Weil es ihm am Herzen liegt!
Eine Operation ohne Blut, ohne Narkose und mit einer Computermaus statt mit einem Skalpell? Das ist keine Science-Fiction, sondern ein weltweit einmaliges Wissenschaftsprojekt um den Heidelberger Kardiologen Prof. Dr. Benjamin Meder: Das Herz, in dem Meder gerade vorsichtig einen Schrittmacher platziert, schlägt nur auf einem Bildschirm. Es ist ein sogenannter „digitaler Zwilling“, eine Art virtueller Klon, in dem Zelle für Zelle das echte Organ eines Patienten nachgebildet wurde. „Hier wird der Traum jedes Kardiologen wahr, denn wie ein Gesicht ist auch jedes Herz einmalig. Deshalb können wir Risiken vermeiden und Kosten sparen, wenn wir in Zukunft komplizierte Eingriffe vorab am Computer planen“, sagt Meder, der mit gerade mal 42 Jahren Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am Universitätsklinikum Heidelberg ist und außerdem das Institut für Cardiomyopathien Heidelberg (ICH.), das Herzkatheterlabor sowie eine eigene Forschungsgruppe leitet.
Was ihn antreibt? „Der will es ganz genau wissen“, könnte man sagen. Aber natürlich steckt mehr dahinter, wenn ein junger Mensch so viele Projekte in Klinik und Forschung parallel und erfolgreich durchführt. „Der hilft gern“, muss man unbedingt noch ergänzen, denn Meder steht wie seine Kollegen im Herzkatheter, berät ratsuchende Patienten und deren Familien und plant mit ihnen lebensrettende Therapien. Er formuliert es so: „Wir können so viel tun, um Herzerkrankungen in Zukunft noch besser zu verstehen und zu behandeln – und durch unsere Arbeit wirklich einen Unterschied für unsere Patienten machen.“
Doch von Anfang an: Meder, geboren und aufgewachsen in Freiburg im Breisgau, ist schon als Kind begeistert von Mathematik und Physik. Er will Zusammenhänge verstehen, interessiert sich für Ursache, Wirkung und das Wesen der Dinge. Sein Weg in die Kardiologie begann, völlig unabsichtlich, womöglich in der Garage seines Elternhauses: Hier zerlegten sein Vater und er mit Begeisterung eine Isetta und andere Oldtimer, um sie dann in neuem Glanz wieder in Fahrt zu bringen. Vom Automotor zu dem Organ, das unser Leben antreibt, ist der Schritt nicht mehr allzu groß – und als Benjamin Meder als Zivildienstleistender am Herzzentrum Bad Krozingen an ersten Forschungsprojekten mitarbeitet, ist seine Entscheidung für die Medizin getroffen. „Das war mein Einstieg“, erinnert er sich heute. „Ich habe entdeckt, dass ich in der Kardiologie auf perfekte Weise meine Faszination für Technik und Soziales verbinden kann.“
Benjamin Meder studiert in Freiburg und kommt im Jahr 2005 nach seiner Doktorarbeit nach Heidelberg zum Vorstellungsgespräch bei Prof. Hugo Katus, dem Ärztlichen Direktor der Klinik für Kardiologie, Pneuomologie und Angiologie. Nach dem Bewerbungsgespräch sitzt der junge Arzt mit seiner Frau im Botanischen Garten vor der Klinik. Sie sprechen darüber, ob er die Herausforderung annehmen oder doch ins beschaulichere Utrecht in den Niederlanden gehen soll, wo ihm eine attraktive Forscherstelle angeboten wurde. „Eigentlich“, so erinnert er sich. „war die Sache sofort entschieden. Ich war fasziniert davon, in welchem Umfang und mit welcher Professionalität hier in Heidelberg kardiologische Krankheitsbilder behandelt und erforscht werden.“
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Ein echter Mehrwert besteht auch darin, dass durch die Entlastung des Arztes mehr Zeit für das Wesentliche bleibt: Den Patienten
Mittlerweile ist er mehr als ein Jahrzehnt in Heidelberg, hat viele entscheidende Entwicklungen begleitet – und nun steht die nächste Herausforderung an: Am Universitätsklinikum wird mit Unterstützung der Dietmar Hopp Stiftung ein neues Herzzentrum gebaut, das 2024 eröffnet und zentrale Anlaufstelle für Patienten mit allen Formen von Herzerkrankungen werden soll. Daran angeschlossen wird ein Forschungszentrum: Das Institut „Informatics for Life“ entsteht parallel. Benjamin Meder ist Teil des Leitungsboards dieser innovativen Forschungsschmiede. Die Vision der Wissenschaftler: Das Leben in all seiner Komplexität zu simulieren. „Jede Herzerkrankung ist individuell“, sagt Benjamin Meder. „Um dem gerecht zu werden, werden wir in Zukunft viel stärker die persönlichen Daten des Patienten einbeziehen. Diese Informationen werden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz kombiniert und in eine Simulation gepackt. So können wir in Zukunft vermutlich auf Wochen und sogar Monate vorhersagen: Welcher Patient wird tatsächlich krank? Welcher wird auf eine Therapie reagieren? Welcher Patient hat den größten Nutzen von einer bestimmten Behandlung? Diese neue Herangehensweise wird die Medizin revolutionieren.“
Für manche Patienten ist diese Vision etwas beunruhigend, weil sie fürchten, dass der Computer den Arzt ersetzen soll. Meder, der gerade für seine innovative Forschung mit dem Else-Kröner Exzellenzstipendium ausgezeichnet wurde, sieht das aus einem anderen Blickwinkel: „Ich glaube, dass der Arzt in Zukunft sowohl mit dem Patienten als auch mit dem Computer eng zusammenarbeiten wird. Eingriffe und Therapien können besser geplant, Nebenwirkungen und unnötig hohe Kosten vermieden werden.“ Und er ergänzt: „Schließlich kann der Computer den Mediziner bei manchen Arbeiten entlasten. Das schafft einen echten Mehrwert, denn so hat der Arzt Zeit für das eigentlich Wichtige: seinen Patienten.“