Forschung Das UKHD im Forum… ProCell

ProCell

Projekt im Forum Gesundheitsstandort

David gegen Goliath: Die kleine CAR-T-Zelle greift die große Tumorzelle an. Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg

Robotik für die Immunzell-Therapie

Projekt „ProCell for Patient“: Automatisierung soll die Herstellungskosten von T-Zell-Produkten für die personalisierte Krebstherapie senken. So kann die effektive Therapieform breiter eingesetzt werden.

Die Therapie mit patienteneigenen, im Labor genetisch veränderten Immunzellen – die sogenannte CAR-T-Zell-Therapie – hat sich in den letzten Jahren als effektive Behandlung bei Leukämie oder Lymphomen bewährt. Die Herstellung ist derzeit jedoch noch mit großem personellem Arbeitsaufwand verbunden. Die kommerziell erhältlichen Medikamente sind daher teuer. Eine Möglichkeit, die Kosten zu senken und die Herstellung in industriellem Maßstab zu ermöglichen, ist die Automatisierung mit Hilfe von Robotern.

Daran arbeiten derzeit die Projektpartner bei „ProCell for Patient“. Das vom Landesministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus geförderte Projekt sollte ursprünglich bis Ende September 2022 laufen. Weil es aber während der Covid-Pandemie zu erheblichen Verzögerungen kam, wird die Projektlaufzeit voraussichtlich ein Jahr verlängert.

Steckbrief

Projektname: ProCell for Patient

Start: 5. Oktober 2020

Fördersumme: 2.030.000 Euro
(Für 2020/21 - 1. Förderrunde)

Schnittmengen: Präzisionsmedizin

Link: Projektseite

Projektpartner sind das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD), das Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart und die Firma OPTIMA pharma mit Sitz in Schwäbisch Hall. Prof. Dr. Michael Schmitt, Leiter der GMP Core Facility an der Medizinischen Klinik V (Onkologie, Hämatologie und Rheumatologie) am UKHD, und sein Team verfügen über große Expertise in der CAR-T-Zell-Herstellung und machen eine Behandlung betroffener Patienten in Deutschland möglich. Inzwischen haben sie im Rahmen einer klinischen Prüfstudie (HD-CAR-1) insgesamt 34 Patientinnen und Patienten mit Leukämien und Lymphomen erfolgreich therapiert. Sie zeigten: Das am UKHD hergestellte Zell-Produkt hat deutlich weniger Nebenwirkungen als alle kommerziell erhältlichen Zell-Therapeutika. Gleichzeitig ist die Wirksamkeit vergleichbar oder sogar besser.

Die Heidelberger Expertise wird von Prof. Dr. Walter-Erich Aulitzky, Chefarzt für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin am Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart, verstärkt. Auch Prof. Aulitzky und sein Team verfügen über langjährige Erfahrung in Herstellung und Therapie mit Stammzellprodukten im Bereich Leukämien und Lymphome. Die Firma OPTIMA pharma (CEO: Jürgen Rothbauer), renommierter Hersteller von Abfüllautomatik und Maschinenstraßen für die pharmazeutische Industrie weltweit, bringt als dritter Projektpartner das Mechatronik- und Software-Knowhow ein.

 

Herr Prof. Schmitt, wie werden – vereinfacht beschrieben – die veränderten T-Zellen hergestellt?

Ausgangsmaterial für ein CAR-T-Zell-Produkt sind weiße Blutkörperchen, speziell die T-Lymphozyten oder T-Zellen. Die T-Zellen gewinnt man durch eine Art Blutwäsche, die sogenannte Leukapherese, aus dem Blut des Patienten selbst. Im Labor werden die T-Zellen stimuliert, so dass sie sich vermehren und aktiv werden. Nun verleiht man ihnen durch die Übertragung genetischer Information die Fähigkeit, gezielt Krebszellen zu erkennen und anzugreifen. Man richtet sie sozusagen auf die Krebszellen des Patienten ab. Dazu wird eine Gensequenz mit dem Bauplan für einen bestimmten Rezeptor, den CAR, mittels eines Vektors, also einer Genfähre, in die patienteneigenen Lymphozyten geschleust. Damit sind sie in der Lage, den CA-Rezeptor, den man sich wie einen passgenauen Greifarm vorstellen kann, zu bilden und zu nutzen. Mit CAR ertasten und binden die T-Zellen ein bestimmtes Molekül an der Oberfläche der Krebszellen. Und in der Folge werden die so erkannten Krebszellen durch die CAR-T-Zelle getötet.
 

Wie kann dabei die Robotik unterstützen?

Die Robotik kann den Herstellungsvorgang standardisieren. Der Prozess wird dadurch robuster, d.h. weniger störungsanfällig. Robotik kann rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr Produkte herstellen. Es wird weniger Personal dafür benötigt, was in der aktuellen Zeit der Personalknappheit auf dem Arbeitsmarkt sehr bedeutsam ist.
 

Wie ist der aktuelle Stand?

Es gibt bereits einen Prototyp, mit dem auch schon erste Testläufe durchgeführt werden. Die technische Seite funktioniert – nachdem wir einige „Kinderkrankheiten“ beheben konnten – wie wir uns das vorstellen. Aktuell laufen bis Ende des Jahres noch die nötigen Umbaumaßnahmen am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart, damit bis September 2023 die vollautomatisch robotisierte Herstellung von CAR-T-Zell-Produkten in einem gemeinsam entwickelten Isolator-System anlaufen können. Für die sich dann anschließende Prüfstudie werben wir aktuell Forschungsmittel ein.


Wie wird sich die Automatisierung auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Leukämien und Lymphomen auswirken?

Durch die Automatisierung werden mehr Produkte pro Zeiteinheit herstellbar sein. So können wir mehr Patienten als bisher helfen. Mittelfristig erwartet man durch die Automatisierung auch eine Kostensenkung im Gesundheitswesen.