uns durchgeführte Studie zeigte, dass beim Vorliegen von bereits drei Hämangiomen die Wahrscheinlichkeit erhöht ist, dass zusätzlich Hämangiom in der Leber oder dem Gehirn vorliegen können. Aus diesem Grund führen wir bei den betroffenen Patienten in Zusammenarbeit mit den hiesigen Kinderradiologen eine Ultraschalluntersuchung von Bauch und Schädel durch.

Gefäßmalformationen

Differentialdiagnostisch kommen die Gefäßfehlbildungen (vaskulären Malformationen) in Betracht. Diese bestehen bereits bei Geburt. In der Regel tritt ein proportionales Wachstum entsprechend dem Körperwachstum auf.

Teilweise fallen sie erst verzögert durch ihre zunehmende Größe auf. Bei den Gefäßfehlbildungen unterscheidet man die kapillären, venösen, arteriovenösen und lymphatischen Malformationen. Des Weiteren können Mischformen bestehen.

Diagnose

Unter Berücksichtigung von Anamnese, klinischem Befund und Dopplersonographie kann meist zwischen einem Hämangiom und einer vaskulären Malformationen unterschieden werden. In seltenen Fällen müssen weitere Untersuchung, wie eine MR-Angiographie, zur genaueren Beurteilung angeschlossen werden.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Seit einiger Zeit gibt es an unserem Universitätsklinikum eine interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für komplizierte Gefäßfehlbildungen und Hämangiome. Ein Mal monatlich trifft sich hier ein Team aus Radiologen, Kinderärzten und Chirurgen der unterschiedlichen Fachabteilungen um komplexe Fälle zu diskutieren und gemeinsam einen Therapieplan für die Patienten zu erstellen.

Wann sollten die Kinder zügig bei uns vorgestellt werden?

  • bei Hämangiomen mit kritischer Lokalisation (Ohr, Auge, Nase, Mund, Genitale, Fuß, Hand, ästhetisch ungünstiger Lokalisation)
  • bei Hämangiomen mit rascher Größenprogredienz
  • bei Vorliegen einer Hämangiomatose
  • bei segmentalen Hämangiomen
  • bei Verdacht auf eine Gefäßfehlbildung

Meist kann die Diagnose rein anamnestisch und klinisch gestellt werden. Zur Verlaufsbeurteilung sind die Fotodokumentation und das Markieren der Hämangiomumrisse auf einer Folie wertvoll. Gelegentlich ist eine Ultraschalluntersuchung notwendig. In komplizierten Fällen wird die Diagnostik durch eine Kernspintomographie ergänzt.

Ablauf der Behandlung

Bei Hämangiomen an funktionell wichtigen (Augen, Ohren, Nase, Glottisbereich, Fuß oder Hand) und kosmetisch oder pflegerisch kritischen Lokalisationen (Gesicht, Genitalbereich) sowie Hämangiomen die rasch wachsen sind die frühzeitige Vorstellung und ein rechtzeitiger Therapiebeginn entscheidend. Bei kleinen Hämangiomen an unkritischer Lokalisation ist es meist ausreichend sie im Verlauf zu kontrollieren.

Bei Hämangiomen an kosmetisch ungünstigen Lokalisationen und bei Hämangiomen mit einer raschen Größenprogredienz kann eine Kryotherapie(Kältbehandlung) erfolgen, um das Wachstum zu stoppen. Vor der Behandlung erhalten die Kinder ein Emla-Pflaster zur örtlichen Betäubung. Zu bedenken ist, dass die Kryotherapie nur eine Eindringtiefe von ca. 2mm hat. Deshalb sollten die Kinder rechtzeitig vorgestellt werden. Teilweise sind mehrere aufeinanderfolgende Behandlungen möglich. Alternativ kann eine farbstoffgepulste Lasertherapie durchgeführt werden. Hier beträgt die Eindringtiefe allerdings nur ca. 0,7mm.

Seit 2008 besteht die Möglichkeit einer Therapie mit einem nicht selektiven Betablocker, dem Propranolol. Propranolol ist ein Medikament, das in erster Linie zur Behandlung von Herzkreislauferkrankungen eingesetzt wird und als solches schon seit längerer Zeit Anwendung im Bereich der Kinderheilkunde findet. Bei Hämangiomen mit kritischer Lokalistation, die für eine Kryotherapie nicht in frage kommen, wird Propranolol in einer niedrigen Dosierung angewendet. Bis im Dezember 2013 haben wir an der Heidelberger Kinderchirurgie bereits 300 Säuglinge erfolgreich mit dem Medikament behandelt. Propranolol ist bisher noch nicht offiziell für die Hämangiomtherapie zugelassen und wird als "Off-Label Use" angewendet. Die Eltern werden entsprechend über Therapialternativen, nutzen, Risiken, Nebenwirkungen und den "Off-Label Use" aufgeklärt.

Da Propranolol das Herzkreislaufsystem beeinflusst, wird vor Beginn der Therapie ein EKG und eine Echokardiographie zum Ausschluss von angeborenen Herzerkrankungen durchgeführt und die Medikation während eines zweitägigen stationären Aufenthalts eingeschlichen. Das Medikament sollte drei Mal am Tag eingenommen werden. Bisher haben wir nie behandlungsbedürftige Nebenwirkungen beobachtet. In der Regel dauert die Behandlung sechs Monate. Mit dem Propranolol wird ein vorzeitiger Wachstumsstopp und ein früherer Beginn der Rückbildung erreicht. Im Anschluss an das Ende der Therapie kann es in seltenen Fällen zu einem weiteren Wachstum des Hämangioms kommen. Bei diesen Kindern kann dann erneut Propranolol, in der Regel für zwei bis drei Monate, gegeben werden.

Seit Anfang 2012 steht neben der systemischen Therapie mit Propranolol, auch die topische Anwendung zur Verfügung. Diese Therapieoption kommt für Hämangiome in Betracht, die für eine Kryotherapie zu groß und für eine systemische Propranololtherapie zu klein sind. Zirka 40 Kinder wurden in unserer Klinik bisher mit Propranololgel oder -creme behandelt. Nebenwirkungen konnten nicht beobachtet werden. Die Ansprechrate ist gut. Vor allem bei flachen, kutan gelegenen Hämangiomen kann in etwa 75 Prozent der Fälle ein Wachstumsstopp erzielt werden. Kritisch hingegen ist die topische Anwendung bei erhabenen Hämangiomen zu sehen. Hier ist die Erfolgsquote deutlich geringer. Auch für die topische Anwendung von Propranolol fehlt die offizielle Zulassung für den Einsatz in der Hämangiomtherapie. Die Eltern werden daher vor Beginn der Therapie über den "Off-Label-Use" aufgeklärt.

Sollte unter Propranolol Gel/-Creme zu einer weiteren Größenprogredienz der Hämangiome kommen, ist ein Umstieg auf eine orale Propranolol Therapie jederzeit möglich.

In der Ära der Propranololtherapie haben früher noch häufig eingesetzte Verfahren, wie die Kortisontherapie oder die interstitielle Lasertherapie, zunehmend an Bedeutung verloren und werden nur noch in Einzelfällen eingesetzt.

Behandlungsangebot